Bad Brückenau: Alles beim Alten?
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Montag, 10. Oktober 2016
Einen Monat nach der Bürgermeisterwahl ist Routine eingezogen. Dabei könnte die geringe Wahlbeteiligung durchaus als Denkzettel verstanden werden.
Es war knapp. Zu knapp, sagen manche über das Ergebnis der Bürgermeisterwahl am 11. September. Nur 24 Stimmen weniger und die Amtsinhaberin Brigitte Meyerdierks (CSU) hätte sich der Stichwahl stellen müssen. Mit nur 46,18 Prozent fiel die Wahlbeteiligung so niedrig aus wie seit Jahrzehnten nicht. Die Erklärungen dafür reichen von Desinteresse bis hin zum stillen Protests.
"Die Wähler, die einen Wechsel wollten, sind zur Wahl gegangen, die Wähler, die keinen Wechsel wollten, sind zu Hause geblieben", sieht Karlheinz Schmitt, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Stadtrat, eine Nähe zum bundesweiten Trend der Politikverdrossenheit. Um mehr Interesse an Kommunalpolitik zu wecken, sei es für die Fraktion denkbar, bei konkreten Problemen ein Bürgergespräch anzubieten. "Unser Ziel sollte es sein, dass alle Stadtratsfraktionen gemeinsam an dieser Problematik arbeiten", so Schmitt.
Auch für Birgit Poeck-Kleinhenz, Fraktionsvorsitzende der PWG, ist die Wahlbeteiligung in erster Linie Ausdruck von Desinteresse: "Ich glaube, dass viele nicht zur Wahl gegangen sind, da sie der Meinung waren, dass Frau Meyerdierks ohnehin wieder gewählt wird, auch wenn sie mit ihrer Arbeit nicht immer zufrieden waren." Eine weitere Ursache für das mangelnde kommunalpolitische Interesse könne sein, dass die Stadtratstätigkeit nicht transparent genug nach außen getragen werde. Um das zu ändern, könnten beispielsweise Schulklasse zu Stadtratssitzungen eingeladen oder mehr junge Menschen als Wahlhelfer eingesetzt werden.
Der Debatte fehlte der Biss
Auch Benjamin Wildenauer, Vorsitzender der SPD-Fraktion, hat den Eindruck, dass etliche Bürger die Wahl bereits als entschieden angesehen hatten - "sowohl Leute, die die Bürgermeisterin weiterhin im Amt sehen wollte, als auch Leute, die das nicht wollten". Wer aber zuhause bleibe, lasse keinen Schluss darauf zu, ob er es aus Unzufriedenheit oder Faulheit tue. Ein konstruktiver Protest, etwa durch die Abgabe ungültiger Stimmzettel, sei ihm lieber. Bei der diesjährigen Wahl waren laut Wahlleiter Michael Worschech 23 Stimmzettel "eindeutig ungültig" gemacht worden.
Ein Patentrezept gegen das Desinteresse hat Wildenauer nicht zu bieten, er verweist aber auf die Donnerstagsgespräche der SPD. Die Fraktion FDP/Freie Bürger wollte sich nicht äußern. Eine andere Stimme, völlig außerhalb des kommunalpolitischen Spektrums, ist Daniel Schöberl. Der Blogger schrieb einen vielbeachteten Beitrag über den Wahlkampf in seiner Heimatstadt. Darin beklagte er die Visions- und Ideenlosigkeit aller drei Kandidaten. Die Wahl selbst will er nicht kommentieren, er wünscht sich aber vom Stadtrat eine gute Kommunikation untereinander und mit den Bürgern. "Ich denke, dass mehr junge Vertreter mit innovativen Ideen vertreten sein und angehört werden sollten. Doch all diese Ideen bringen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden."
Überblick über die Ergebnisse der Bürgermeisterwahlen von 1970 bis 2016:
1970 Am 8. März 1970 standen drei Kandidaten zur Wahl: Paul Vogt (CSU) holte 32,8 Prozent, Lorenz Mohr (SPD) 12,7 Prozent und Georg Robert Ratsch (ohne Kennwort) 54,3 Prozent. Die Wahlbeteiligung fiel mit 86,6 Prozent hoch aus.
1976 Am 21. März 1976 holte Georg Robert Ratsch (CSU) 22,99 Prozent, Lorenz Mohr (SPD) 27,96, Helmut Tischer (Bürgeraktion 76) 10,39 und Ludwig Müller (PWG) 38,66 Prozent (Wahlbeteiligung: 80,12 Prozent). Die Stichwahl am 4. April 1976 gewann Ludwig Müller knapp mit 52,38 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,26 Prozent.
1982 Am 14. März 1982 wurde Amtsinhaber Ludwig Müller (PWG) mit Unterstützung der CSU aufgestellt. Er holte 97,79 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung fiel mit 52,75 Prozent vergleichsweise gering aus. Allerdings fiel Müller aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus, so dass die nächste Wahl vorgezogen werden musste.
1986 Am 12. Oktober 1986 standen drei Kandidaten zur Wahl. Harald Koch (CSU) holte 36,4, Werner Kenner (SPD) 21,9 und Hans Rohrmüller (PWG) 41,6 Prozent (Wahlbeteiligung: 75,4 Prozent). Bei der Stichwahl am 26. Oktober siegte Rohrmüller (Wahlbeteiligung: 68,4 Prozent).
1992 Bei der Wahl am 4. Oktober 1992 gab es drei Kandidaten. Amtsinhaber Hans Rohrmüller (PWG) holte 68,64, Herbert Stamm (CSU) 24,84 und Karl Hahn (Republikaner) 6,51 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,9 Prozent.
1998 Am 13. September 1998 versuchten vier Kandidaten ihr Glück. Thomas Ullmann (PWG) holte 42,03, Adelheid Zimmermann (FDP) 25,88, Brigitte Meyerdierks (CSU) 24,55 und Volker Mohr (SPD) 7,53 Prozent (Wahlbeteiligung: 67,9 Prozent). Bei der Stichwahl am 27. September 1998 gewann Ullmann mit 60,15 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 68,67 Prozent.
2004 Am 13. Juni 2004 unterlag Dieter Seban (CSU, Freie Bürger FDP) mit 45,69 Prozent Amtsinhaber Ullmann (PWG) mit 54,31 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,99 Prozent.
2010 Am 20. Juni 2010 setzte sich Brigitte Meyerdierks (CSU) mit 63,58 Prozent gegen Ralf Keßler (SPD) mit 18,81 und Thomas Ullmann, der es über eine eigene Liste versucht hatte, mit 17,61 Prozent der Stimmen durch (Wahlbeteiligung: 52,91 Prozent).
2016 Am 11. September 2016 entging Amtsinhaberin Brigitte Meyerdierks (CSU) mit 50,96 Prozent nur knapp der Stichwahl. Claudio Kleinhans (PSW) holte 34,63 und Mike Richter (PWG) 14,41 Prozent. Die Wahlbeteiligung rutschte auf 46,18 Prozent ab.
Quelle:Edgar Rieß/uli