Die Kaffeefrau vom Maria Ehrenberg
Autor: Stephanie Elm
Kothen, Donnerstag, 02. April 2020
Im Alter von 23 Jahren hat Johanna Kömpel auf dem Maria Ehrenberg zum ersten Mal Kaffee für die Wallfahrer gekocht. Heute, mit 83 Jahren, macht sie das immer noch.
"Warum denn eine Ehrung?" Johanna Kömpel blickt fragend aus ihren hellblauen Augen: "Das ist doch selbstverständlich!" antwortet die 83-jährige Kothenerin auf die Frage, ob sie für ihr jahrzehntelanges Engagement einmal geehrt worden sei. 32 Jahre war sie im Pfarrgemeinderat, seit 23 Jahren ist sie Seniorenbetreuerin, überdies Küsterin und Lektorin. Ans Aufhören denkt sie auch jetzt noch nicht, obwohl sie überlegt, etwas langsamer zu machen. Das macht sich als erstes beim Kaffee-Kochen auf dem Maria Ehrenberg bemerkbar.
Mit 23 Jahren hat sie im Juli an Mariä Heimsuchung dort oben zum ersten Mal Kaffee für die Wallfahrer gekocht. Ihre Schwiegermutter hatte sie dorthin mitgenommen, die ersten Jahre waren abenteuerlich. "Mit dem Küh-Wagen haben wir alles mit hochgefahren", berichtet Johanna Kömpel und mit "alles" ist auch "alles" gemeint: Theke, Bänke, Regale, 50 Tassen, Kaffee, Brennholz, eine Eisenplatte, drei große Kochkessel, zwei große Milchkannen frisch gemolkener Kuhmilch und ein Holzfass mit "bestimmt 300 Liter Wasser" - auch noch heute, wie damals, gibt auf dem Berg keine Wasserversorgung.
Zwei oder drei weitere Kothenerinnen nahmen das Gleiche mit hoch. Um circa sechs Uhr auf dem Berg angekommen, mussten sie mit Steinen und der Eisenplatte die Holzstelle bauen und Feuer machen. "Vom Rauch bekamen wir geschwollene Augen", erinnert sich die Seniorin. Allerdings hat es auch hin und wieder in den Kaffee geregnet.
"Das mach ich so nicht weiter", hatte damals ihr Mann Emil, der sie bei ihren Diensten stets unterstützt hat, gesagt und eine Blechgarage gebaut. "Das war schon mal angenehmer", sagte Johanna, die da oben ihren Mann stand.
Als der Maria Ehrenberg vom Truppenübungsplatz vereinnahmt wurde, wurde die Marienverehrung in der Wallfahrtskirche schwierig. Doch hatte Pfarrer Schlör in den 70er Jahren mit der US-Armee ein großzügiges Besuchsrecht ausgehandelt. Seit damals können Pilger vom 1. Mai bis zum 31. Oktober jeden Sonntag die Wallfahrskirche besuchen. Von da an kochte Johanna Kömpel auch an Mariä Himmelfahrt und an Mariä Geburt im September Kaffee für die Pilger.
Johanna Kömpel mochte schon als Kind den Maria Ehrenberg. Von Thalau aus war sie mit ihren Eltern schon um fünf Uhr morgens hochgewallt und hat "die Treppe gebetet", also auf den damals 254 Stufen drei Rosenkränze. Nachmittags ging es barfuß wieder nach Hause, "mir haben in den Schuhen die Füße so weh getan". Angenehme Erinnerungen bescherten das Schwartenmagen-Brötchen vom Metzger, der damals die Pilger versorgte, und kleine weiße Lebkuchen, die ihre Eltern an einem der vielen Stände kauften.
Der Schutz durch eine später errichtete massivere Hütte ermöglichte es den Frauen, auch Essen anzubieten. Streuselkuchen mit oder ohne Obst, Marmor-, Nuss- und Rotweinkuchen gehen seitdem weg wie warme Semmeln. Belegte Brötchen boten die Kaffeefrauen an, weil Pilger oft auch Lust auf etwas Deftiges hatten. Was immer zur Bewirtung der Wallfahrer nötig war, die Frauen kaufen alles selbst ein, von 25 Wasserkanistern, die das Wasserfass ablösten, bis zum Strom-Aggregat, das irgendwann statt der Petroleum-Lampen für etwas Licht in den Nächten sorgte.