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Brustkrebs: Wie leben mit den Narben?


Autor: Ulrike Müller

Staatsbad Brückenau, Dienstag, 10. Juni 2014

Die Diagnose Brustkrebs ist für Frauen ein Schlag. Chemotherapie, Haarausfall, Operation. Dann werden die Patientinnen zur Reha geschickt, zum Beispiel ins Sinntal.
Hilfsmittel wie diese geben Frauen ein Stück Würde zurück. Sogar Brustwarzen in unterschiedlichen Farbtönen gibt es. Foto: Ulrike Müller


Als ihr Partner nach der Operation die Brust das erste Mal berührte, spürte Christa Steigenberger (Name von der Redaktion geändert) nichts. Es war alles gut gelaufen, die Werte in Ordnung, der Krebs raus aus dem Körper. Endlich. Doch die Narben bleiben. Die am Körper allemal. Und die in der Seele müssen auch erst einmal verarbeitet werden. Doch das wurde Christa Steigenberger erst klar, als die Schrecken der Chemo und die Anspannung der Operation schon lange vorbei waren.

Brustkrebs häufigste Krebsart

"Eine Operation der Brust ist ein massiver Eingriff, auch für das Selbstwertgefühl", sagt Prof. Dirk Engehausen, seit August Chefarzt der Sinntalklinik. Die Frauen, die zur Reha nach Bad Brückenau kommen, seien vom Operativen her gesund, erklärt Engehausen. "Doch die psychischen Wunden, die innen drin sind, bleiben." Dann fährt er seinen Laptop hoch und zeigt die Zahlen: Christa Steigenberger ist mit ihrer Diagnose nicht allein. Bei etwa einem Drittel aller Frauen, bei denen eine Krebserkrankung festgestellt wird, hat sich der Tumor in der Brust festgefressen (siehe Info-Kasten).

Im Erdgeschoss der Klinik sitzen neun Frauen und reichen sich Silikonkissen von Hand zu Hand. "Schön", sagt eine ältere Dame. "Was es alles gibt..." Sie spricht mehr mit sich selbst als mit den anderen, von denen jede eine eigene Diagnose, eine eigene Geschichte hat. "Comfort Plus", sagt Christine Manger gerade. In das Silikonkissen seien Mikrokapseln integriert, die ursprünglich die Nasa für die Raumfahrt entwickelt habe, "damit die Astronauten nicht so schwitzen". Heute profitieren Brustkrebs-Patientinnen von der Erfindung.

Mit den Narben leben

Und das ist nicht das einzige Extra. Selbsthaftende Prothesen zeigt Manger genauso wie Unterwäsche und Bademode mit integrierter Prothesenhalterung. Sogar Brustwarzen in unterschiedlichen Hauttönen gibt es inzwischen. Sie lassen sich ganz einfach auf das Kissen aus Silikon aufdrücken. "Die Frauen bekommen so ein Stück ihrer Würde zurück", sagt Dirk Engehausen. Deshalb begrüßt er die Kooperation mit dem Sanitätshaus Richter. So lernen die Patientinnen schon während der Reha die ganze Bandbreite an Möglichkeiten kennen.

Christa Steigenberger hingegen braucht eine solche Prothese nicht. Ihr wurde bei der OP direkt ein Silikonkissen in die Brust eingesetzt, die Wunde mit ihrer eigenen Haut verschlossen. Und doch bleiben Narben - innerlich und äußerlich - und Fragen. Fragen, ob man ihr das "neue Ding" ansieht. Es merkt, wenn jemand sie in den Arm nimmt. Ob sie jemals wieder spüren wird, was ihre Haut berührt. Es ist ein Weg, aber Christa Steigenberger lernt, mit den Narben zu leben.