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AstraZeneca: Frauen sind verunsichert


Autor: Redaktion

Bad Kissingen, Donnerstag, 15. April 2021

Eine Lehrerin (54) wurde einmal mit AstraZeneca geimpft und nun? Aufklärung tut Not, aber bislang Fehlanzeige. Jetzt werden erst einmal die Termine für die Zweitimpfung verschoben.
Ab nächster Woche gibt es keine Erstimpfungen mehr mit AstraZeneca in den Impfzentren mehr, nur noch in den Hausarzt-Praxen.


Die Freude war groß unter vielen Lehrern, als sie in der Impfpriorität nach vorne gesetzt wurden. Auch Sabine S. (*Name von der Redaktion geändert) hat sich gefreut. "Wir mussten unsere Anmeldung aktualisieren und drei Stunden später erhielt ich einen Impftermin", erzählt sie. Den hat sie auch gerne genommen, praktischerweise ein Sonntag. Impfstoff: AstraZeneca.

Am Abend danach bekam sie plötzlich Fieber, aber nichts, was eine Ibuprofen nicht hätte bewältigen können. Eine Woche später wurden Impfungen mit AstraZeneca in Deutschland gestoppt. Es waren Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Covid-19 Impfstoff AstraZeneca aufgetreten. Hauptsächlich bei Frauen. "Ich bin jemand, der anfällig ist und sich Gedanken macht", sagt die Lehrerin.

Sie habe sofort ihre Hausärztin angerufen und die habe sie beruhigt. Sie gehöre keiner der Risikogruppen an. Auch die Ärztin selbst ist mit AstraZeneca geimpft und würde es jederzeit wieder tun. Inzwischen ist die Patientin von zwei Seiten beruhigt worden, auch ein weiterer Arzt habe die Aussagen der Hausärztin bestätigt. Er selbst hatte sein ganzes Praxisteam mit dem Wirkstoff geimpft. Trotzdem überlegt die Lehrerin, eine dritte Meinung einzuholen.

Denn die Unsicherheit ist da, zumal es bislang keine Aussagen darüber gibt, wie es jetzt weitergehen soll. Ein zweites Mal mit AstraZenca impfen, oder zu einem anderen Wirkstoff wechseln? Verträgt sich die Kombination von zwei Wirkstoffen überhaupt? Inwieweit ist das getestet? Und wenn ja, dann länger warten als geplant? "Ich finde es schade, dass es keine Info vom Impfzentrum gibt", sagt sie. Ihr fehle schlicht die Aufklärung.

Eine jüngere Kollegin habe erzählt, dass die geplanten Termine zur zweiten Impfung verschoben werden. Offiziell habe sie davon jedoch noch nichts gehört. Ihr zweiter Termin ist wie bisher im System vermerkt, mit AstraZeneca. Ob das so kommen wird, weiß keiner. "Ich bin froh, dass ich noch vier Wochen drüber nachdenken kann", sagt die 54-Jährige. Denn die Unsicherheit ist da.

Was bedeutet der Kopfschmerz?

So wie bei Petra Will. Sie ist aus Münnerstadt, 51 Jahre alt und Mitarbeiterin im Gesundheitswesen. "Ich bekam über meinen Arbeitgeber ein Impfangebot mit AstraZeneca." Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits die Diskussion über auftretende Komplikationen mit dem Impfstoff. "Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht und mich mit den Informationen versorgt, die zugänglich sind. Nach der Impfung ging es mir relativ gut, leichte Kopfschmerzen am nächsten Tag und ein bisschen Abgeschlagenheit waren alles." Schlimmer für sie waren die Informationen, die zwei Tage später publiziert wurden: Impfstopp mit AstraZeneca. "Da hört man dann schon anders in seinen Körper hinein und bewertet Kopfschmerzen anders." Als eher rationaler Mensch habe sie zunächst abgewartet. "Kein Impfstoff gegen Covid-19 verfügt über Langzeitstudien, das ist einfach nicht möglich durch die Beschleunigung der Zulassung. Das ganze Thema Impfung bei Covid-19 ist einfach ein Thema das sehr emotional behaftet ist. Jeder muss und kann da nur seine eigene Entscheidung treffen." Sie habe sie getroffen und wisse nun bis jetzt nicht, wie es weitergeht. "Laut momentaner Empfehlung soll die Zweitimpfung nicht mit Astra Zeneca stattfinden, da ich unter 60 bin. Die WHO empfiehlt aktuell keine Kreuzimpfung mit einem anderen Wirkstoff! Mir bleibt nur abzuwarten und dann zu entscheiden wie ich mit den Informationen umgehen werde. Das lässt einen erstmal etwas ratlos zurück."

