Druckartikel: Bewegung ohne Leistungsdruck

Bewegung ohne Leistungsdruck


Autor: Redaktion

Oberelsbach, Freitag, 27. Oktober 2017

Beim Präventions-Projekt "Dem Diabetes davonlaufen" wollen 14 Vereine dabei sein.
Zum Abschluss der Übungsleiter-Fortbildung präsentierte Eberhard Helm (vorne) ein Beispiel für "Bewegung mit Freude und ohne Leistungsdruck" auf einer Rundwanderung in und um Unterelsbach. Das Foto zeigt die Gruppe bei der Überquerung der Sonder.  Georg Will


Die uralten Weisheiten "Bewegung ist die beste Medizin" und "Vorbeugen ist besser als heilen" sind heute aktueller denn je. Weil diese aber von vielen Leuten nicht ausreichend befolgt werden, gibt es mehr Zivilisationskrankheiten als je zuvor, mit der Folge, dass die Krankenkassen horrende Summen aufwenden müssen, die durch die Behandlungskosten entstehen, zum Beispiel bei der Volkskrankheit Diabetes Mellitus. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, wurde die Präventionsmaßnahme "Dem Diabetes davonlaufen" gestartet.

Nach der ersten Informationsveranstaltung im August fand nun in Unterelsbach die erste Fortbildungsmaßnahme für Übungsleiter statt, die bereit sind, in ihren Vereinen Bewegungsgruppen zu bilden. Bisher haben sich 14 Vereine für das Diabetes-Projekt angemeldet. An der Fortbildung beteiligten sich 16 Übungsleiter.

Die Begrüßung übernahmen die beiden Projektkoordinatorinnen, Christina Leutbecher (Landkreis Rhön-Grabfeld, Stabsstelle Kreisentwicklung) und Daniela Volkmuth (GesundheitsregionPlus Bäderland Bayerische Rhön), und Bürgermeisterin Birgit Erb. Erb hält das Projekt für eine sehr gute Idee und versicherte, dass die Kommunen es ebenso gerne unterstützen werden, wie sie dies bei den Sportvereinen tun.


Hausarzt und begeisterter Freizeitsportler hatte Idee


Ideengeber dieses Projekts war der Hausarzt Eberhard Helm (Ostheim), begeisterter Freizeitsportler und ehrenamtlicher Leichtathletiktrainer. Er holte als Förderer die AOK mit ins Boot und den Landkreis Rhön-Grabfeld, der zusammen mit dem Landkreis Bad Kissingen die Initiative "Gesundheitsregion Plus Bäderland Bayerische Rhön" trägt.


Zielgruppen Menschen mit wenig Laufstrecken

Die zu motivierenden Zielgruppen sind Menschen mit wenig Laufstrecken im Alltag, die vielen passiven Mitglieder in den Sportvereinen und vor allem die mittleren und älteren Altersklassen. Johannes Kiep, der als Koordinator für die AOK Bayern das Projekt unterstützt und als Referent fungierte, klärte auf, dass Menschen, die nicht Sport treiben und nicht regelmäßig wandern, im Mittel täglich nur 800 Meter zu Fuß zurücklegen - im Beruf und im Alltag einschließlich der Nahrungsbeschaffung. Demgegenüber haben unsere barfuß laufenden Urahnen auf der täglichen Nahrungssuche 15 bis 20 Kilometer zurückgelegt.


6000 Diabetiker

Er nannte alarmierende statistische Zahlen: In Rhön-Grabfeld gibt es aktuell rund 6000 Diabetiker (7,2 Prozent der Bevölkerung). Seit 2010 sei ihre Anzahl um sechs Prozent gestiegen. Laut AOK Bayern führe Diabetes im Spätstadium zu jährlich 2800 Amputationen.

Der moderne bewegungsverarmte Mensch hat verstärkt Stoffwechselerkrankungen, Wirbelsäulen- und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Kiep empfiehlt deshalb ein leichtes Bewegungsprogramm, das Muskelkräftigung und Ausdauer kombiniert. Zitat: "Täglich drei Kilometer Spazierengehen reduziert das Diabetes-Risiko um 50 Prozent." Weil zum Einsteigen keine besonderen Anforderungen gestellt werden, könne jeder mitmachen, der in seiner Mobilität nicht stark eingeschränkt ist.

