Ausnahmen für Gehbehinderte?
Autor: Ronald Heck
Bad Kissingen, Montag, 26. Sept. 2016
Dieter Schlager hat 20 Euro Verwarnungsgeld bezahlt, weil er mit seiner gehbehinderten Mutter mit dem Auto in der Kissinger Fußgängerzone gefahren ist.
Dieter Schlager wusste, dass er etwas Verbotenes tat. Am 31. August gegen 11 Uhr fuhr er mit dem Auto in die Fußgängerzone. Er brachte seine gehbehinderte Mutter in seine Wohnung in der Grabengasse. Das tut er zwei- bis dreimal im Monat. Diesmal wurde er dabei beobachtet, denn kurz darauf bekam er eine schriftliche Verwarnung des Ordnungsamtes: Wegen Fahrens in der autofreien Zone soll er 20 Euro Geldbuße zahlen. Das fand er ungerecht, ging ins Ordnungsamt und schilderte dort den Vorfall.
Zufahrtsverbot gilt für alle
Nach einer Hüftoperation ist die Mutter von Dieter Schlager auf einen Rollator angewiesen. Von einem Parkplatz außerhalb der Fußgängerzone zur Wohnung zu laufen, wollte er ihr nicht zumuten. Der Angestellte des Ordnungsamtes habe geantwortet, dann solle er sie mit einem Rollstuhl fahren. "Das fand ich ein wenig frech", ärgert er sich."Anwohner der Fußgängerzone dürfen nicht mehr als andere Verkehrsteilnehmer auch", sagt Rainer Warzecha. Der Leiter des Ordnungsamtes erklärt, dass das Fahrverbot auch für Menschen mit Behinderung gilt. Aber es gibt Ausnahmen: Während der Be- und Entladezeiten können Menschen mit einem Behindertenparkausweis in die autofreie Zone fahren und zwei Stunden lang parken.
Behindertenparkausweis
Schlagers Mutter besitzt einen Behindertenparkausweis. Die Gemeinde Elfershausen hat ihr den orangefarbenen Ausweis "Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter" ausgestellt. Während der Lieferzeiten hätte Schlager die Seniorin absetzen dürfen. Aufgrund seiner Arbeit könne er das aber nicht zu den entsprechenden Zeiträumen, meint er.Der Behindertenbeauftragte der Stadt Bad Kissingen, Bernhard Schlereth, kennt das Pro-blem. Vor zwei Jahren gab es bereits einen ähnlichen Vorfall mit einer gehbehinderten Frau, die in die Fußgängerzone gefahren werden wollte. Das Ordnungsamt kann auf Anfrage eine Sondernutzungserlaubnis erteilen, wenn man notwendige Gründe vorweist. Eine Ausnahmegenehmigung für einen Tag kostet 18 Euro. Die Frau wollte aber nicht zahlen, erzählt Schlereth. Er wünscht sich für Gehbehinderte deshalb eine Einzelfalllösung.
Ermessensentscheidung
Das Ordnungsamt kann "in dringenden und nicht aufschiebbaren Fällen" auch eine gebührenfreie Ausnahmegenehmigung ausstellen, sagt Warzecha: "Die Mitarbeiter des Ordnungsamts können in solchen Situationen eine Ermessensentscheidung treffen." Wer triftige Gründe hat, in die autofreie Zone fahren zu müssen, kann vorher im Amt anrufen. Die Mitarbeiter entscheiden dann kurzfristig "nach pflichtgemäßem Ermessen" und teilen dem Verkehrsüberwachungsdienst das Autokennzeichen mit. Eine entsprechende Absprache mit Kissinger Taxiunternehmen gibt es schon, weiß Bernhard Schlereth. Gehbehinderte können mit dem Taxi in die Fußgängerzone gelangen, wenn das Ordnungsamt vorher Bescheid weiß. Eine generelle Ausnahmegenehmigung für Gehbehinderte während der Sperrzeiten gibt es nicht.Im Falle von Dieter Schlager wäre es möglich gewesen, die Ordnungswidrigkeit durch Vorzeigen des Behindertenparkausweises rückwirkend als "nicht ahndungswürdig" einzustufen, meint Warzecha. Schlager hatte den Ausweis im Amt aber nicht dabei. Er hat die 20 Euro gezahlt. "Mir geht es auch nicht ums Geld, sondern um die Schwerbehinderten", sagt er.
Die Lösung, im Einzelfall vorher im Amt anzurufen, hält Schlager für nicht ausreichend. "Ich möchte nicht jedesmal als Bittsteller zum Ordnungsamt gehen müssen. Es wäre nicht schlecht, wenn es eine einfachere Möglichkeit für Schwerbehinderte geben würde."
Schlereth weiß, dass manche Betroffene mit diesen Regelungen nicht zufrieden sind. Aber: "Bei der Fußgängerzone ist Handlungsbedarf nicht nötig."