Als Bad Kissingen noch sehr mondän war
Autor: Redaktion.
Bad Kissingen, Freitag, 15. August 2014
Die Kurwelt von gestern im "Frühlingsgarten": Das ehemals vornehmste Kissinger Lokal ist ein Beispiel für die Glanzzeit Bad Kissinger Kurgeschichte und zeigt exemplarisch, wie aus der mondänen eine bürgerliche Kur wurde.
Das Hotel Frankenland beherrscht heute hinter der evangelischen Kirche das Bild in der Frühlingstraße in Bad Kissingen. Aber viele Kissinger erinnern sich noch, dass bis 1969 dort zwischen englischem Rasen und gepflegten Wegen zwei Villen standen und davor das Terrassenrestaurant mit dem Blick auf einen Springbrunnen im Schatten alter Bäume: Der "Frühlingsgarten".
Bis in die 1920-er Jahre hinein verkehrten dort die sogenannten "feinen Leute", die sich zum
Fünf-Uhr-Tee trafen, zu dem Tanzkapellen aufspielten. Wenn am Abend glanzvolle Bälle angezeigt waren, verlangte die Geschäftsleitung Abendgarderobe für die große "Reunion" (Wiedersehen), wie man solche Veranstaltungen damals nannte.
Kaffee und Tee im Glassalon
Bescheiden gab sich der Besitzer des Frühlingsgartens noch zur Zeit der Eröffnung im Jahre 1869. M. Melzer, Großvater des späteren Besitzers Karl Linhard, führte eine Pension mit Restauration mit "streng kurgemäßem Mittagstisch". Tagsüber bot man im Garten oder Glassalon Kaffee und Tee, am Abend trafen sich die Gäste zum Wein oder Erlangener Bier. Im Gästebuch des Hauses stand als erster berühmter Gast 1904 der Berliner Maler Adolph von Menzel und der kaiserliche Staatssekretär des auswärtigen Amtes, Alfred von Kiderlen-Wächter. In den 20er Jahren kurte hier Walter Bloem, deutschnationaler Dichter, der den siegreichen Feldzug gegen Frankreich von 1870/71 besungen hatte. Anlässlich eines Flugtages im Jahre 1927 wohnte Ernst Udet im Frühlingsgarten, Flieger-Ass im 1. Weltkrieg.
Nach der Eröffnung des großen Saalbaues im Jahre 1909 begann die Zeit der Künstlerkonzerte, wie man die ersten Schau-Kapellen nannte. So trat zum Beispiel 1912 das Steinke-Quartett vom Restaurant Hiller in Berlin auf. Verständlicherweise bevorzugte Besitzer Linhard Berliner Künstler, da das Gros seiner "feinen" Gäste aus der Reichshauptstadt stammte.
Neue Tänze ... neue Gäste
Mit den 20er Jahren, die man später die "Goldenen" nannte, gelangten laufend neue Tänze aus den USA nach Deutschland. Das frühere Gästepotenzial von Bad Kissingen, Adel und Großbürgertum, war verarmt. Nun zeigten sich überall die Kriegsgewinnler als die Menschen mit Geld. Die neureichen Protze bemühten sich krampfhaft, gebildet und vornehm zu scheinen. Der Frühlingsgarten musste sie erdulden, sonst hätte man bereits um diese Zeit das Haus schließen müssen.
Vom Direktor empfangen
1925 galt als das Jahr wirtschaftlicher Erholung, eine Scheinblüte sorgte für eine Jazzbegeisterung, die von Berlin aus die Provinz überrollte. Eine erste "Original-Neger-Jazzband" und eine erste Revue mit Jazz und Charleston verlangte nach Ähnlichem im Frühlingsgarten. Für die Saison 1925 hatte war im Frühlingsgarten die Wiener Tanzkapelle Feik engagiert worden, um einen Sound zu bringen, den man Jazz nannte. Man legte in jener Zeit großen Wert auf Etikette, vornehm ging es im Frühlingsgarten schon an der Schwelle zum Saal zu. Dort empfing Direktor Bauer persönlich die Gäste und geleitete sie an ihre bestellten Plätze. Neben den neuesten Tanzrhythmen stellte die Wiener Kapelle auch die neuesten Tanzschlager aus der Donaumetropole vor, wie Fred Raymonds "Ich hab das Fräulein Helen baden seh'n".
