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Amazon: Neues Verteilerzentrum entsteht bei Oerlenbach


Autor: Benedikt Borst

Bad Kissingen, Dienstag, 15. Sept. 2020

Der Onlinehändler will ab Sommer 2021 ein Verteilzentrum in Oerlenbach mit 120 Mitarbeitern betreiben. Auf dem 61 000 Quadratmeter großen Areal laufen die Arbeiten. Kritik gibt es am Flächenfraß und der Lohnpolitik bei Amazon.
Die Erdarbeiten auf dem 61 000 Quadratmeter großen Areal für das Amazon Verteilerzentrum haben bereits angefangen. Foto: Benedikt Borst


Die Bagger sind bereits seit einigen Tagen in dem Gewerbepark an der Autobahn A 71 unterwegs. Direkt an der Abfahrt Oerlenbach entsteht ein neues Verteilzentrum für den Versandriesen Amazon. Für den US-amerikanischen Online-Händler ist das die erste Niederlassung in Unterfranken. Wie das Unternehmen mitteilt, soll das Verteilzentrum voraussichtlich im Sommer 2021 in Betrieb gehen.

Dem Oerlenbacher Oliver Plume ist die Großbaustelle bei einem seiner Spaziergänge aufgefallen. "Das ist ein riesiges Areal. Ich bin da zwiegespalten", meint er. Einerseits bringt die Ansiedlung neue Arbeitsplätze mit sich, andererseits bedeutet der Bau einen enormen Flächenverbrauch und steigenden Lastwagenverkehr, der über die Straße, statt über die Schiene rollen wird. "Aus ökologischer Sicht finde ich das kritisch", findet er.

Der Konzern wird die Halle in dem Gewerbepark pachten, ausgebaut wird das Gelände von Investoren und anderen Firmen. Projeksteuerer ist die Complemus Real Estate GmbH aus Aachen. Complemus gibt die Größe des Grundstücks in der Projektbeschreibung auf seiner Homepage mit 61 000 Quadratmetern an. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der Größe des Bad Kissinger Innenstadtkarrees zwischen Ludwig- und Maxstraße sowie Von-Hessing- und Unterer Markstraße/Weingasse (ca. 68 000 Quadratmeter).

Das "Kurier-Express-Paket Dienstleistungszentrum Schweinfurt" ist mit einer Fläche von 8500 Quadratmetern geplant. Den Hauptteil macht eine acht Meter hohe Halle aus. "Die Halle wird stützenfrei mit einer Überspannung von 60 Metern realisiert", so Complemus. Dazu kommen Büro- und Sozialräume. Des Weiteren sind Stellplätze für 102 Pkw sowie 398 Kleinbusse vorgesehen.

Von der deutschen Amazon-Pressestelle heißt es auf Nachfrage, dass in Oerlenbach Pakete von anderen Logistik- und Sortierzentren ankommen, die dann von "lokalen Lieferpartnern" an die Kunden zugestellt werden. Der Konzern reagiert auf die wachsenden Kundennachfrage. "Amazon investiert in Transportinfrastruktur und Innovationen, um die Kapazitäten der Lieferkette zu erhöhen und den Kunden schnellere Lieferoptionen zu ermöglichen", heißt es.

"Wir freuen uns sehr, ein Verteilzentrum in Oerlenbach zu eröffnen, in dem mehr als 20 Jahre logistische Kompetenz, technologischer Fortschritt und Investitionen in die Transportinfrastruktur stecken", wird Robert Viegers, Direktor von Amazon Logistics in Deutschland zitiert.

120 Mitarbeiter, 300 Fahrer

Das Areal gehört zum interkommunalen Gewerbepark der Gemeinden Oerlenbach und Poppenhausen. Poppenhausens Bürgermeister Ludwig Nätscher (CSU) berichtet, dass Amazon auf die Kommunen zugekommen war. "Das Unternehmen verfeinert seine Logistik", sagt er. Nätscher ist derzeit turnusmäßig Vorsitzender des Zweckverbandes, der den Gewerbepark verwaltet.

120 Mitarbeiter sollen nach Angaben von Amazon regulär in dem Verteilzentrum arbeiten, dazu kommen 300 Kurierfahrer. In Spitzenzeiten, wie dem Weihnachtsgeschäft, wird mehr Personal benötigt. Nach Informationen von Nätscher will das Unternehmen dann bis zu 180 Mitarbeiter im Verteilzentrum und bis zu 500 Kurierfahrer einsetzen. "Hier werden eine Menge Arbeitsplätze geschaffen, das war für uns der Hauptbeweggrund, dem zuzustimmen", sagt Nätscher. Das sei auch für die Region in einer Zeit wichtig, in der Arbeitsplätze bei den Automobilzulieferern in Schweinfurt bedroht sind. Die Amazon-Arbeitsplätze liegen überwiegend im Niedriglohnsektor, 20 Arbeitskräfte sind im Managementbereich angesiedelt.

Steuereinnahmen werden die Kommunen in geringem Maß haben, das sei nicht vergleichbar zu einem produzierendem Gewerbe. Nätscher sieht den Vorteil eher darin, dass Amazon "eine Magnetfunktion haben wird". Anknüpfend an den Amazon-Neubau interessiere sich schon jetzt ein weiterer Investor dafür, einen 7000 Quadratmeter großen Bürokomplex zu errichten. "Wir sind froh, dass Amazon kommt", sagt Nätscher. Der Politiker hofft darauf, dass es mit dem Verteilerzentrum gelingen wird, ein Fastfood-Restaurant in dem Gewerbepark anzusiedeln.

Im steigenden Verkehrsaufkommen sieht der Bürgermeister keine Probleme. Der Lieferverkehr verlaufe antizyklisch, das heißt, die Pakete werden nachts zu dem Zentrum geliefert. Morgens, nachdem der Berufsverkehr durchgerollt ist, beginne die Zustellung.

Die Investitionssumme nennen weder Amazon noch Nätscher. Um das Areal zu erschließen, sind noch Arbeiten in Höhe von 600 000 Euro nötig.

"Das ist schön für die Gemeinde. Die Ansiedlung von Arbeitsplätzen war unser Ziel", freut sich Oerlenbachs Bürgermeister Nico Rogge (CSU). Die Ansiedlung sei ein Mehrwert für die Umgebung. Der Betrieb und der Verkehr werde Oerlenbach nicht beeinträchtigen, dafür liege das Gewerbegebiet zu sehr außerhalb.

Kritik an Arbeitsbedingungen

Frank Firsching, DGB-Geschäftsführer für Unterfranken, sieht es ebenfalls positiv, dass Arbeitsplätze entstehen. Weniger positiv sind die Erfahrungen der Gewerkschaften mit dem Handelsriesen. Das US-Unternehmen halte wenig von Mitarbeitermitbestimmung und sperre sich gegen die Gründung von Betriebsräten. Beschäftigte und Gewerkschafter kämpfen regelmäßig für eine Bezahlung nach Tarif. "Das ist bisher noch nicht gelungen. Amazon sperrt sich gegen Tarifverträge", sagt Firsching. In Unterfranken haben die Gewerkschaften noch keine Erfahrungen mit Amazon. Aufgabe müsse es auch hier sein, bessere Bedingungen für die Belegschaft durchzusetzen.