Druckartikel: Als noch Eisen verhüttet wurde

Als noch Eisen verhüttet wurde


Autor: Stephanie Elm

Kothen, Mittwoch, 06. Juli 2016

Geologisch-biologische und kulturhistorische Wanderung führte rund um den Pilsterfelsen.
Ingo Queck (links) und Matthias Elm (5. von links) zeigten den Wanderern die geographisch-biologische-historische Vielfalt rund um den Pilsterfelsen auf. Foto: Stephanie Elm


Der Bund-Naturschutz hat mit einer Führung am Pilsterfelsen einen Bogen gespannt von der Natur zur Natur-Kultur-Landschaft. Geologisch, biologisch und historisch erklärten Biologielehrer und Hobbygeologe Ingo Queck und Heimatforscher Matthias Elm den Landstrich rund um den Pilsterfelsen bei Kothen.
Eine "extrem vulkanische Aktivität" hat es laut Ingo Queck in der Rhön gegeben. Magma durchbrach den Buntsandstein und formten unter anderem den Pilsterfelsen aus basaltähnlichem Basanit. Die Landschaft hob sich um 1000 bis 1500 Meter. Nach Verwitterungsprozessen sticht der Pilsterfelsen nun aus der Landschaft heraus.
Das Laien-Auge sieht scheinbar nackten bloßen Boden, tatsächlich ähnelt der Pilster-Felsen einer "Landkarte des 18. Jahrhunderts", so Ingo Queck. "Jeder Quadratzentimeter ist von einer Flora-Art belegt. Jede Art hat ihren Claim abgesteckt, doch die Kämpfe um mehr Lebensraum gehen ständig weiter." Auf dem Felsen wohnen Flechten, die das kalt-raue Klima der Rhön lieben, neben Flechten, die das von der Sonne aufgewärmte Gestein bevorzugen. Sogenannte Magerkeitszeiger dominieren.


Wer kennt das Zackenmoos?

Johanniskraut und Spitzwegerich kennen alle. In Staunen versetzte Ingo Queck jedoch die Wanderer, als er Pflanzen wie den ausdauernden Knäuel, das graue Zackenmoos oder das haartragende Frauenhaarmoos vorstellte.
Das Wasser des Sauerbrunnens direkt unterhalb des Pilsterfelsens ist laut Ingo Queck ein weiteres "Erbe der geologischen Entwicklung". Auf seinem Weg durch die Gesteinsschichten nimmt es Mineralien auf, die eine Heilwirkung bringen sollen. Inwieweit das "Sauerbrönn-Wasser" mit der Häufung von Zwillingsgeburten in Kothen zusammenhängen soll, bleibt ein ungelöstes Rätsel, genauso wie die weiße Frau aus der Sage rund um den Sauerbrunnen. Dieser war unter König Ludwig I. gefasst worden, "doch war die Quelle schon viel früher, etwa im 16. Jahrhundert, bekannt" berichtet Matthias Elm.


Heilender Sauerbrönn

Das "Sauerbrönn-Wasser" hat nicht allein heilsame Wirkung, auch auf der Trockenwiese nebenan sprießen mehrere Heilpflanzen: Mädesüß, der kleine Baldrian und der Klappertopf. Aber auch der Sumpfhornklee, die Wiesenblatterbse und das wollige Honiggras gedeihen neben vielen anderen Arten auf dem mageren Boden. Diese Diversität ist wegen der hohen Stickstoffsättigung der Luft gefährdet.
Wiederum nebenan liegt eine Feuchtwiese. Auch hier findet der Biologe Ingo Queck ungeahnte Artenvielfalt - Schlangenknöterich, die zarte Binse oder das rote Straußengras - und sagt "Ich möchte mal unterstreichen, was das für 'ne tolle Wiese ist." Im Frühling fand er dort das breitblättrige Knabenkraut, eine Orchideenart, vor. Auch der Wiesenknopf, eine FFH-Art, gedeiht nur auf landwirtschaftlich ungenutztem Boden.


Ehemaliges Wegenetz

Mitten zwischen der Feuchtwiesenflora finden die Wanderer Steinwege, laut Matthias Elm "ein richtiges Wegenetz, das als Ziel den Sauerbrunnen hat". Seit 1850 sind sie in den Katastern zu finden. Sie waren die Verbindungswege zwischen den früheren Dorfteilen Kothens und zeigen, wie wichtig es den Kothener Vorfahren war, trockenen Fußes zum Sauerbrunnen zu gelangen.
Im Tal der kleinen Sinn, erzählte der Hobby-Historiker, war einst ein florierendes Industriegebiet angesiedelt. Im fuldisch-würzburgischen Grenzbereich gab es vom Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche Eisenhütten. Eisenhütten wurden immer in waldreichen Gegenden angesiedelt, erläutert Matthias Elm, da der Rohstoff Holz für dieses Gewerbe am meisten benötigt wurde. Eisen, das zwar auch in der näheren Umgebung wie in Werberg, auf dem Dammersfeld und auf dem Sparhofer Küppel vorkam, konnte leichter als das Brennmaterial herbeigeschafft werden.
Nachdem im 30-jährigen Krieg die Eisenverhüttung komplett zum Erliegen gekommen war, hat Fürstabt Adolph von Dalberg 1730 den Hochofen "am Schmelzhof" plus zwei weiteren Eisenhämmern zwischen Kothen und Speicherz und unterhalb von Speicherz errichtet. Kothen und die "Nachbarorte entlang des Sinntals entwickelten sich zum Industriegebiet", so Matthias Elm.


Frühe Umweltprobleme

Wo Industrie ist, gibt es auch Umweltverschmutzung, auch schon im 18. Jahrhundert. Es ist von Beschwerden die Rede, dass die Eisenverhüttung den Fischbestand in der Sinn dezimiere. Ein Gutachten bestätigte, "dass das Wasser im ganzen Wiesengrund unbrauchbar" war, weiß Matthias Elm aus den Hofkammerprotokollen zu berichten. Durch Abgase hatte sich außerdem eine "klebrige, arsenhaltige Substanz" über die Gegend gelegt. 1772/73 musste die Arbeit in der Eisenhütte endgültig eingestellt werden, denn "der Wald war weg", erzählt Matthias Elm. Der Eisenhammer wurde noch bis circa 1860 weiterbetrieben.
Ein Besuch beim Biber ist am Pilsterfelsen Pflicht. Hier lagert sich Biomasse ab, die im Wasser schlechter abgebaut wird. Das Gebiet könnte sich "niedermoorartig entwickeln", so Ingo Queck. Nach einem Dammbruch in einer Regennacht sank der Wasserpegel um etwa 30 bis 40 Zentimeter. Doch sind bereits die ersten neuen Pflanzen gewachsen. "Wenn wir die Natur sich entwickeln lassen, tun wir vielen Arten etwas Gutes."