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Bad Brückenau: Die Verunsicherung wächst


Autor: Ulrike Müller

Bad Brückenau, Mittwoch, 27. Mai 2020

Vor vier Wochen hat die Redaktion bei den Kulturschaffenden nachgefragt, wie es ihnen in der Corona-Zeit ergeht. Musikschule und Museum sind inzwischen wieder geöffnet. Von Normalität kann allerdings keine Rede sein.
Carola Berner-Löhmer beschäftigt die Frage, ob Corona den Rückzug des klassischen Kinoerlebnisses noch beschleunigt. Foto: Ulrike Müller


Es gibt Aspekte der Corona-Pandemie, die durchaus für ein Lächeln sorgen. Die Musikschule ist so ein Beispiel. Im Sommer drangen immer wieder einmal Klänge aus dem Gebäude am Georgi-Kurpark. Nun aber ist den Melodien fast täglich zu lauschen, denn die strengen Abstands- und Hygieneregeln sehen regelmäßiges Lüften vor. Seit 11. Mai darf wieder unterrichtet werden - wenn auch nur im Einzelunterricht.

"Die Musikschule hat in dieser Ausnahmesituation bisher sehr viel Solidarität und Geduld erfahren", schildert Leiterin Daniela Wagner. Nicht alles sei im Einzelunterricht zu lösen. Da sich bei Blechblasinstrumenten häufig Tröpfchen bilden, werden diese Schüler nun in der evangelischen Friedenskirche unterrichtet. Auch Musikvereine aus dem Umland, die mit der Musikschule zusammenarbeiten, hielten nach größeren Übungsräumen Ausschau.

Manches aber ist trotz aller Bemühungen momentan nicht machbar. "Es tut mir in der Seele weh, dass ich nicht mehr in die Heime kann", sagt Wagner. Das Musik-Projekt "Musik für Herz und Hirn" für Senioren pausiert. Zu groß ist die Gefahr, das Virus einzuschleppen. Was die finanzielle Seite angeht, so sei die Musikschule bisher "glimpflich davongekommen", so dass die Schulleiterin aktuell davon ausgeht, die Gebühren im kommenden Schuljahr nicht anheben zu müssen.

Große finanzielle Sorgen

Das Deutsche Fahrradmuseum ist seit dem 12. Mai wieder geöffnet. "Am ersten Tag kam ein Besucher, danach vier. Am Sonntag waren es zwischen zehn und 15 Personen", schildert Geschäftsführer Ivan Sojc. Das sind deutlich weniger Gäste als üblich. Doch es ist gar nicht so sehr der Rückgang der Eintrittsgelder, der Sojc Sorge bereitet. Das Fahrradmuseum hat sich mit mobilen Ausstellungen, die in anderen Museen, auf Festen oder in Einkaufszentren gezeigt werden, ein wichtiges finanzielles Standbein aufgebaut. Dieser Bereich bricht nun fast vollständig weg.

Eine einzige Kooperation mit dem Deutschen Museum in München im Oktober ist übrig geblieben, berichtet Sojc. Alle anderen Termine für das gesamte Jahr wurden abgesagt. Sojc spricht wie schon vor vier Wochen von einer "katastrophalen finanziellen Lage". Kein Problem hingegen sei gewesen, die Auflagen für den Museumsbetrieb zu erfüllen. 17 Ausstellungsräume reihen sich in einem Rundgang aneinander. Sie dürfen nur einzeln oder als Paar betreten werden. "Die Besucher begegnen sich dadurch nur im Treppenhaus", erklärt Sojc.

In der Galerie Form und Farbe in der Bahnhofstraße sieht das anders aus. "Aufgrund unserer räumlichen Situation sehe ich momentan keine Chance auf Wiederinbetriebnahme", schreibt Initiator Hans Dietrich Unger auf eine Anfrage der Redaktion. Wollte der Verein die Abstandsregeln einhalten, würden vielleicht zwölf Besucher oder Paare kommen können. "Das ist natürlich viel zu wenig, um die Kosten für die Künstlergagen zu decken."

Auch der Treppenaufgang zum Ausstellungsraum ist gerade einmal einen Meter breit und nur schlecht für etwaige Hygiene-Konzepte geeignet. Bis zur Sommerpause hat Unger deshalb alle Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. Die Galerie selbst steht nicht unmittelbar vor wirtschaftlichen Problemen. Vieles wird ehrenamtlich gestemmt, der Verein beschäftigt keine Mitarbeiter und auch Miete muss nicht bezahlt werden.

Nach wie vor treiben Unger aber die wirtschaftlichen Nöte vieler Künstler um, die er hautnah mitbekommt. Er schlägt vor, Künstler für die entgangenen Einnahmen durch abgesagte Konzerte, Kabarett-Auftritte oder Ausstellungen zu entschädigen. In welcher Form das passieren könnte, sei ihm momentan aber noch unklar. Wer eine Idee beispielsweise für eine lokale Initiative hat, kann sich gerne bei ihm melden.

Kino-Kultur ändert sich

Das Warten beschäftigt auch Carola Berner-Löhmer. Die Betreiberin der Rhönlichtspiele hat nicht mit finanziellen Existenzfragen zu kämpfen. Das Kino befindet sich in der eigenen Immobilie, lediglich eine Mitarbeiterin befindet sich in Kurzarbeit. Seit Mitte März werden keine Filme mehr gezeigt. "Eigentlich sind acht oder neun Wochen sonst im Leben keine so lange Zeit", sagt Berner-Löhmer nachdenklich. Während Corona aber fühlt sich diese Zeitspanne ewig an. Die Verunsicherung wächst.

Es sind die großen Fragen, die die Kino-Betreiberin beschäftigen. Gibt es irgendwann wieder Normalität - und wann? Die wichtigen Firmen der Branche, berichtet sie, halten ihre Kassenschlager zurück. Sie rechnet damit, dass das Filmgeschäft erst im Herbst wieder anläuft, wenn überhaupt. Die Pandemie beschleunigt den kulturellen Wandel weg vom klassischen Kino-Erlebnis hin zu ständig verfügbaren Streaming-Diensten im Internet. "Ich kann Filme nicht mehr zeigen, wenn nur noch die Hälfte der Zuschauer kommen", stellt sie fest.

Ernüchterung klingt auch bei Pavol Tkac, dem Manager des Bayerischen Kammerorchesters Bad Brückenau (BKO), durch. Wie schwierig es ist, einen Konzertabend nach Corona-Regeln auszurichten, schildert er an einem Beispiel: In Steinfurt hätte das BKO am 1. Juni auftreten sollen. Der Veranstalter tat sein Möglichstes, um die Auflagen zu erfüllen. Das Programm wurde gekürzt und hätte zweimal gespielt werden sollen - jeweils vor etwa einem Drittel der ursprünglichen Kapazität des Saales.

"Am Ende scheiterte aber alles daran, dass auf der Bühne nicht einmal Platz für eine radikal reduzierte Streicherbesetzung mit elf Musikern war, geschweige denn für Bläser, Cembalo, Solist und Dirigent", berichtet Tkac. Auch dieses Konzert sei also wegen höherer Gewalt abgesagt und der Vertrag aufgelöst worden. Bis zum Herbst bleiben den Musikern voraussichtlich nur drei Auftritte: zwei "Zwischenspiele" im Staatsbad und das Sommerkonzert am 18. Juli, für das allerdings noch ein Hygiene-Konzept ausgearbeitet werden muss.

In sechs Wochen wird die Redaktion erneut nachfragen, wie es den Kulturschaffenden ergeht.