Alle Wege führen über Kissingen
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
LKR Bad Kissingen, Freitag, 17. Juli 2020
Von der Kurstadt über Hammelburg nach Bad Brückenau bis Motten. Ein Selbstversuch, der mir die Grenzen des ÖPNV im Kreis aufzeigte.
Eigentlich hatte ich vor, Orte im Norden, Süden, Westen und Osten des Landkreises zu erreichen. Doch schon der erste Blick in die App der Deutschen Bahn zeigt, dass ich mein Vorhaben abspecken muss. Bei meinem Zeitkontingent ist nur eine Nord-Süd-Tour realistisch. Der Plan: Von Bad Kissingen nach Hammelburg, von dort nach Bad Brückenau bis nach Motten. Bevor ich aufbreche, überlege ich, ob ich auf der Rücktour über Wildflecken nach Bad Bocklet zurück nach Bad Kissingen fahren kann. Ich bin optimistisch.
Als ich die Redaktion verlasse, ruft mir meine Kollegin nach: "Komm gut wieder. Wenn du irgendwo festhängst, ruf an." So schlimm wird es hoffentlich nicht werden, erwidere ich. Den Kollegen-Notruf will ich nur im äußersten Fall wählen. Die Bahn-App hat mir die Erfurter Bahn EB 50 nach Hammelburg vorgeschlagen. 33 Minuten soll die Fahrt dauern.Vorher besorge ich mir noch ein bisschen Proviant, man weiß ja nie.
Am Bad Kissinger Bahnhof
Etwas gehetzt erreiche ich den Bad Kissinger Bahnhof, zerre noch hastig meine Maske aus dem Rucksack und renne zum Zug. Auf Gleis 3 stehen zwei Waggons. Ich entscheide mich für den hinteren, da ich diesen schneller erreiche. Fast rechne ich damit, dass sich die Tür des Waggons nicht mehr öffnen lässt und der Zug vor meiner Nase wegfährt, aber ich habe Glück.
Als ich auf den Knopf drücke, piept es kurz und die roten Türen des Waggons öffnen sich. Es ist keine Menschenseele im Zug. Das wundert mich nicht. In letzter Zeit habe ich öfter gehört, dass seit Corona die Züge in Bad Kissingen leer bleiben.
Ich lasse mich auf einen Sitz fallen und bin erleichtert: Gerade noch geschafft. Von der Rennerei hat sich Schweiß auf meiner Stirn gebildet. Es ist heiß und ich würde gerne die Maske abziehen, behalte sie aber auf. Der Blick auf die Uhr zeigt: Die Abfahrt des Zuges verzögert sich um zwei Minuten. Komisch.
Niemand im Zug
Ich lasse meinen Rucksack auf dem Sitzplatz liegen - klaut ja jetzt eh keiner - und laufe nach vorne. Als ich beim Führerhäuschen bin, traue ich meinen Augen kaum. Gerade eben stand hier noch ein Waggon. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Der erste Zugteil ist losgefahren, während der zweite Teil mit mir einfach auf dem Gleis stehengeblieben ist.
Ohne Hinweise abgekoppelt
Etwas fassungslos darüber, dass es keine Hinweise gab, dass der zweite Zugteil abgekoppelt wird, suche ich nach einer neuen Möglichkeit nach Hammelburg zu kommen. Als ich aus der Bahn steige, solidarisieren sich sofort zwei Reisende aus Thüringen, die die Szene beobachtet haben: "Das hätte uns auch passieren können", sagen sie schon fast tröstend. Ich lasse kurz Dampf ab, aber ihre nette Art heitert mich direkt wieder auf.