Bissige Bühnenshow aus Sachsen
Autor: Sebastian Schmitt
Römershag, Montag, 27. Januar 2014
Die "Leipziger Pfeffermühle" entfacht beim Rhöner Publikum Begeisterung. In den Überraschungsmomenten liegt der Reiz des Programms.
Die "Leipziger Pfeffermühle", ein Urgestein des deutschen Kabaretts, gastierte am Wochenende im Gasthaus Breitenbach und sorgte mit dem rasanten Programm "Drei Engel für Deutschland" für volles Haus und ordentlich Gelächter. Manja Kloss, Rainer Koschorz und Dieter Richter benötigten mit ihrem sächsischen Humor zwar ein wenig Anlaufzeit, um beim Rhöner Publikum Begeisterung zu entfachen, kamen aber mit zunehmender Dauer so richtig in Fahrt.
Drei Engel drehen die politische, soziale und kulturelle bundesdeutsche Wirklichkeit durch den kabarettistischen Fleischwolf. Nicht immer ist auf den ersten Blick klar, in welche Rollen die drei Akteure gerade geschlüpft sind, um die eine oder andere irdische Situation auf ihre Weise durchzuspielen, und genau in den Überraschungsmomenten liegt der Reiz des Bühnenprogramms.
Langweilig wird es nie, denn die drei Kabarettisten spielen ihre ganz unterschiedlichen Trümpfe gekonnt aus und ergänzen sich fabelhaft.
Die 27-jährige Manja Kloss brilliert in ihrer Rolle als renitente Politesse mit dem unwiderstehlichen Charme sächsischer Volkspolizistinnen von der Knöllchen-Stasi. "Ich bin Politesse. Na und? Ist das ein Grund, mich so zu behandeln als wäre ich die FDP. Oder was? Das ist ein hartes Schicksal. Ich habe auch ein Herz." Wenn dann auch noch ein kleiner Rotzlöffel sein Bobby-Car direkt vor einem Hydranten parkt, brennen der forschen Ordnungshüterin die Sicherungen endgültig durch. "Wer den Tiger fordert, muss für den letzten Weg bereit sein." Freunde hatte die kompromisslose Politesse nie. "Manchmal sehne ich mich nach einer einsamen Verkehrsinsel. Groß wie ein Wendehammer. Mit einer romantischen Parkbucht.
Umgeben vom braungebrannten, muskulösen Verkehrspolizisten."
Kurzauftritt des Teufels
Immer wieder wechselt die "Leipziger Pfeffermühle" zwischen Himmel und Erde hin und her. Gott heiratet und nimmt sich eine Frau, die 30 Jahre jünger ist als er. "Wenn die Liebe das Licht des Lebens ist, dann ist die Ehe die Stromrechnung", seufzt der Allmächtige. Gott ist es bisweilen geradezu langweilig. Und seine junge Frau drängt ihn, doch mal wieder was zu erschaffen, zum Beispiel eine Welt, in der man auch mal shoppen gehen kann.
So erschuf Gott die Erde mitsamt der Bundesrepublik, doch trotz Mehrparteiensystem, gelber Tonne und All-inclusiv-Reisen blieb sie so unvollkommen, dass Gott zur Verwaltung und Nachbesserung noch schnell den öffentlichen Dienst erschaffen musste, also den HÖD, den Himmlischen Öffentlichen Dienst samt engelsgleichen Mitarbeitern in der Abteilung D wie Deutschland.
Auch der Teufel hat einen Kurzauftritt: "Gibt's Probleme sanitär, ruft mich an, den Luzifer. Ich habe 24 Stunden Bereitschaft. Der Teufel steckt manchmal im Detail." Gott verbannt Luzifer aus dem Himmel: Er sollte fortan Handwerker heißen und lässt noch schnell sein Kärtchen da.
Auftrag: Rettung der Republik
Im Himmel arbeiten derweil die drei Engel mit dem ewigen Auftrag, die Republik vor dem Absturz zu retten. Doch angesichts von Nazis im Verfassungsschutz, Bankern mit der Ausstrahlung albanischer Hütchenspieler oder Steuergesetzen mit der Verständlichkeit nordkoreanischer Gebrauchsanweisungen ist Arbeitsüberlastung an der Tagesordnung. "In der Abteilung Sensenmann wurden 35 Prozent der Außendienstmitarbeiter gestrichen.
Kein Wunder, dass die Menschen immer länger leben."
Am meisten Ärger machen den engelsgleichen Sachbearbeitern die beratungsresistenten Banker und Finanzjongleure im Integrationskurs. "Das mit dem Pferdefleisch eröffnet doch wieder ganz neue Möglichkeiten. Man könnte jetzt ein Sterne-Restaurant mit einem Ponyhof kombinieren. Die Kinder können vorher noch ein bisschen mit dem Essen spielen." Börsianer und Investmentbanker bekommen im Programm immer wieder ihr Fett weg. "Sie leben in Parallelgesellschaften. Mit eigenen Gesetzen. Und sperren ihre Frauen in so genannten Villenvierteln ein." Konsumsucht, Kapitalismus, Krisenstaaten - mit zahllosen aktuellen Bezügen und spitzer Zunge nehmen die Leipziger die Diktatur des Geldes aufs Korn.
Immer respektlos, manchmal reichlich idealistisch, durchweg gut informiert. Das Publikum nimmt den Ball auf, lacht, applaudiert und feiert die kompromisslose, bissige, sächsische Bühnenshow. Babylonische Sprachverwirrung jedenfalls kam nicht auf, auch wenn man sich zuweilen gehörig anstrengen musste, um jeder Pointe in launigen Nebensätzen zu folgen.