Druckartikel: Auf Augenhöhe

Auf Augenhöhe


Autor: Thomas Ahnert

Maria Bildhausen, Mittwoch, 29. Juni 2016

Der Tenor Simon Bode und der Pianist Nicholas Rimmer gastierten im Kloster Maria Bildhausen.
Wenn alles getan ist: Simon Bode (r.) und Nicholas Rimmer.  Foto: Ahnert


Man konnte ein bisschen irritiert sein: Für den Liednachmittag im Kloster Maria Bildhausen war ein Sänger angekündigt, der sehr hoch gehandelt wird, der als großer Hoffnungsträger der deutschen Sängerszene gilt, sozusagen ein neuer Daniel Behle: der Tenor Simon Bode. Und dann stand da - er möge es verzeihen - ein baumlanger Kerl auf dem Podest, sonderte, um es möglichst bildkräftig zu beschreiben, kleine Tonperlen ab, positionierte sie und pumpte sie auf zu Phrasierungsbögen, die sich glichen wie ein Ei dem anderen.

Aber es gab keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben. Denn immerhin ist der junge Mann Ensemblemitglied der Frankfurter Oper, und dort hat man ein ausgezeichnetes Händchen für vielversprechenden Nachwuchs.

Und so schlimm, wie sich das hier liest, war das Ganze natürlich auch nicht. Es wurde nur deutlich, dass Simon Bode, vielleicht aus Gründen einer gewissen Nervosität, erst einmal auf Nummer sicher gehen, sich auf keine Risiken einlassen wollte. Aber er kam auch sehr schnell bei sich selbst an, wurde absolut sicher in der Tonbildung, gestaltete mit reichem Timbre die Gefühlswelt hinter den Texten, ging in die Tiefen, zielte sinnfällig auf die Pointen, erzählte Geschichten - und das mit einer wunderbaren Stimmpräsenz. Da konnten sich die Erwartungen beruhigt zurücklehnen. So hatte man sich das vorgestellt.

So gesehen war der Klavierbegleiter, der Engländer Nicholas Rimmer, die größere Überraschung. Es gibt nur wenige Pianisten in dieser Branche, die derart offensiv wie er das Klavier von der Stimme emanzipieren.Er ist durchaus ein freundlich gesinnter Partner, der es dem Sänger leicht macht, sich auf in einzulassen, aber er gibt der Klavierstimme einen enorm hohen, selbstbewussten Eigenwert, der für eine gute Balance sorgt, die auch der Stimme zugute kommt.

Die beiden arbeiteten hoch exemplarisch. Sie zeigten die freundlich-romantische Naivität von Mendelssohn-Liedern wie "Das erste Veilchen" oder "Neue Liebe". Sie verdeutlichten den kreativen Zwiespalt, in dem sich Erich Wolfgang Korngold befand, als er hochromantische Eichendorff-Texte ("Lieder aus dem Nachlass") mit der Tonsprache des 20. Jahrhunderts in Einklang bringen wollte und ließen auch der Musik noch etwas romantische Nähe.

Sie zeigten die in sich ruhende künstlerische Gelassenheit und emotionale Ausdrucksstärke und organische Einheit in Beethovens Zyklus "An die ferne Geliebte" - und anderen Liedern. Und sie begründeten die Sonderstellung der Lieder von Hugo Wolf, der die Psychologie in den Mittelpunkt seiner Konzeptionen gestellt hat. Da fand sich auch der Höhepunkt des Konzerts: "Der Feuerreiter" aus Wolfs Mörike-Liedern. Der war von den beiden Künstlern nicht nur hochgradig spannend gestaltet, auf die Kastastrophe zutreibend, sondern auch mit phantastischen Klangfarben von neugierig über hysterisch bis gespenstisch gezeichnet. Da machte sicvh plötzlich Atemlosigkeit breit im Publikum.

Zwei Zugaben spendierten Bode und Rimmer: "Sally In Our Alley" - von den Britten-Liedern hätten es ruhig noch ein paar sein können - und Arnold Schönbergs "Meine Freundin hat eine schwarze Katze". Die beiden kommen hoffentlich bald wieder zum Kissinger Sommer.