Bad Brückenau: Theater ist mehr als Auswendiglernen
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Donnerstag, 07. März 2019
Die Theatergruppe Kompass am Franz-Miltenberger-Gymnasium bekommt Besuch von einer professionellen Schauspielerin. Es geht um soziale Achtsamkeit, Regeln und Reife.
Ein Pfiff, und etwa 20 Mitspieler des Schülertheaters brüllen vereint los. Schreien, Flüstern, Kichern und Bewegung im Raum - mehr braucht Lilli Schwethelm zunächst nicht, um mit den Jugendlichen zu üben. "Die Ensemble-Spielregeln sind auch für unser Leben wichtig", sagt die Schauspielerin vom freien Theater "mimikri" aus Büdingen. Dann wieder ein Pfiff. Die Jugendlichen schreien sich an. Wird eine Person leise, werden alle anderen auch leise. Brüllt einer los, werden alle anderen laut.
"Theater basiert auf Handwerk", sagt Schethelm später. Genauso wie ein Musiker immer wieder üben müsse. "Unser Instrument ist unser Körper, unsere Stimme. Alles, was wir an Sinnlichkeit zur Verfügung haben", beschreibt sie den Beruf, den sie seit 40 Jahren ausübt und immer wieder in Workshops an Lehrer und junge Menschen weitergibt. Die Regeln im Ensemble seien nicht von einer Autorität gesetzt, sondern basierten auf Konsens. Und: "Es gibt keine unwichtigen Rollen", ergänzt Dirk Hönerlage, der sonst die Theatergruppe leitet.
Die Schüler sind ganz bei der Sache. Keiner wirkt abwesend, wenn manche sich auch noch etwas hinter den Älteren verstecken. Schwethelm greift ein Mädchen heraus, das starke Präsenz zeigt, aber nicht die kräftigste Stimme hat. Je zarter die Stimme, desto stärke müsse der Körper arbeiten, erklärt die Schauspielerin ihr. Es sind deutlich mehr Jungen als Mädchen, auf den ersten Blick erscheint das ungewöhnlich für eine freiwillige Theatergruppe zu sein. "Nee, bei uns überhaupt nicht", kommentiert Manuel Helfrich diese Beobachtung. "Wir haben immer eine stabile Anzahl an Jungs."
Haltung zeigen - auf der Bühne und im Leben
Neben Regeln geht es auch um Reife. "Theater hilft dabei, Schüchternheit zu überwinden", schildert die Schauspielerin einen Nebeneffekt. Hönerlage, der die Schülertheatergruppe ins Leben gerufen hat, spricht von Selbstbewusstsein. Wenn Schüler ein Referat halten, sich im Vorstellungsgespräch behaupten oder auf der Bühne stehen, stärke dies das positive Selbstbild der jungen Menschen. "Auch das vermittelt Schultheater", sagt er.
Inzwischen rufen die Jugendlichen nicht mehr laut durch den Raum. Jeweils zu viert tragen sie einen Stuhl herum, auf den sie sich auf Kommando setzen - und zwar alle vier. Die Schwierigkeit: Die Schüler dürfen nicht reden, um sich abzusprechen. Und: Ist einmal eine Kombination gefunden, soll sie beim nächsten Versuch nicht wiederholt werden. Manchmal lacht einer, und je länger die Übung dauert, desto kreativer werden die Ergebnisse.
Lilli Schwethelm braucht nicht lange nachzudenken, um zu erklären, warum eine professionelle Schauspielerin mit Laien wie der Schultheatergruppe Kompass trainiert. Indifferent zu sein, also keine Haltung zu zeigen, sei für sie die größte Gefahr für die Demokratie. Dazu passt, dass sich die Schüler des Franz-Miltenberger-Gymnasiums seit diesem Schuljahr verstärkt mit Werten auseinandersetzen. In der vergangenen Woche wählte die Schulgemeinschaft das Wort, das sie bis zum Sommer beschäftigten wird. Es lautet Wertschätzung.
Termin Der nächste Auftritt der Theatergruppe Kompass des Franz-Miltenberger-Gymnasiums ist im April. Die Aufführungen finden am Donnerstag, 4. April, Freitag, 5. April, und Sonntag, 7. April, um jeweils 19.30 Uhr im Katholischen Pfarrheim statt.