Heilbad und Luxusbad
Wenn man heute über das Weltbad Kissingen in der Vergangenheitsform spricht, so hat das seine Gründe. Heute fehlen dafür einfach die Voraussetzungen. Es fehlt das Publikum der sogenannten mondänen Welt. Es fehlt ein Hotel, das den internationalen Ansprüchen entspricht. Die Kur-Zeitung vom Mai 1926 gab Antwort auf die Frage "Was wird in Kissingen geboten: Man durfte mit Fug und Recht antworten: Alles!" Neben den Promenade-Konzerten im Kurgarten veranstaltete das Münchener Konzertvereins-Orchester abwechselnd Kammermusikabende im Kleinen Kursaal und Sinfoniekonzerte im Großen Saal im Regentenbau. Außerdem stand der Saal für Tanzabende zur Verfügung, welche die Jazzkapelle Liptay musikalisch begleitete.
Im Kursaal-Restaurant unter den Arkaden unterhielt eine eher konservative Kapelle nachmittags und abends das "reifere" Publikum. Auch im Terrassen-Restaurant Messerschmitt am Kurgarten neben dem Kurhaushotel trat die Jazzkapelle Liptay unter freiem Himmel auf. Im Café-Restaurant Schweizerhaus konnte ein konservatives Publikum täglich Künstlerkonzerte genießen. Außerdem gab es zwei Lokale mit Barbetrieb, die Fürstendiele am Marktplatz (zuletzt als Frankenstube bekannt), wo ein Trio das Publikum unterhielt, während in der Kahlbaumstube (als "Hubers Gute Stube" oder "Franzi" bis heute erhalten geblieben) ein Wiener Schrammel-Duo aufspielte.
Im Kurtheater
Im Gegensatz zu heute, wo sich im Staatlichen Kurtheater nur noch selten der Vorhang hebt, führte die Direktion Otto Reimann mit einem ausgewählten Sommerensemble fast täglich die Großerfolge der damals blühenden Operetten auf. Fieberhaft fahndete die Kurverwaltung nach neuem Gästepotenzial und warb in den Staaten von Mittel- und Südamerika.
Wirtschaftskrise und 3. Reich
Die Weltwirtschaftskrise anfang der 1930-er Jahre, ausgelöst durch den New Yorker Börsenkrach von 1929, hat auch den Kurbetrieb in Bad Kissingen negativ beeinflusst: Die Gästezahlen sanken. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 mied das internationale Publikum die deutschen Badeorte. Zusätzlich schrumpften die Gästezahlen, die der Boykott jüdischer Gäste auslöste. In jener Zeit hat der Frühlingsgarten sein internationales Flair verloren. Spießige Sieg-Heil-Rufer halfen, die Stimmung zu verderben.
Kurz hielt der Frühling Einzug
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 war die Zeit der Großveranstaltungen vorüber. Das einst Lebensfreuede ausstrahlende Haus blieb geschlossen. Erst nach 1945 spielten wieder Kapellen zum Tanz auf, die Bands der Amemrikaner. Im "Officer-Club" amüsierten sich nur Uniformierte mit ihren deutschen Fräuleins, sonst war der Zutritt den Deutschen verboten. Am 9. Mai 1953 öffnete das Haus wieder seine Pforten für deutsche Gäste, aber man musste erkennen, dass die Zeit für anspruchsvolle Treffpunkte im Frühlingsgarten in Bad Kissingen vorüber war.
Jetzt kam die Spielbank
1955 zog die Spielbank in das Haus ein, das Restaurant konnten auch Nichtspieler besuchen. 1968 zog die Spielbank in das Kurpark-Kasino um, das in den Nachkriegsjahren mit einem Varietee-Programm Anschluss an die vergangenen Glanzzeiten gesucht hatte, aber aufgeben musste. 1969 machte die Abrissbirne endgültig Schluss mit der einstigen Pracht in der Frühlingsstraße, ein Stück Geschichte ging.