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Babesiosa canis: Die Gefahr rückt näher


Autor: Steffen Standke

LKR Bad Kissingen, Dienstag, 10. Mai 2022

Sie schleicht aus dem Süden und Osten heran, kraucht Flusstäler hinauf, macht Au- und Laubwälder unsicher: Die Auwaldzecke breitet sich in Deutschland immer mehr aus. Und bringt eine Krankheit mit, auf die besonders Hundebesitzer sehr achten müssen.
Die Auwaldzecke überträgt die vor allem für Hunde gefährliche Babesiose canis. Aber auch für den Menschen sind solche Erkrankungen nicht unbedenklich.


Ingo Schäfer arbeitet für "Laboklin" in Bad Kissingen seit 2019. Mit ihm hat das Fachlabor für veterinärmedizinische Diagnostik einen Mitarbeiter, dessen Wissen in Zukunft immer mehr gefragt sein dürfte. Schäfer beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit durch Zecken übertragene Krankheiten.

Eine davon, die Babesiosa canis, schleppt die Auwaldzecke zunehmend nach Deutschland ein. Besonders für Hunde ist die bisher aus südlichen Ländern bekannte, fälschlich "Hundemalaria" genannte Erkrankung gefährlich. Sie kann zu Appetitlosigkeit, Mattsein und Gewichtsverlust, aber auch zu schwereren Symptomen wie hohes Fieber, Lähmungen, Bewegungsstörungen, epileptischen Anfällen und gar zum Tod führen.

Auch für Menschen ist Babesiose (nicht der Canis-Erreger) nicht ganz ungefährlich. Bei einem guten Immunsystem verläuft sie wie eine leichte Erkältung; bei geschwächten Menschen kann sie schwerere Symptome wie hohes Fieber, Blutarmut und Funktionseinschränkung innerer Organe auslösen.

Schäfer hat in den vergangenen Jahren an einer Studie teilgenommen, die von Januar 2007 bis Dezember 2020 zusammen mit der Freien Universität Berlin lief. Laboklin testete das Genmaterial von 20.914 Hunden auf Babesiose; bei 659 Tieren (3,2 Prozent) war das Ergebnis positiv. Die Forscher bemerkten eine Entwicklung. "Von 2007 bis 2012 gelang der Nachweis von Babesiose bei 2,7 Prozent der getesteten Hunde. Von da an bis 2020 ging die Prozentzahl auf 3,3 hoch", berichtet Ingo Schäfer.

Mehr Kontakte im Frühjahr und Herbst

Ab 2018 konnten die Forscher auch zwischen den insgesamt acht Formen von Babesiose unterscheiden. Babesia canis wurde auffällig oft nachgewiesen; die sieben anderen Erreger blieben unauffällig. Die Tiermediziner führen das und den Anstieg positiver Proben insgesamt - neben Reisen ins Ausland und Hundeimport - auf die Ausbreitung der Auwaldzecke zurück.

Die Studie zeigte, dass Babesia canis öfter im Frühjahr und Herbst nachgewiesen wurde - eine Zeit, in der die Parasiten besonders aktiv sind und mehr Hundekontakt mit ihnen stattfindet. Von 2165 Hunden, von denen über Fragebögen nähere Infos vorlagen, hatten 905 Deutschland nie verlassen.

Bisher galt die Babesiose als reine Reisekrankheit. Hunde brachten sie von Reisen nach Süd- oder Südosteuropa mit. Oder die Erkrankung wurde über den Tierhandel aus Ländern wie Ungarn, Rumänien oder Italien eingeschleppt. In Deutschland fehlte der Überträger - die Auwaldzecke.

Doch eine Karte auf der Homepage des European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (ESCCAP), einer Vereinigung von Veterinärparasitologen, zeigt ein anderes Bild. Demnach hat sich die Auwaldzecke vor allem entlang des Rheins und rund um Großstädte wie Berlin, Frankfurt und Stuttgart stark verbreitet. Nordbayern und die Rhön erscheinen als weißer Fleck. Laut Schäfer liegt das aber am Mangel an Daten.

In den Tierarztpraxen im Landkreis Bad Kissingen scheint Babesiose tatsächlich (noch) kein übermäßig präsentes Thema zu sein. Dr. Helmut Fischer aus Bad Kissingen sieht "noch keine Probleme mit der Lederzecke". Er spricht von "ein bis zwei Fällen in den vergangenen Jahren". Dabei habe es sich um Reisekrankheiten gehandelt.

Ähnliches berichtet die Hammelburger Tierärztin Dr. Sieglinde Bauer. Wenn, dann trete das Problem bei Auslandshunden auf. "Auch da ist es selten." Eine größere Rolle spiele die Leishmaniose. Trotzdem: Die beiden Tiermediziner gehen davon aus, dass die Babesia canis durch den Klimawandel auch in unseren Breiten bald häufiger wird. "Wir sind immer wachsam, auch wegen der Tierimporte. Die Leute sind heiß auf Tiere aus dem Ausland", so Fischer.

Vorbeugen oder bekämpfen könne man eine Zecken-Infektion über antiparasitär wirkende Mittel wie Bravecto. Gute Erfahrungen damit hat der Bad Kissinger beim "gewöhnlichen" Holzbock gemacht. In den 1990er-Jahren habe er 40 bis 50 Fälle pro Jahr behandelt; jetzt seien es noch vier oder fünf.

Babesiose-Daten für den Landkreis Bad Kissingen kann Ingo Schäfer nicht liefern. "Wir machen kein Monitoring." Zukünftig wolle man mit Klimamodellen arbeiten, um zu sehen, wie sich Zecke und Erreger ausbreiten. Auch um das Risiko einer Infektion bewerten zu können.