Ratlos ist auch noch die Lehrerin. Die will nicht im Internet nach Antworten suchen - aus Angst, die Behauptungen dort könnten sie noch mehr verunsichern. Sehr hilfreich sind die offiziellen Seiten ohnehin nicht. Auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums steht zur Impfung mit AstraZeneca: "Wer sein 60. Lebensjahr vollendet hat, kann seine Zweitimpfung erhalten. Wer jünger ist, sollte gemeinsam mit seinem Arzt das Risiko abwägen und entscheiden. Die STIKO (Ständige Impfkommission) wird schnellstmöglich zu dieser Frage Stellung nehmen. Allerdings besteht keine Zeitnot für die Erst-Geimpften. Zwischen Erst- und Zweitimpfung beim Impfstoff von AstraZeneca liegen 12 Wochen." Und zur Frage, ob man einen anderen Impfstoff für die Zweitimpfung mit AstraZeneca kombinieren kann, heißt es dort: "Dazu liegen noch keine wissenschaftlichen Studienergebnisse vor. Die STIKO wertet alle Erkenntnisse zu dieser Frage zeitnah aus." Auch Dr. Ralph Brath, Versorgungsarzt des Landkreises, bestätigt, dass es derzeit lediglich Wasserstandsmeldungen dazu gebe. Erst Ende April wolle das Paul-Ehrlich-Institut eine Empfehlung abgeben.

Zweitimpfung wird verschoben

"Wir hatte ursprünglich neun Wochen und strecken das jetzt auf zwölf Wochen zwischen den Impfungen, bei AstraZeneca ist das sowieso besser", sagt er. Deshalb gebe es aktuell keine Zweitimpfungen unter 60. Das bestätigt auch das Landratsamt am Donnerstagmittag auf Nachfrage dieser Zeitung: "Alle Personen, die im Februar und März ein neunwöchiges Impfintervall genannt bekommen haben, werden von Mitarbeitenden des Landratsamts aktuell über die Verlegung der Zweittermine informiert", heißt es in der Stellungnahme.

"Für Personen unter 60 Jahren haben wir derzeit noch keine verbindlichen Vorgaben, ob die Zweitimpfung nach einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch ebenfalls mit AstraZeneca erfolgen kann oder ob hierfür zwingend ein anderes Vakzin zur Anwendung kommen muss", teilt Pressesprecherin Nathalie Bachmann mit. Brath macht jedoch deutlich, dass ein Impfstoffwechsel nie vorgesehen war und daher auch nicht erprobt ist. Die Vorbehalte gegenüber AstraZeneca seien unterschiedlich stark, aber vorhanden, schreibt Bachmann. Abgelehnt werde der Impfstoff jedoch nur in Einzelfällen, sagt Dr. Brath.

Weiter schreibt Bachmann: "Bei der Verimpfung des Vakzins von AstraZeneca wurde seitens des Bayerischen Gesundheitsministeriums eine Verimpfung an alle Personen über 60 Jahre, unabhängig ihrer Priorisierung, freigestellt. Da am Wochenende die letzten Erstimpfungen mit diesem Vakzin in den Impfzentren anstehen, haben wir bei der Terminvergabe gezielt Menschen über 60 Jahre berücksichtigt. Das Impfzentrum Bad Kissingen hat vergangene Woche so viel Impfstoff des Herstellers AstraZeneca wie möglich für Erstimpfungen bestellt. Da diese Impfungen nur noch bis Sonntag, 18. April, in den Impfzentren möglich sind (danach nur noch in Hausarzt-Praxen), haben wir die Termine gezielt an über 60-Jährige vergeben."

Doppelt anmelden

Tatsächlich habe es sich in der Bevölkerung herumgesprochen, dass am Wochenende Termine für die Impfung mit AstraZeneca verfügbar sind. "Alle Termine konnten auf diesem Weg vergeben werden." Man habe das nicht öffentlich kommuniziert, um zu verhindern, dass die Menschen vermehrt anrufen und hinterher enttäuscht sind, keinen Termin bekommen zu haben - nachdem sie unter Umständen lange Zeit in der Warteschleife verbringen mussten. Dr. Brath rät jedem, zweispurig zu fahren, also sich sowohl im Impfzentrum als auch beim Hausarzt anzumelden. "Wenn der erste Pieks im Arm ist, kann man sich auf der anderen Liste streichen lassen."