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Ankunft auf dem Lande


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Mittwoch, 01. Juli 2015

Beim Reithallenkonzert im Casteller Schlosspark spielte das Stradivari- Quartett eine anregende Matinee mit Haydn, Beethoven, Puccini, Wolf und Verdi.
Als wäre ein Designer am Werk gewesen: Passend zur Umgebung musizierten Xiaoming Wang (1. Violine), Sebastian Bohren (2. Violine), Lech Antonio Uszynski (Viola) und Maja Weber (Violoncello) auf guten alten Gartenklappstühlen - also gar nicht so unbequem. Foto: Ahnert


Die Stimmung ist halt einfach schön in der Reithalle im Casteller Schlosspark, vor allem, wenn das Wetter so gut passt: strahlender Sonnenschein und noch nicht zu heiß - der optimale Rahmen für eine geistreiche Matinee.
"Stradivari-Quartett" ist natürlich ein verheißungsvoller Name: vier Musiker, die alle auf Instrumenten des großen Cremonenser Geigenbauers spielen. Aber was bedeutet das tatsächlich? Zunächst einmal nichts.

Es gibt keine zwei Violinen, Violas oder Violoncelli von Stradivari, die absolut gleich klingen, was ja, wenn auch auf Höchstniveau, ein bisschen langweilig wäre - abgesehen davon, dass auch manches nur gute Instrument die Werkstatt verlassen hat. Sie war schließlich auch Ausbildungsbetrieb.

Eine Frage des Marketings

Nein, der Name signalisiert erst einmal, dass man als Zuhörer mit sehr guten Instrumenten rechnen kann, und er beweist sehr gutes Marketing. "Stradivari-Quartett klingt einfach verlockend, auf jeden Fall mehr als "Klotz-Quartett", auch wenn die Instrumente da aus der berühmtesten Mittenwalder Manufaktur stammen würden.
Entscheidend ist immer noch, was man mit den Instrumenten macht. Und Xiaoming Wang (1. Violine), Sebastian Bohren (2. Violine), Lech Antonio Uszynski (Viola) und Maja Weber (Violoncello) machten sehr schnell deutlich, dass sie auch mit anderen Instrumenten hervorragend Musik machen können. Sie haben in den zurückliegenden Jahren seit ihrem Zusammenschluss 2007 zu einer echten Einheit gefunden, die mit gleichem Atem musiziert und sich blind versteht. Das Programm war für eine gutlaunige Matinee sehr gut zusammengestellt, auch wenn man sich am Ende auch ein größeres Schwergewicht als das e-moll-Quartett von Giuseppe Verdi hätte vorstellen können, etwa ein Werk aus dem 20. Jahrhundert.
Mit Joseph Haydns g-moll-Quartett Hob. III:74, dem "Reiterquartett", ging's los, das seinen Namen von den rhythmisch sehr bewegten Ecksätzen hat, die das Publikum mühelos einfangen. Das war wunderbar leichthändig musiziert, sehr klar und differenziert strukturiert, und der langsame Satz atmete trotz überraschender Verzierungen große Ruhe. Aber es war geradezu beruhigend, dass auch Musiker morgens ein bisschen Zeit brauchen, um von null auf hundert zu kommen: Der Rahmen, in dem sich das Musizieren abspielte, war von Anfang an abgesteckt: zwischen der sehr virtuos geführten 1. Violine und dem Violoncello als begleitendem und steuerndem Element. Aber so richtig in ihrem selbstbestimmten Spiel angekommen waren die vier im Allegro con brio. Aber das war auch wirklich mitreißend musiziert.
Beethovens frühes G-dur-Quartett op. 18/4 setzte ein wie ein fulminanter Weckruf. Die Zeitgenossen müssen erschrocken sein angesichts der Wucht der ersten Akkorde. Aber die Sprengkraft wird gebunden durch das ruhige zweite Thema. Aus diesem Kontrast entwickelten die Stradivaris eine Spannung, die sich durch das ganze Werk als tragfähig erwies und im Schlusssatz mit einem pointiert nervösen Thema und einem sang lichen Entspannungsgedanken ihr tragfähiges Widerlager fand. Beethovens unruhiger Geist, der sich so sehr gegen das Unverbindlich-Unterhaltsame sträubte, fand hier seine plausible, adäquate Gestaltung.

Konservativer Kontrast

So gesehen bedeutete Giacomo Puccinis relativ kurzes Quartett "Crisantemi" op. 65 einen konservativen Kontrast. Denn Puccini spielte mit farbigen Dissonanzen, die sich in Wohlgefallen auflösen. Das Quartett hatte diese Entwicklungen sehr genau ausgehört und musizierte sie mit sensiblem Einverständnis.
Ein bisschen ins Tänzerische - eigentlich erstaunlich für den vergrübelten Hugo Wolf - ging seine Italienische Serenade, ein Satz, mit dem er eigentlich Größeres vorgehabt hatte. Das Spiel der Kräfte in diesem zum Burlesken neigenden Spiel war von den Stradivaris glänzend ineinander greifend gestaltet und dynamisch strukturiert.
Und dann Verdi. Natürlich hört man in dieser Musik den Opernkomponisten, aber das Quartett vermied jedes opernhafte Sich-Verbreiten, indem es kräftig hinlangte und schon den Einstieg konfrontativ gestaltete und auf diese Weise Dramatik erzeugte. Aber es ließ es auch zu, dass man sich manche Cello-Kantilene auch gesungen auf der Bühne vorstellen konnte.