Der schönste Tag des Jahres auf dem Motorrad

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2014 schauten Motorradfahrer aus Main-Spessart samt ihrer Gäste aus den Mainfränkischen Werkstätten schon mal bei Elke Bohn in Rupboden vorbei. Jetzt gab es einen erneuten, noch größeren Besuch.

Elke Bohn blickt aufgeregt die Straße nach Weißenbach hinauf. "Eigentlich müssten sie seit ein paar Minuten da sein", sagt die Seniorchefin der gleichnamigen Spedition in Rupboden. "Sie" - das ist eine Gruppe von Motorradfahrern aus dem Nachbarlandkreis Main-Spessart, die jedes Jahr Menschen mit Behinderung aus den Mainfränkischen Werkstätten auf große Tagestour durch die Region mitnehmen. Zum zehnten Jubiläum der Ausfahrt schauten sie wieder bei den Bohns vorbei.

Auf dem Betriebshof der Spedition ist alles für den Empfang bereitet. Würste und Fleischküchle bruzzeln auf dem Grill, Pommes brodeln im Hitzebad. Die Getränke sind kaltgestellt, der Eiswagen aus Schondra in Betrieb genommen. Lange müssen Elke Bohn und ihre elf, zwölf Helfer nicht mehr warten, da ertönt von Weißenbach her ein Hupen und Brummen. Dann rollt die Karawane heran: 40 bis 50 Motorräder mit und ohne Beiwagen, Trikes (dreirädrige Fahrzeuge), (vierrädrige) Quads, dazu Motorradsanitäter und hinten ein Begleitfahrzeug. Die Helme der meist schwarz gekleideten Fahrer blitzen in der Sonne.

Auf dem Hof verwandeln sich die vorher kaum zu unterscheidenden Gestalten in Menschen. Runter die Helme und weg die schützenden, aber jetzt zu warmen Kombis. Einige offenbaren sich als wettergegerbte Biker; andere, meist jüngere, als ihre Beifahrer aus den Werkstätten. Insgesamt rund 80 Personen, 24 davon geistig oder mehrfach Behinderte.

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Elke Bohn steuert auf einen Fahrer zu, begrüßt ihn mit großem "Hallo". Es ist Jürgen Meyer, einer der Hauptorganisatoren der 180 Kilometer langen Ausfahrt. Die beiden haben sich vor fünf Jahren an selber Stelle schon einmal getroffen, als die Gruppe das erste Mal zu Besuch war.

Damals suchte ein Bekannter Bohns Plätze, wo die Ausflügler Rast machen könnten. Elke Bohn war sofort dabei. "Ich wollte Menschen mit Behinderung etwas Gutes tun", sagt die Frau, die ursprünglich aus Burgsinn (Main-Spessart) stammt. Diese Einstellung vielleicht auch deswegen, weil es einen Rollstuhlfahrer in der Familie gibt und ein anderes Mitglied vor Jahren schwer verunglückte.

Nachdem Bohn vor fünf Jahren einen Imbiss organisierte, sagte sie vergangenes Jahr zur Ehefrau des Bekannten: "Ich tät's wieder mal machen." Die Beteiligten einigten sich, dass es zum zehnjährigen Jubiläum der Ausfahrt passen würde. Diesmal waren es - dem Gefühl nach - einige mehr Teilnehmer als vor fünf Jahren. Und auch der Imbiss fiel größer aus.

Als einer von zwei Betreuern der Behinderten ist Roland Franz mitgefahren. Der Gruppenleiter bei den Mainfränkischen Werkstätten berichtet, dass sich seine Schützlinge stets auf ihre Ausfahrt freuen. "Es macht einen Rieseneindruck, im Pulk durch die Gegend zu fahren. Dazu haben sie sonst eher selten die Gelegenheit."

Franz erledigt nicht nur die Ausschreibung für die Ausfahrt und besorgt den Mitfahrern Motorradkleidung. Er organisiert die Schlussrast am Zielort Wernfeld, inklusive Kaffee und Kuchen. Er berichtet, dass ein junger Teilnehmer zwischendrin auf dem Motorrad Angst bekommen hat. Er fährt jetzt lieber im Begleitfahrzeug mit. Dort drin steht auch ein Rollstuhl, dessen Besitzer in einem Beiwagen sitzt.

Benjamin Schumm aus Aura im Sinngrund fährt schon zum dritten Mal mit. Der 27-Jährige arbeitet bei den Werkstätten in Wernfeld. Wie die beiden Male zuvor hat sich Schumm auf die Ausfahrt gefreut, "wegen der Gemeinschaft, dem Motorradfahren an sich". Man könne die Landschaft genießen. "Und die Rast bei den Leuten ist auch immer schön."

Allerdings zieht der junge Mann diesmal den Beiwagen einem Rücksitz vor. "Ich habe in den Kurven Probleme. Aus Angst neige ich mich immer instinktiv in eine andere Richtung, als ich sollte." Im Alltag bietet sich dem 27-Jährigen nicht die Gelegenheit, mit dem Motorrad zu fahren.

In der Tat fahren die Biker während ihrer Tour selten länger als eine Dreiviertelstunde am Stück. Ihre Schützlinge beginnen spätestens dann, unruhig zu werden. Immer mal wieder muss einer austreten. So gab es auch auf der ersten Etappe über Hammelburg, Thulba, Oberleichtersbach und Modlos eine kleine Pause.

Die Motorradfahrer setzen ihre Helme wieder auf, lassen ihre Maschinen an, fahren einer nach dem anderen los. Die Gruppe zieht weiter ins Hessische. Nächster größerer Halt ist Burgjoß, wo der Inhaber einer Schreinerei in seine neue Halle eingeladen hat. Die Fahrt führt über Züntersbach, Oberzell und Sterbfritz, nach der zweiten Rast schließlich über Aura, Burgsinn, Gräfendorf und Michelau zurück nach Wernfeld, wo sie mit der Abschlussrast endet. Elke Bohn und ihre fleißigen Helfer bleiben allein zurück. Bis zum nächsten Mal, vielleicht in fünf Jahren.