Bad Brückenau: Paul Bartsch zieht um
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Freitag, 17. Juni 2016
Am 3. Juli wird das neue Haus Waldenfels eingeweiht. Die meisten der 70 Bewohner freuen sich. Doch nicht alle konnten sich den Umzug leisten.
An der Tür klebt das Bild eines jungen Mannes, der auf einem Fahrrad sitzt. Es ist Paul Bartsch, heute 86 Jahre alt. Er lädt in sein Zimmer, 14 Quadratmeter plus Balkon ein. Bald werden es 23 sein, inklusive eines eigenen Bades. Paul Bartsch züchtet Pflanzen, besser, er lässt Ableger von Kakteen wurzeln oder legt einen Kern in die Erde. Besonders stolz ist er auf seine Zitrone. Gut 80 Zentimeter ist die Pflanze hoch, auf dem Fensterbrett steht eine zweite, kleinere.
Bartsch hat schon einen Plan gemacht für den großen Umzug am 11. Juli. Unter dem Waschbecken lehnt eine Plastikwanne. "Die Wanne kommt auf den Rollstuhl, die Pflanzen hinein. Die fahre ich selbst rüber", sagt er. Den Rest transportiere der Neffe schon einige Tage zuvor ins neue Domizil. Aufgeregt ist Bartsch nicht, er freut sich.
"Das ist näher an der Stadt, da ist man gleich in der Ludwigstraße!" Dass sein neues Zuhause um einiges teurer sein wird als das alte, macht ihm keine Sorgen. "Meine Rente, die gibt das her."
Nicht alle können sich freuen, obgleich es wenige sind, die sich den Umzug nicht leisten können. Zwei Bewohner hätten den Vertrag gekündigt, berichtet Martin Pfeuffer, Regionalleiter des Trägers, der Carl von Heß'sche Sozialstiftung. Zudem sei die Belegung in den vergangenen Monaten auf 70 Bewohner zurückgegangen. Zum Vergleich: 90 Betten hat das Haus.
Zwischen 164 und 245 Euro im Monat mehr
Nun ist es klar, dass weniger Anfragen kommen, wenn ein Umzug bevorsteht. Klar ist auch, dass die Preise anziehen, wenn eine Einrichtung in neue Räume zieht. "Wir gleichen uns dem Niveau anderer Anbieter an", erklärt Pfeuffer. Eine endgültige Preisliste aber liege noch nicht vor.
Der Blick auf die Pflegesätze des Seniorenhauses Thulbatal, das vor einem Jahr eingeweiht wurde und ebenfalls von der Stiftung betrieben wird, zeigt: Auf die Bewohner kommt - je nach Pflegestufe - eine Erhöhung zwischen 164 und 245 Euro pro Monat zu. "Wer aus der finanziellen Situation heraus die Entscheidung treffen musste, für den ist das tragisch", sagt der Vorsitzende des Heimbeirates Thomas Degener. Wer zehn Jahre im Heim Kontakte geknüpft habe, dem falle ein Wegzug schwer. Daher regt er an, dass die Heime ihre Kontakte intensivieren und beispielsweise einmal einen Ausflug zu einer anderen Einrichtung unternehmen.
Pfeuffer ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Stiftung nicht aus einer Laune heraus für den Neubau entschieden hat. Das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz schreibe vor, wie in Zukunft ein Pflegezimmer auszusehen habe. Als Frist für den Um- oder Neubau sei September 2016 gesetzt. "Dieses Haus kann man nicht umbauen, schon gar nicht, wenn Leute drin wohnen", begründet Pfeuffer.
Vorfreude überwiegt
Dass einzelne Bewohner später noch würden ausziehen müssen - etwa weil ein Teil ihrer Miete vom Sozialamt übernommen wird -, diese Sorge teilt Pfeuffer nicht. Für ihn sowie für den Heimbeirat überwiegt die Vorfreude. "Wir sind alle sehr gespannt", sagt Degener. "Ich denke, am Umzugstag selbst wird es viele Helfer geben."Ab 1. Juli werden die ersten Appartements des Service-Wohnens, die im ersten Trakt des Neubaus liegen, bezogen. 13 von 15 sind schon vergeben. Für die Penthouse-Wohnungen ganz oben, die nicht mit dem Aufzug erreichbar sind, hat sich noch kein Interessent gefunden.
Übrigens, etwas Gutes hat die verhängnisvolle Hanglage des neuen Gebäudekomplexes doch: Auf allen Etagen haben die Senioren Zugang zu den Terassen. Paul Bartsch wird seinen Balkon nicht vermissen.