Eberhard Helm war der Hauptreferent. Er bediente das Thema Entwicklung der Krankheit Diabetes Mellitus Typ II (95 Prozent aller Diabetiker), Anzeichen und Präventionsmaßnahmen. Auf lockere Art und mit Beispielen beschrieb er die Risikofaktoren Bewegungsmangel, Übergewicht und Vererbung sowie unvernünftige Ernährung. Mit allerlei Zahlen - zum Beispiel: Jährlich 500 neue Diabetiker im Landkreis - machte er deutlich, wie wichtig Präventionsmaßnahmen sind.

Dazu benötige es "Anstubser" (Motivatoren), die die Menschen zur Bewegung ermuntern und ihnen Freude an der Bewegung vermitteln. Jeder verhinderte neue Diabetes-Fall erspare der Versichertengemeinschaft jährlich rund 4000 Euro. Die Ärzteschaft werde ihrerseits in Frage kommende Patienten auf das Präventionsprogramm hinweisen und zum Mitmachen animieren. Dabei gehe es um "Bewegung mit Freude und ohne Leistungsdruck" Und nebenbei wirken sich die (neuen) sozialen Kontakte und die zu erwartenden Erfolgserlebnisse auch noch positiv auf die Psyche aus.


Hohe Quote an Kranken senken

Damit könnte mittelfristig die hohe Quote der Kranken gesenkt werden. Schon ab Ende 30 steigt die Erkrankungsrate kontinuierlich an. Unter den 75-Jährigen hätten schon 40 Prozent Diabetes Mellitus II und 50 Prozent ein Herzleiden. "Diabetiker sterben fünf bis zehn Jahre früher", sagte Helm.
Auch der BLSV Rhön-Grabfeld (Bayerischer Landessportverband) unterstützt dieses Projekt. Dessen Zweiter Vorsitzender, Johann Giglhuber, nannte Zahlen aus der jährlichen Mitgliederbestandserhebung bezogen auf den Landkreis, aus denen hervorgeht, dass ein großer Teil der 35 000 Mitglieder in den Kreissportvereinen keinen Sport mehr treibt und deshalb ebenfalls krankheitsgefährdet ist. "Wir wollen sie wieder in Bewegung bringen", denn die gegenseitige Motivation zum "Bewegen und Begegnen ist wichtig", ist sein Anliegen. Es verbessere die Lebensqualität erheblich. Deshalb sollten viele Sportvereine bei diesem Projekt mitmachen.
Leutbecher und Volkmuth wiesen auf das Zusammenspiel aller Beteiligten und auf Formalismen für die Förderung hin. Dazu gehört auch die Ausgabe eines "Bewegungstagebuchs", das jedem Teilnehmer ausgehändigt wird. An die Übungsleiter verteilten sie schon einmal die von der AOK gestifteten Schrittzähler, die einfach zu bedienen sind.

Die Teilnahme an den Bewegungseinheiten ist kostenlos. Grundsätzlich kann jeder mobile Mensch mitmachen, außer wenn der Arzt krankheitsbedingt davon abrät. Deshalb gibt es dort eine freiwillige Check-Up-Untersuchung. Ab 35 Jahren wird diese Untersuchung alle zwei Jahre von der Krankenkasse finanziert.

Ein Beispiel für ein sogenanntes "niederschwelliges Bewegungsangebot" führte Eberhard Helm vor, indem er die Teilnehmer zu einer gemütlichen Rundwanderung in und um Unterelsbach einlud und sie durch enge Gässchen, über idyllische Holzbrücken und zu interessanten Besichtigungspunkten führte.


Sie machen mit

Bisher haben sich folgende Vereine angemeldet: Rhönklub-Zweigverein Fladungen (in Kooperation mit dem FC Bayern Fladungen), TSV Hausen, SV Herschfeld, FSV Hohenroth, TSV Hollstadt, Gesundheits- und Kampfkunstschule Mellrichstadt, SV Niederlauer, SC Ostheim, TSV Ostheim, TSV Unsleben, TSV Unterelsbach, DJK Wegfurt, RSV Wollbach und Lebenshilfe Rhön-Grabfeld. Einige davon müssen aber noch vor Ort konkrete Abstimmungen vornehmen. Nachmeldungen sind möglich bei Christina Leutbecher, Tel.: 09771/942 46.