Aus dem Leben dreier Spione
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Freitag, 07. Februar 2020
Der Film "Treffen der Spione" hatte jetzt Premiere im Universum Kino Palast.
Es lag eine enorme Spannung in der Luft des voll besetzten Saals im Universum Kino Palast. Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass hier ein neuer Kinofilm seine Deutschland-Premiere feiert. Und dann auch noch so einer: ein Spionagefilm - allerdings keine Fiction im Stil von James Bond. Sondern ein ganz realistischer Dokumentarfilm mit drei Spionen wie du und ich, mit drei Agenten, die man - und das macht die Sache natürlich besonders reizvoll - schon seit vielen Jahren als Nachbarn kennt, von denen man nie geglaubt hätte, dass sie einmal für einen Geheimdienst gearbeitet haben.
"Treffen der Spione" heißt der Film unaufgeregt. Und entsprechend werden keine Waffen gezogen, sondern Erinnerungen ausgetauscht, Gemeinsamkeiten entdeckt, Lebensläufe und Durchhaltestrategien verglichen. Und es wird viel erzählt.
Berge von Akten studiert
Wie kam es dazu, dass die Berliner Regisseurin und Kulturagentin Anke Ertner diesen Film gedreht hat? Es ist schon einige Zeit her, dass sie von dem britischen Spionageromanautor John le Carré den Auftrag bekam, das Buch zu einem neuen Film gegenzurecherchieren. Als sie sich in der Stasi-Unterlagenbehörde durch die Berge von Akten wühlte, kam ihr der Gedanke, selbst einen Film mit drei Spionen zu drehen, die dem Ministerium für Staatssicherheit ins Netz gegangen waren.
Ein halbes Jahr brauchte sie, bis sie Raimund August (83), der für den BND-Vorgänger "Organisation Gehlen" spioniert hatte, Eberhard Fätkenheuer (75), der für den CIA tätig gewesen war, und Norbert Grohmer (65), der Informationen an den BND lieferte, gefunden hatte. Ein weiteres halbes Jahr war nötig, bis sie die drei so weit hatte, dass sie sich auf das Projekt einließen.
Es ist das erste Mal, dass sich überhaupt, also nicht nur in Deutschland, drei ehemalige Spione zu einem offenen und auch noch gefilmten Gespräch treffen. Der Film, der dabei entstanden ist, ist ausgesprochen gut und interessant gelungen. Denn Anke Ertner hat, immer wieder durchbrochen von zeitdokumentarischen Collagen, die drei ausführlich zu Wort kommen lassen, oft in lebensechter Unterhaltung mit ihren Frauen, aber auch Besuchergruppen und anderen Interessierten.
Worauf die Regisseurin vollkommen und wohltuend verzichtet hat, sind Einschübe von "Erklärstücken" von Experten, die glauben, dem Zuschauer das gerade Gesehene noch einmal haarklein erläutern zu müssen. Der Film bekommt so einen ausgezeichneten Fluss.
Man erfährt außerordentlich viel, auch weil die drei verschiedenen Altersgruppen angehören, die einerseits noch die stalinistische DDR, andererseits aber auch die gerade untergegangene DDR erlebt haben. Etwa über die Gründe, warum die drei Männer zu Spionen wurden: nicht, weil sie die DDR abschaffen wollten, sondern weil sie an der politischen Moral litten. Keiner von ihnen hatte die Absicht, in den Westen zu gehen: August war frustriert, weil er kein Abitur machen und dann studieren konnte, Fätkenheuer ließ sich von einem charmanten Amerikaner bequatschen, und Grohmer, der als "Staatskoch" am nächsten an die Staatsgäste der DDR herankam, litt an der Diskrepanz zwischen den öffentlichen Reden und den geheimen Mauscheleien in den Hinterzimmern der Macht. Es ging keineswegs immer um die großen Top-Meldungen, sondern um das Füttern der Informationsbasis: bei August und Fätkenheuer um die Stationierung von insbesondere russischen Waffensystemen oder Verschiebungen von Truppenteilen, bei Grohmer nicht nur um Gesprächsinhalte, sondern auch darum, wer überhaupt mit wem zusammenkam. Alle drei wussten, worauf sie sich einließen und auch, warum ihre Karrieren endeten. August wurde von einem Kumpel verpfiffen, Fätkenheuer machte den Fehler, dass er der Stasi Stoff für einen Schriftvergleich lieferte - "das war meine ganz eigene Dummheit"; und Grohmer stand auf einer Namensliste, die der Spion und Überläufer Hansjoachim Tiedge der Stasi als "Morgengabe" mitgebracht hatte. Alle wurden verurteilt, mussten einsitzen, wobei es Raimund August am übelsten erwischte, weil er noch in den Genuss des stalinistischen Strafvollzugs kam. Immerhin: Als er nach sechs Jahre freikam, war die Grenze in den Westen noch einigermaßen offen, was er nutzte. Eberhard Fätkenheuer wurde auf der Brücke von Großglienicke an die Amerikaner übergeben, Norbert Grohmer kam der Zufall des Mauerfalls rechtzeitig zu Hilfe.