Auftritt der "klingende Visitenkarte Deutschlands"
Autor: Stephanie Elm
Bad Brückenau, Donnerstag, 20. Dezember 2018
Trotz krankheitsbedingter Ausfälle leicht, verspielt und gewaltig: Heeresmusikkorps Kassel stimmte in Bad Brückenau auf Weihnachten ein.
Kein Drill, kein Aufmarschieren, kein Befehle - ganz anders als sonst präsentierte sich das Heeresmusikkorps Kassel bei seinem Benefizkonzert in der Stadtpfarrkirche Bad Brückenau. In dem vorweihnachtlichen Konzert dominierten leichte, verspielte, gewaltige und doch sanfte Töne. Angereist waren 19 Militärmusiker aus dem insgesamt 60 Musiker starken Heeresmusikkorps (HMK). Das Kammerorchester, das zum zweiten Mal in Bad Brückenau gastierte, brillierte trotz krankheitsbedingter Ausfälle. "Kammermusik ist etwas ganz Sensibles", erklärte Dirigent und Stabsfeldwebel Andreas Alschinger die dadurch notwendig gewordenen Änderungen im vorbereiteten Programm.
Allesamt sind sie studierte Musiker, die ihre Ausbildung unter anderem im Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr in Düsseldorf absolviert und als Feldwebel im Militärmusikdienst abgeschlossen haben. Neben den soldatenüblichen Übungen und den circa 140 Einsätzen pro Jahr finden die Musiker blockweise die Zeit, ein umfangreiches Repertoire einzustudieren. Außer Stücken für den großen Zapfenstreich oder zu feierlichen Gelöbnissen stehen auch sinfonische Konzerte auf dem "Spielplan". Mit etwa 30 Benefizkonzerten pro Jahr hat sich das Heeresmusikkorps Kassel, das seit fast 60 Jahren besteht, als "klingende Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland" etabliert und mittlerweile fast alle Kontinente der Welt bereist.
Noten wurden umgeschrieben
Das Brückenauer Publikum wusste den Besuch des Kammerorchesters des HMK zu schätzen und lies sich mit jedem Stück mehr begeistern. Den Abend eröffnete das gesamte Kammerorchester mit Filmmusik aus "Forrest Gump" und "Love Actually". Verschiedene Ensembles spielten Lieder oder auch Arrangements aus klassischen Stücken, kombiniert mit aktuellen Hits, wie etwa beim "Perfect Pachelbel". Den bekannten Kanon des Barockkomponisten Pachelbel vermischte Hauptfeldwebel Christian Schmidt mit dem aktuellen Hit "Perfect" von Ed Sheeran. Auch die Noten für das Palladio von Karl Jenkins waren für das Militärorchester umarrangiert worden.
Durch den kurzweiligen und für manchen zu kurzen Abend führte Hauptfeldwebel Mareike Zaretzke. Ihren Recherchen nach waren die Zuhörer zu Zeiten Georges Bizets von seiner Oper Carmen "anfangs gar nicht begeistert" gewesen. Das Brückenauer Publikum konnte sich jedoch der facettenreichen Darbietung der beiden Solisten nicht entziehen.
Von Barock bis Moderne
Die Klarinetten- und Blechbläserensembles sowie mehrere Solisten präsentierten einen musikalischen Streifzug von Barock bis in die Moderne. Aus dem dritten Teil des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach spielte das Doppelrohrtrio die Alt-Arie und das Flötentrio präsentierte das Opus 59 von Alexander Tcherepnin. "Die Heilige Nacht" stimmte mit den Altflötenklängen in den vorweihnachtlichen Teil des Konzerts ein. Auch das Blechbläserensemble wusste die Zuhörer mit "Wachet auf, ruft uns die Stimme" von Johann Sebastian Bach und "Tochter Zion" als Arrangement von Pavel Stanek in Adventsstimmung zu versetzen. Die Kantate von Johann Sebastian Bach wurde für einen sehr selten vorkommenden Termin komponiert. Am 27. Sonntag nach Trinitatis soll sie aufgeführt werden. Diesen Sonntag gibt es nur, wenn Ostern vor dem 27. März liegt. So konnte der Komponist selbst dieses Ereignis nur zwei Mal, nämlich 1731 und 1742, erleben. Einen Ausflug in die traditionell österreichische Musik von Mnosil Brass mit "Es wird scho glei Umptata" beschloss das hessische Musikkorps mit weihnachtlichen Klängen.
Spende statt Gage
Die ironisch-abschließende Frage des Dirigenten "Ich bin mir nicht sicher, sollen wir noch etwas spielen?" quittierte das Brückenauer Publikum mit bestätigendem Applaus. Das Medley "A German Christmas" war ebenso professionell vorbereitet und dargeboten wie die vorherigen Stücke. Andreas Alschinger dankte für die Organisation und Vorbereitung: "Wir haben uns sofort heimisch gefühlt". Otto Leidenberger, Präsident des Lion Clubs, der das Konzert organisiert hatte, verwies darauf, dass die Musiker ohne Gage spielen. Das "professionelle Orchester - eine echte Kaderschmiede" hat so bislang circa drei Millionen Euro eingespielt, die ausschließlich caritativen Zwecken zugutekommen. Der Spendenerlös dieses Abends ist für die Kirchenmusik der Pfarrgemeinde St. Bartholomäus sowie für Ärzte ohne Grenzen bestimmt. Diakon Kim Sell dankte für viel Engagement und Herzblut des Heeresmusikkorps: "Ihr habt unsere Herzen geöffnet".
INFO: Musik ist von Anfang an mit dem Militär verbunden. Sowohl Blasinstrumente als auch Trommeln wurden seit der Antike zur Signal- und Nachrichtenübermittlung gebraucht. Später wurden Befehle auf dem Schlachtfeld durch die Signalmusik übermittelt. Auch in das höfische Zeremoniell zog die Militärmusik ein. Ab dem 16. Jahrhundert spaltete sich die Militärmusik in zwei Hauptgruppen auf: Die Pfeifer begleiteten die Infanterie, die Trommler die Kavalerie. Im 19. Jahrhundert wurde die Ausbildung der Musiker professionalisiert und das Repertoire erweitert. Heute treten Musikkorps nicht mehr nur in Marschformation, sondern auch als sinfonisches Orchester oder als Big Band auf. Quelle: Wikipedia