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Angeklagter aus Bad Kissingen hat einfach zu viel Selbstbewusstsein


Autor: Sigismund von Dobschütz

Bad Kissingen, Sonntag, 10. Juli 2022

Ein 20-Jähriger ist zum wiederholten Mal straffällig geworden - schon als Kind ist er wegen Verhaltensstörungen therapiert worden, ohne Erfolg. Jetzt stand er wegen sexueller Belästigung und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.
Der Angeklagte schlug einem Begleiter seiner Exfreundin ins Gesicht und warf ihm schließlich einen Stuhl aus Metall hinterher, der ihn am Kopf traf und schwer verletzte.


"Was machen wir bloß mit Ihnen?", fragte die Richterin des Bad Kissinger Amtsgerichts nach fast dreistündiger Verhandlung den Angeklagten. Bereits als Jugendlicher mehrfach wegen ähnlicher Straftaten zu Geldstrafen, Jugendarrest und Ungehorsamsarrest verurteilt, stand er nun als zum Tatzeitpunkt noch Heranwachsender wegen sexueller Belästigung, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit mehrfacher Beleidigung erneut vor Gericht. Dann verurteilte sie den inzwischen 20-Jährigen zu elf Monaten Jugendstrafe auf Bewährung, einer Geldauflage von 800 Euro und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an einen Geschädigten von 1000 Euro sowie zur Übernahme aller Verfahrenskosten.

In 2021 war der Angeklagte nachts um vier Uhr leicht alkoholisiert mit zwei Freunden in der Bad Kissinger Fußgängerzone auf seine Ex-Freundin und deren Begleiter getroffen. Mit ihr zog sich der Beschuldigte zum vertraulichen Gespräch in eine Seitengasse zurück. Während sie die Trennung durch ein klärendes Gespräch zu bestätigen hoffte, wollte der junge Mann das nicht akzeptieren, bedrängte seine Ex-Freundin und zwang ihr schließlich einen Kuss auf.

Polizei beschimpft

Der abseits wartende Begleiter schritt nach zunehmender Lautstärke des Gesprächs ein und zog die junge Frau mit sich. Daraufhin beschimpfte ihn der Angeklagte, schlug ihm mit der Faust ins Gesicht und warf ihm aus einigen Metern Entfernung einen dort herumstehenden Metallstuhl nach, der das Opfer am Kopf traf und oberhalb des Auges schwer verletzte. Die von Anwohnern alarmierten Polizeibeamten benannte der Angeklagte mit ordinärsten Ausdrücken.

Vor Gericht gab der Angeklagte an, seine Ex-Freundin nur im Glauben, immer noch Chancen bei ihr zu haben, körperlich bedrängt und geküsst zu haben. Seine Freundin war sich als Zeugin unsicher, ob sie den Angeklagten bereits vor der Tat über ihren endgültigen Schlussstrich informiert hatte. Während der Angeklagte alle nachfolgenden Taten zumindest nicht abstritt, allerdings die Absicht der Körperverletzung verneinte und sich auch nicht von der Richterin und dem Staatsanwalt auf damals gefallene Ausdrücke festlegen lassen wollte, leugnete er umso mehr den Tatbestand der sexuellen Belästigung.

Doch dies wollten Staatsanwalt und Richterin nicht gelten lassen, hatte die Ex-Freundin doch vor Gericht glaubhaft beschrieben, wie sie dem Beschuldigten mehrfach verbal und durch Gesten verdeutlicht habe, nicht von ihm bedrängt und geküsst werden zu wollen.

Bei der Urteilsfindung ging es um die Frage der Anwendung von Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht. Nach Vortrag der Jugendhelferin, die die vielen "Stolpersteine im familiären, schulischen und beruflichen Lebensweg" des jungen Angeklagten aufgezählt hatte, der schon als Kind wegen Verhaltensstörungen therapiert worden sei sowie keinen Schul- und keinen Ausbildungsabschluss habe, waren sich mit ihr auch Staatsanwalt und Verteidiger einig, dass wegen deutlicher Reifeverzögerung nur das Jugendstrafrecht angemessen sei.

Der Staatsanwalt forderte nun, da die vorangegangenen Arreste beim Angeklagten keine Einsicht bewirkt hatten, zwölf Monate Jugendstrafe auf Bewährung. Der Verteidiger sah den Vorwurf der sexuellen Belästigung nicht bestätigt: Sein Mandant sei zum Tatzeitpunkt nicht über die Endgültigkeit der Trennung informiert gewesen. Da der Angeklagte inzwischen ein geordnetes Berufsleben mit Festanstellung und Ausbildungsvertrag vorweisen könne, sei, so sein Verteidiger, sei "eine Jugendstrafe nicht notwendig. Zuchtmittel reichen aus."

Die Richterin sah jedoch auch den Tatbestand der sexuellen Belästigung ausdrücklich bestätigt, da die Ex-Freundin dies dem jungen Mann doch durch mehrfaches "Nein" und mit Gesten deutlich gemacht habe. Dennoch blieb sie mit ihrem Urteil von elf Monaten unter der Forderung des Staatsanwalts und verzichtete zudem auf die von ihm geforderten Bewährungsauflagen, da in Kürze ein weiteres Verfahren gegen den Angeklagten und eine daraus folgende Gesamtstrafe zu erwarten ist. Außerdem sei das Verhalten des Angeklagten allein durch Bewährungsauflagen offensichtlich nicht zu regeln. "Ihr Selbstbewusstsein platzt aus allen Nähten", warf sie dem Angeklagten vor und mahnte ihn zur Einsicht: "Sie müssen endlich verstehen, dass Sie das Problem sind und nicht die anderen."