Druckartikel: Das Vermächtnis des Schönderlingers Hugo Kaiser

Das Vermächtnis des Schönderlingers Hugo Kaiser


Autor: Carmen Schmitt

Schondra, Dienstag, 23. Sept. 2014

Vor 100 Jahren starb ein junger Förster aus Schönderling im Ersten Weltkrieg. Sein Schicksal blieb verborgen, bis Jürgen Hüfner in einer Weidentruhe auf Dokumente einer längst vergangenen Zeit stieß.
Jürgen Hüfner hob den Schatz aus einer Truhe. Er grub ein Schicksal aus, das längst vergessen war. Hugo Kaiser hinterließ vor 100 Jahren Aufzeichnungen, Gedanken, Noten und Gemälde. Foto: Carmen Schmitt


Hugo Kaiser wurde nur 22 Jahre alt. Der junge Mann aus Schönderling starb vor 100 Jahren im Ersten Weltkrieg. Er fiel in Westflandern "auf dem Felde der Ehre", wie die blutigen Schlachtfelder damals genannt wurden. Hugo Kaiser wurde zu einem von vielen Millionen Opfern im vierjährigen Bombardement des Sterbens. Seine Lebensgeschichte war all die Jahre in einer Weidentruhe konserviert. Jürgen Hüfner hob den Schatz und stieß auf das Schicksal eines jungen Mannes, der für einen Krieg sterben musste, bevor er sein Leben richtig leben konnte.
"Grüßt mir meinen Wald und meine Laute!", steht am Rand seiner Sterbeurkunde.

Darüber ist ein Foto des jungen Soldaten abgebildet. Er hat feine Gesichtszüge und trägt einen Helm. Milde lächelt er in die Kamera des Fotografen. "Keiner kennt Hugo Kaiser", sagt Jürgen Hüfner aus Schönderling. Den Heimatforscher fasziniert die Geschichte hinter der persönlichen Tragödie: Hugo Kaiser war Musiker, Künstler und Förster. In der Truhe entdeckte Jürgen Hüfner mehrere Dutzend Zeichnungen. Signiert mit den Initialen "HK". Hugo Kaiser. Datiert auf die Jahre 1908 bis 1909. Den leicht vergilbten Seiten sieht man ihr Alter nicht an. Lediglich die Papierränder sind stellenweise angeschlagen.

Hugo Kaiser hat die Zeichnungen in einem Internat in Lohr angefertigt. Pflanzen, Alltagsgegenstände und symmetrische Figuren hat er zu Papier gebracht. Die Farben auf seinen Bildern leuchten heute nach mehr als 100 Jahren satt und kräftig. Hüfner hat die Zeichnungen hinter Klarsichthüllen gebunden. Die Mappe verwahrt der Physiotherapeut in seiner Praxis, die während der letzten Jahre gleichzeitig ein Museum geworden ist. Der 40-Jährige widmet sich der Heimatforschung und sammelt alles aus vergangenen Zeiten: Dinge des Alltags, Fotos, Geschichten, Dokumente, Sprache.

Eintauchen in die Geschichte

Vor drei Jahren kaufte er im Ort das Haus mit den Holzschindeln, in dem Hugo Kaiser mit seiner Familie lebte. Nach und nach soll darin ein Museum entstehen. 1901 baute Gottlieb Kaiser, Hugos Vater, das Haus in der Birkenstraße. Beim Ausräumen fand Jürgen Hüfner die Weidenkiste im oberen Stock und war begeistert, als er ihren Deckel öffnete. Aufzeichnungen mit persönlichen Gedanken, Notenhefte, Gebete und Zeichnungen kamen zum Vorschein. Die Unterlagen erzählen ein Stück Lebensgeschichte des jungen Hugo, der weit weg von seinen Liebsten so früh sein Leben lassen musste. "Man öffnet ein Zeitfenster und taucht in die Vergangenheit ein", sagt Jürgen Hüfner. Er steckt viel Zeit und Leidenschaft in die Heimatforschung. Im Moment arbeitet er an einer vollständigen Liste der Gefallenen der Schönderlinger Gemeinde. Dazu zählten früher die Ortschaften Geiersnest, Schmittrain und Münchau. Ihm fiel auf, dass in einem Heiligenhäuschen in Schönderling mehr Namen genannt wurden als auf den Tafeln, die einige Einwohner aufbewahrten. Die listen zehn Gefallene aus Schönderling auf. Hüfner hat bereits die Namen von 16 weiteren getöteten Schönderlinger Soldaten und drei Vermissten zusammengetragen. Die Kriegsjahre gehören zur Vergangenheit: "Der Krieg ist Teil unserer Geschichte." Wenn auch der dunkle.

Sein Urgroßvater überlebte den Ersten Weltkrieg, beide Großväter kämpften im Zweiten Weltkrieg. Für Hüfner war klar: "Kein Dienst an der Waffe." "Man hätte so viel lernen müssen aus der Vergangenheit. Es müsste heute keine Kriege mehr geben wie in Israel."