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Corona kurios: Warum ein Wirtshaus in Franken trotz geplanter Schließung bald wieder öffnen muss


Autor: Stephanie Elm

Weißenbach, Freitag, 05. Juni 2020

Eigentlich wollte Pächter Hannes Petzsch das Steinerne Wirtshaus in Weißenbach schließen, um sich beruflich neu zu orientieren. Corona machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Nun wird an einem neuen Bewirtungskonzept gefeilt.
Hannes Petzsch vor der verschlossenen Tür des Steinernen Wirtshauses in Weißenbach. Wann er diese für Gäste wieder öffnen können, weiß er auch jetzt noch nicht. Foto: Stephanie Elm


Wie vor 200 Jahren steht es da. Wenn man ältere Fotos des Steinernen Wirtshauses in Weißenbach ansieht, könnte man meinen, die Zeit sei stehengeblieben. Doch in den alten Mauern - und auch um sie herum - ist viel passiert, besonders im Frühjahr 2020. So mancher Gasthausbesitzer und -pächter hatte es sich anders vorgestellt. Im sprießenden Frühjahr ein florierendes Geschäft mit Kommunionsgästen, Muttertagsessen und Biergartenstimmung - Corona hat ihnen einen gehörigen Strich durch die (Wirtshaus-)Rechnung gemacht, auch Hannes Petzsch, dem Pächter des Steinernen Wirtshauses - allerdings ganz anders. Hannes Petzsch hatte geplant, das Steinerne Wirtshaus zu schließen - bis ihm Corona in die Quere kam.

"Es war einfach zu viel", erzählt der 56-Jährige von der Auslastung vor Corona. "Es ging rund um die Uhr. Jedes Wochenende war ausgebucht", berichtet Carmen Petzsch. "Wir leben von den großen Feiern", aber das große Geschäft brachte auch große Belastungen mit sich. Ob Hochzeiten oder Jubiläen - die Feierlichkeiten gingen bis spät in die Nacht. Mit der Aussicht, dass die Mehrheit seines eingespielten Teams in absehbarer Zeit eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, reifte in Hannes Petzsch die Überzeugung, dass eine Schließung besser wäre. Bis August hätte der gelernte Koch in den Mauern des altehrwürdigen Gasthauses weitergewirkt. Danach wollte er "ein normaler Arbeitnehmer werden", mit geregelten Arbeitszeiten.

Corona und das finanzielle Polster

Mitten in die Bewerbungsphase platzte die coronabedingt erzwungene Schließung der Küche. "Unter den Umständen wäre ich arbeitslos und käme dazu noch nirgends unter", so sah Petzsch seine Zukunft. Durch ausgefallene und abgesagte Geburtstagsfeiern und anderen Familienfesten blieben Einkünfte aus, die als finanzielles Polster bis zur Einstellung gereicht hätten.

Hätten! Die Welt ist auf den Kopf gestellt. Während viele Gastwirte im ländlichen Raum wegen Corona wohl kurz vor der Schließung stehen, muss Hannes Petzsch wegen Corona weitermachen: "Ich kann nicht zumachen, es reicht nicht." Die geplante Schließung im August wäre ein "geregelter Abschied" gewesen, nun kommt ihm die unplanmäßige Schließung dazwischen. Wie viele Kollegen bietet er an den Wochenenden einen Abholservice nach Vorbestellung an, das Team plant auch spezielle Angebote für die Donnerstage, jedoch: "Der Frühlingsumsatz fehlt, der ist mit den Wochenenden auch nicht aufzuholen", klagt Carmen Petzsch. Gerade mal die monatlichen laufenden Kosten sind so zu decken.

"Ich habe keine Routine mehr, es ist alles neu", sagt Hannes Petzsch über die ungewohnte Situation. Natürlich hat er nun die Zeit, Arbeiten, die im ansonsten hektischen Wirtshausalltag schwer zu bewältigen sind, zu erledigen. Der Bierkeller wird gereinigt, der Rasen gemäht, ... "runterfahren, durchatmen, das habe ich die letzten Jahre nicht gehabt", wird ihm bewusst. Seit 2014 ist er Pächter des Steinernen Wirtshauses.

Steinerne Wirtshaus geht wegen Corona in die Verlängerung 

Die Bekannten und Gäste, die von der geplanten Schließung bereits erfahren hatten, waren traurig, berichtet Carmen Petzsch. Auch für die beiden ist eine Schließung, so geplant und vorbereitet sie auch sein mag, emotionell schwierig: "Die Leute halten zusammen und feiern zusammen und sind füreinander da." Wie eine Familie ging es in den Gasträumen zu. "Das ist ein großer Wermutstropfen, wenn man aufhört". Vorerst geht das Steinerne Wirtshaus in die Verlängerung, mindestens bis Februar kommenden Jahres. Dann würde der Pachtvertrag regulär auslaufen.

Die offizielle Neueröffnung der Gaststätten und Biergärten hat Hannes Petzsch jedoch nicht mitgemacht. "Ich habe alles ausgemessen, es reicht nicht. Die Auflagen kann ich nicht erfüllen." Inmitten der personellen Problematik "müsste ich eine Bedienung nur fürs Desinfizieren anstellen. Lohnt sich das?" Wann auch immer der Gastbetrieb wieder startet, Carmen und Hannes Petzsch feilen an einem neuen Bewirtungskonzept. Ihren Gästen sind beide dankbar für die Treue und Unterstützung. Hannes Petzsch: "Eine Weile haben die mich noch."

Laut der Weißenbacher Chronik steht das Steinerne Wirtshaus seit 1816. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass es erst 1826 als Brauereigaststätte für die ebenfalls in jenem Jahr gegründete Brauerei erbaut wurde, berichtet der Weißenbacher Heimatforscher Arno Müller. Die Steine aus rotem Sandstein stammen vermutlich, wie alle damaligen Bausteine, vom "Heckberg" zwischen Detter und der Heckmühle. Das Gebäude befand sich im Besitz der Familie von Thüngen. Bis 1880 wurde es als Gasthaus genutzt, später diente es als Wohnhaus für die Angestellten des Barons von Thüngen. 1838 hatte der Weißenbacher Schneider, der ebenfalls dort wohnte, für kurze Zeit auch die Poststelle inne. 1938 verkaufte Baron Reinhard von Thüngen das Haus an die damals noch eigenständige Gemeinde Weißenbach. Während des Zweiten Weltkriegs waren im Steinernen Wirtshaus Kriegsgefangene aus Frankreich und Belgien, die bei den Bauern arbeiteten, untergebracht. Im Zuge der Gebietsreform 1974/1975 baute die Gemeinde Weißenbach das alte Gebäude zum modernen Gasthaus um. Betrieben wurde es ausschließlich von Pächtern.