Aus einem Lied wird Heimat
Autor: Werner Vogel
Reiterswiesen, Freitag, 09. Februar 2018
Ewald Kos singt schon seit 70 Jahren beim Gesangverein. Er kam als Flüchtling. Josef Greubel hörte ihn damals singen und nahm ihn im Verein auf.
Ewald Kos ist zwölf Jahre alt, als er nach Reiterswiesen kommt. Geflohen aus Hindenburg in Oberschlesien vor der anrückenden Roten Armee, sucht er mit seinen Eltern 1945 in Reiterswiesen eine neue Heimat. "Ein Lied, das ich auf der Gasse vor mich hin gesungen habe, hat mein Leben verändert", sagt der heute 85-Jährige. Hochwillkommen waren die Flüchtlinge damals nicht, weiß er zu berichten, aber der "Greubel's Sepp" vom Gesangverein hat mich singen hören und bestimmt: "Du musst zum Gesangverein". Das war 1948 und von da an war ich kein "Vertriebener" mehr. "Reiterswiesen wurde mir Heimat", sagt Kos rückblickend. In vielen Sätteln gerecht, hat er sich dann als umtriebiger lustiger "Hansdampf in allen Gassen" in mehreren Vereinen Freunde geschaffen und ist Reitsch'wieser mit Leib und Seele geworden. Es ist ein Stück Dorfgeschichte, wenn er von den Anfängen des Chores in der Kegelbahn des Gasthauses Eintracht erzählt, von den Gesangsabenden im Krone Saal, den vielen kirchlichen Verpflichtungen und den ersten Auswärtsfahrten mit dem Chor. Der Gesangverein ist ihm wichtig, das spürt man und im Chor singt er noch heute.
Singen erhält jung
Paul Kolb, Vizepräsident des Fränkischen Sängerbundes heftet Kos die goldene Nadel ans Revers, wo schon andere Ehrenzeichen stecken und überreicht Dankurkunden vom Fränkischen Sängerbund und dem Deutschen Chorverband: "Viva, la Musica steht darauf", erklärt Kolb "und offensichtlich hat Dich, lieber Sangesbruder, die Musik jung erhalten". Das bestätigt auch Stefan Greubel, der Vorsitzende des Gesangvereins und fügt den guten Wünschen noch einen üppigen Präsentkorb dazu. Auch Arnold Greubel ist seit 70 Jahren Mitglied, hat aber weniger als Sänger, eher als Chronist des Dorfes, die Kultur von Reiterswiesen mitgeprägt: "Zum Singen ist er nicht gekommen, hat uns aber immer treu und wohlwollend begleitet", meint der Vorsitzende und überreicht auch ihm Urkunde und Präsent. Paul Kolb, der auch Kreisvorsitzender der Sängergruppe Schweinfurt ist, zeichnet dann elf Frauen für zehnjährige Mitgliedschaft aus, die, wie er sagt, den Gesangverein vor zehn Jahren vor der Bedeutungslosigkeit bewahrt haben, als der damals hundertjährige Männergesangverein zu wenig aktive Sänger hatte, aber durch den mutigen Schritt der Frauen als gemischter Chor wiederbelebt werden konnte. Da haben der Vorsitzende Stefan Greubel und Chorleiter Elmar Brehm eine gefährliche Klippe souverän umschifft, haben mit viel Engagement einen harmonischen Klangkörper geformt und den Chor zu Harmonie und Ansehen geführt, der das Dorfleben in vielfacher Weise bereichert, bestätigt Kolb. An die schmucken Westen von Veronika Renninger, Erna Kiesel, Waltraud Schmitt, Simone Zimmermann, Sigrid Klabouch, Monika Kiesel, Martha Greubel, Jutta Zurheide, Eleonore Richler, Margit Kiesel und Antonie Renninger heftet Paul Kolb die Ehrennadeln des Sängerbundes, wobei der die Frauen beruhigt: "Ich mach das schon 30 Jahre und habe noch nie jemand gestochen".
Vorsitzender Stefan Greubel berichtet im Verlauf der Generalversammlung von 31 Proben und fünf öffentlichen Auftritten der insgesamt 39 aktiven Sängerinnen und Sänger im vergangenen Jahr. Den Verein unterstützen darüber hinaus noch 44 passive Mitglieder. Greubel listet die einzelnen Veranstaltungen auf. Zweiter Vorsitzender und Chorleiter Elmar Brehm lobt die aktiven Sängerinnen und Sänger: "Die Harmonie stimmt bei uns im Chor und auch im Verein", stellt er fest und kündigt als nächste öffentliche Veranstaltung das "Offene Singen" am 21.März im Pfarrheim Reiterswiesen an.