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Bad Brückenau: Kliniken ohne Patienten


Autor: Ulrike Müller, Julia Raab

Bad Brückenau, Freitag, 17. April 2020

Auf 488 Betten bringen es die drei größten Kliniken der Stadt. Die meisten davon bleiben aktuell leer. Der Stillstand sichert Kapazitäten, kostet aber eine ganze Menge Geld.
Während der patientenfreien Zeit machen sich die Mitarbeiter im Garten zu schaffen. Foto: Sabrina Seifert


Eigentlich hätten sie lieber gefeiert. Am 26. März wäre Dr. Erich von Weckbecker, Gründer der gleichnamigen Klinik in Bad Brückenau, 100 Jahre alt geworden. Das hätte das Team gern gefeiert - zusammen mit den Patienten. Doch die sind seit 19. März alle abgereist. Die Regierung hatte angeordnet, alle nicht unbedingt notwendigen medizinischen Behandlungen einzustellen, um Kapazitäten für die Bewältigung der Corona-Pandemie zu schaffen.

Also halfen die Angestellten bei Malerarbeiten, machten sich im Garten zu schaffen oder beteiligten sich an der Grundreinigung des Hauses. "Ich bin berührt von der Solidarität der Mitarbeiter", sagt Geschäftsführerin Stefanie Hündgen. Seit Mittwoch ist ein Teil der Belegschaft in Kurzarbeit. "Das ist eine Entscheidung, die man nicht leichtfertig trifft", sagt sie. Die Mitarbeiter machten sich große Sorgen, auch wenn die Klinik das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent aufstocke.

Das vergangene Jahr sei hervorragend gelaufen, 2020 sei es genauso weitergegangen. 130 Betten hat das Haus, 148 Mitarbeiter arbeiten dort. Die Schließung ist ein "extremer Einbruch". Dennoch steht Hündgen hinter den Maßnahmen der Regierung: "Die Gesundheit ist das Wichtigste. Wir unterstützen die Bekämpfung der Pandemie." Der wirtschaftliche Schaden aber sei "beträchtlich", die Geschäftsführerin kann ihn noch gar nicht beziffern. Kopfzerbrechen bereitet ihr, dass für Privatkliniken keine Finanzhilfen bereitstünden.

"Privatkliniken sind wie Krankenhäuser verpflichtet, Kapazitäten freizuhalten. Im Krankenhausentlastungsgesetz sind sie aber nicht berücksichtigt", erklärt sie. Der Bundestag hatte das Gesetz auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Einbußen für das Gesundheitssystem durch Corona aufzufangen. Hündgen hofft nun, dass das Gesetz nachträglich geändert wird. Im Moment hat die Malteser Klinik von Weckbecker noch keine neuen Patienten aufgenommen. Aber: "Wir rechnen ernsthaft damit", sagt Hündgen.

Die Führungsgruppe Katastrophenschutz, die die Corona-Hilfe koordiniert, habe die Klinik bereits besucht. Dabei geht es nicht unbedingt darum, Erkrankte aufzunehmen. Noch sind die Krankenhäuser in der Region ja überhaupt nicht ausgelastet. Es könnte aber beispielsweise sein, dass Einrichtungen wie die Weckbecker-Klinik Senioren aufnehmen, die nach einem Krankenhausaufenthalt nicht sofort in ihre Pflegeheime zurück können oder sollen - bis zweifelsfrei feststeht, dass sie sich nicht infiziert haben.

Nur vereinzelt Patienten

Die größte der Bad Brückenauer Kliniken ist die Klinik Hartwald der Deutschen Rentenversicherung Bund. 228 Betten stehen für Patienten bereit, ungefähr 110 Mitarbeiter sind im Haus beschäftigt. "Der Klinikbetrieb ist gegenwärtig entsprechend heruntergefahren, jedoch nicht gänzlich eingestellt", berichtet Tanja Mahel von der Pressestelle. Die letzten regulären Patienten seien am 24. März abgereist. Die Mitarbeiter erledigten Restarbeiten oder bereiteten zukünftige Projekte vor.

Auch den Kliniken der Deutschen Rentenversicherung entsteht durch die Einschränkungen wirtschaftlicher Schaden. Dieser werde jedoch vom Träger geschultert. Kurzarbeit sei kein Thema, ergänzt Mahel. Nur vereinzelt werden Patienten aufgenommen, nämlich dann, wenn sie nach einer notwendigen Operation eine so genannte Anschlussheilbehandlung benötigen. Die Pressesprecherin betont, dass diese das volle Angebot erhalten würden - unter Berücksichtigung der nötigen Schutzmaßnahmen.

Ähnlich sieht es in der Sinntalklinik aus. Der Träger, die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern, hat ebenfalls keine Kurzarbeit beantragt. Die 112 Mitarbeiter nehmen Resturlaub oder bummeln angesammelte Überstunden ab. Es gebe auch einiges im Haus noch zu erledigten, berichtet Pressesprecherin Sandra Skrzypale. Bereits seit 13. März werden keine Reha-Patienten mehr aufgenommen. Einzig die Anschlussheilbehandlung findet auch hier noch statt.

Dafür sind aktuell elf der 130 Betten belegt. In der nächsten Woche seien der Klinik aber bereits 20 weitere Patienten zugewiesen worden. "Die Tendenz ist steigend", erklärt Skrzypale. So bleiben zumindest nicht alle Betten umsonst leer, und die Krankenhäuser, in denen die Patienten bis dahin untergebracht waren, werden entlastet.

Betty Ford Klinik in Betrieb

Die My Way Betty Ford Klinik im Staatsbad arbeitet noch. "Bei uns läuft der Betrieb grundsätzlich weiter, aber unter verstärkten hygienischen Maßnahmen", sagt Verwaltungsdirektor Sven Marquardt. Das Haus richtet sich an Privatpatienten, die unter Suchtproblemen leiden. Corona wirkt sich trotzdem aus. "Es ist für viele Menschen schwierig, so lange isoliert zu sein", sagt er. Das gehe auch den Patienten so.

Den Therapeuten falle jedenfalls auf, dass zur Zeit außergewöhnlich viele Rückfälle passierten. Besonders viele Notfälle - also Menschen, die sich aufgrund des psychischen Drucks jetzt erst recht an die Sucht klammerten - registriert Marquardt in der aktuellen Ausnahmesituation aber nicht. Ebenfalls für Privatpatienten gedacht ist die neue Limes Schlossklinik im Fürstenhof inmitten des Schlossparks im Staatsbad. Dort sollte der Testbetrieb Anfang April anlaufen.

Noch im März zeigte sich Vorstandsvorsitzender Gert Frank optimistisch, dass alles wie geplant beginnen könnte. Doch aktuell muss auch er eingestehen: "Wir haben generell Schwierigkeiten, unsere Lieferungen aus anderen Ländern zu bekommen." Konkret warte er auf italienische Tapeten und Stühle für die Einrichtung. Auch alle Ämter, wie beispielsweise das Gesundheitsamt für die Hygieneabnahme, seien im Notbetrieb und nicht erreichbar. Die 20 Mitarbeiter besuchen laut Frank momentan Schulungen und bereiten sich auf den Klinikbetrieb vor.

In vier Wochen fragt die Redaktion wieder bei den Kliniken nach, wie es ihnen in der Coronazeit ergeht.

von Julia Raab und Ulrike Müller