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Bad Brückenau: Der lange Weg zum Abitur


Autor: Ulrike Müller

Bad Brückenau, Donnerstag, 21. Juli 2016

Seit sechs Monaten besucht Abdullah als Gastschüler das Franz-Miltenberger-Gymnasium. Der Unterricht auf Probe soll zeigen, ob er das Niveau packt.
Abdullah Danora besuchte in Syrien die 12. Klasse, stand kurz vor dem Abitur. In Deutschland geht er in die Klasse 10a des Franz-Miltenberger-Gymnasiums. Der Wissensstand, den er mitbringt, ist hoch. Es hapert aber an der Sprache. Foto: Ulrike Müller


Es ist dieses Gefühl, wenn ein junger Mensch etwas will, aber nicht weiß, ob ihm das Leben eine Chance gibt. Dieses Gefühl, wenn etwas dazwischen gekommen ist, das so nicht geplant war. Die Flucht war nicht geplant. Deshalb schaut Abdullah nach unten, während die anderen über seine Zukunft im deutschen Bildungssystem reden. Seit er zehn Jahre alt war, will er Arzt werden. Der soziale Aufstieg reizt ihn, "es gibt noch keinen Arzt in unserer Familie". Und, das ist Abdullah wichtig, er möchte seinen Vater stolz machen.


Schulpflicht greift nicht mehr

Der Vater, der noch in Syrien lebt. Die Mutter floh allein mit den Kindern, schaffte es bis nach Deutschland. Seit acht Monaten wohnen sie in der Unterkunft in Zeitlofs. Nun sitzt Abdullah in in der 10a des Franz-Miltenberger-Gymnasiums (FMG). Weil für den 17-Jährigen die Schulpflicht nicht mehr greift, blieb er zunächst in der Unterkunft. Doch seit Ende Januar besucht er auf Vermittlung der Mittelschule hin das Gymnasium. Er ist der erste Flüchtling, den das FMG als Gastschüler aufnimmt.

Natürlich ist es nicht schön, als Neuer in eine Klasse zu kommen. Zumal als Flüchtling. Aber nach der ersten Woche habe er langsam Freunde gefunden. Er mag alle Fächer, sagt Abdullah und lächelt. "Besonders Mathe und Sport", ergänzt die Mutter liebevoll. Zahlen sind eben Zahlen sind eben Zahlen, da spielt es keine Rolle, woher ein Schüler kommt.

"Fachlich scheint das kein Problem zu sein. In Syrien war er womöglich sogar noch weiter", schätzt Günther Vogel Abdullahs Leistungen ein. Was fehlt, sei die Sprache. Vogel betreut den jungen Mann. Auch Barbara Libner und Michaela Reinhard - zwei Deutschlehrerinnen - helfen Abdullah. Vier Stunden pro Woche geben sie ihm Deutschunterricht in ihrer Freizeit.


Förderprojekt in Würzburg

Die Barriere zwischen Sprache und Fachwissen, das ist Abdullahs größte Herausforderung. Am Friedrich-Koenig-Gymnasium in Würzburg gibt es eine Förder-Klasse für Flüchtlinge, die eine gymnasiale Vorbildung mitbringen, aber noch nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen. Fünf solche Klassen hat das Bayerische Kultusministerium inzwischen eingerichtet - in ganz Bayern. Das Projekt heißt "InGym" (Integration am Gymnasium). Ob das eine Möglichkeit für Abdullah sein kann, ist unklar. "Das ist eigentlich für jüngere Schüler gedacht", erklärt Stefan Bub, Schulleiter des FMG.

Grundsätzlich denkbar wäre auch, Abdullah im kommenden Schuljahr in den Regelunterricht aufzunehmen. "Dies würde aber bedeuten, dass die Leistungsnachweise unter gleichen Bedingungen erbracht werden", erklärt Bub und betont, dass es prinzipiell kein Abitur light geben kann.

Angela Schneider aus Roßbach begleitet die Familie ehrenamtlich. "Im Moment ist über den Asylantrag noch gar nicht entschieden worden", berichtet sie. Auch deshalb gehe es nur in kleinen Schritten voran. Sie freue sich aber sehr über das Engagement, das der Jugendliche zeige. Und auch die Rolle der Mutter hebt sie hervor. Dass sich jemand so um die Bildung seiner Kinder bemüht, sei vorbildhaft.


Mutter dankt Schule von Herzen

Hazar Aboukaf und ihre Söhne gehören zu den Asylsuchenden in der Zeitlofser Unterkunft, die gut Englisch sprechen. "Ich warte auf meinen Mann", sagt die 39-jährige Frau. Und sie kämpft für ihre Kinder. "Ich danke allen, der ganzen Schule, dafür, dass sie uns helfen", sagt sie unvermittelt auf die Frage, ob irgendjemand noch irgendetwas ergänzen möchte.

Abdullahs Bruder Faris ist auch am Schulzentrum. Er besucht die Mittelschule. Im nächsten Schuljahr möchte er als Gastschüler ans FMG wechseln. Er ist erst 14, seine Chancen, den schwierigen Weg bis zum Abitur zu schaffen, sind besser. Auch für andere Flüchtlinge sei ein Gastschüler-Status grundsätzlich denkbar, sagt Schulleiter Stefan Bub. "Wichtig ist, dass fachliche Anknüpfungspunkte da sind. Und Englisch ist natürlich Voraussetzung."

Wie es jetzt weitergeht? Das wissen sie noch nicht. "Die Freunde in seiner Heimat machen jetzt Abitur", erzählt die Mutter. "Das ist schwer für ihn." Mit 17 Jahren ist es fast schon zu spät, in den regulären Schulbetrieb zu wechseln. "Das Schlimmste ist das Warten", sagt Angela Schneider, die Helferin.