Asyl: Die Jungs vom Kalkgrund
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Mittwoch, 20. Januar 2016
Sie kommen aus Afghanistan und Syrien, gehen zum Sport und vermissen ihre Familien. Seit Weihnachten leben die ersten unbegleiteten Jugendlichen in Bad Brückenau. Das nächste Helfertreffen findet am 17. Februar statt.
Es sind Jungs, wie alle anderen. Mohammed, der Strebsame. Er sitzt über die Hausaufgaben gebeugt und spricht so gut Deutsch, dass man nicht glaubt, dass er erst seit wenigen Monaten in Deutschland ist. Qayel, die Wasserratte. Kaum in Bad Brückenau angekommen, spielt er schon im Team der Unterwasserrugby-Mannschaft in Bad Brückenau. Khalid, der Grübler, der nachts nicht schlafen kann, und Hamid, der Klassenclown. Wenn es denn eine Klasse wäre.
Die zehn Jungs leben in der Wohngruppe der Arbeiterwohlfahrt (Awo) für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Kalkgrund. Die ersten kamen drei Tage vor Weihnachten an, der letzte stieß erst am Montag zur Gruppe dazu. Nun sind sie vollzählig, erst einmal. Eigentlich hatte die Awo zwei Wohngruppen mit jeweils zehn jungen Leuten geplant.
Doch die Suche nach Betreuern gestaltet sich so schwierig, dass die zweite Gruppe erst im Februar oder März an den Start geht.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben Anspruch auf Jugendhilfe
"Unser Ziel ist, dass die Jugendlichen selbstständig werden und allein zurecht kommen, wenn sie 18 Jahre alt werden", sagt Gabi Wirth vom Betreuer-Team. Der Tag beginnt um 6 Uhr. Es wird gemeinsam gefrühstückt und spätestens um 8.30 Uhr beginnt der Deutschunterricht. Am Nachmittag werden Hausaufgaben gemacht. "Wir wollen die Jungs an eine Tagesstruktur gewöhnen", ergänzt Eduard Österle. Die beiden jüngsten Flüchtlinge besuchen die Mittelschule, für die anderen steht in den nächsten Tagen der Einstufungstest für die Berufsschule Bad Kissingen an. Mohammed sitzt schon wieder über den Hausaufgaben. "Das ist sehr wichtig, Deutsch zu sprechen. Wir sind ja in Deutschland", sagt der 17-Jährige. Seine Familie ist in Syrien, besonders seine kleinen Brüder, sechs und zwölf Jahre alt, vermisst er sehr. "Früher habe ich auf sie aufgepasst", sagt er. Was er in Deutschland will? "Zuerst meine Familie nachholen und dann ein Studium anfangen." Dann wird sein Blick ernst. "Es könnte schon zu spät sein", sagt er in Bezug auf die aktuelle Diskussion um den Familiennachzug.
Die Kosten trägt der Freistaat Bayern
Nach den ersten Wochen des Eingewöhnens zieht langsam Routine in die Wohngruppe ein. Seit Montag sind alle beim Landratsamt gemeldet, nur die Vormundschaften liegen noch in Nürnberg. "Das ist kompliziert", sagt Österle. Nun soll versucht werden, das hier ein Amts- oder Vereinsvormund für die Jungs gefunden wird. Finanziert wird die Wohngruppe vom Freistaat Bayern. Der Tagessatz liegt bei 130 Euro pro Jugendlichem pro Tag.
Allein die Wohngruppe in Bad Brückenau kostet also knapp eine halbe Million Euro im Jahr. Aktuell sind im Landkreis 76 unbegleitete junge Flüchtlinge untergebracht.Am Mittwoch, 17. Februar, wird übrigens das nächste Helfertreffen stattfinden. Los geht's um 18 Uhr im Kalkgrund 32. Vertreter der Vereine sowie alle, die sich ehrenamtlich einbringen möchten, sind eingeladen. Wer etwas spenden möchte: Über Fahrräder, Sportgeräte, Musikinstrumente oder einen Kicker freuen sich die Jugendlichen, lässt das Betreuer-Team wissen.