Druckartikel: Ärgern über alles und jeden

Ärgern über alles und jeden


Autor: Klaus Werner

Garitz, Sonntag, 26. Oktober 2014

Michl Müller trat in Garitz zum Heimspiel an. Ein geheimnis seines Erfolges ist, dass er es versteht, den Leuten aufs Maul schaut.
In Garitz sorgte Michl Müller für eine volle Turnhalle. Foto: Klaus Werner


"Garitz - Traum meiner schlaflosen Nächte" - dieser Satz genügte, und der Komödiant Michl Müller hatte die 500 Gäste in der Turnhalle seiner Heimatgemeinde auf seiner Seite. In dieser Halle hatte er bei Elferratssitzungen den Grundstock seiner Karriere gelegt, die auf einem vorläufigen Höhepunkt angekommen ist - wie die Professionalität seines Auftritts und des Drumherum bewiesen.

"Noch viele Garitzer hätten gerne eine Karte

gewollt", verkündete Georg Riedmann vom gastgebenden Gesangverein zur Begrüßung, "doch die Halle hat ihre Grenzen." Generationenübergreifend saßen die Glücklichen in Reihenbestuhlung und warteten auf "ihren Michl", der mit seinen ersten Satz - siehe oben - einen wahren Begeisterungssturm auslöste. Garitz und die Stadt sind in seinem Programm "Einfahrt freihalten" eigentlich nicht vorgesehen, aber immer nutzte er ein Stichwort für einen Seitenhieb - so die Altersteilzeit-Debatte - oder eine kurze Anekdote - so aus seiner Kindergartenzeit, wo "Mother of the pinguins" (Ordensschwestern) als "Kindergärtnerinnen" fungierten.

Ansonsten hielt er den bewährten Aufbau ein, der mit einem allgemeinen Teil begann, worin er seine Sicht der Dinge in Bezug auf Klimaziele, Kürbiskern-Suppe, Referendum Schottland mit Auswirkung auf Franken, Helene Fischer, die Fußball-WM mit Rücktritt von Philipp Lahm, Erdogan, Kates Schwangerschaft, Haubitzen-Uschi (von der Leyhen), Modell-Auto-Affäre (Haderthauer), AFD, ADAC und den Federweißen im Minutentakt preisgab.

"Da könnt' ich mich scho wieder aufrech'" - so könnte der Untertitel zu Michl Müllers Programm lauten, denn sein thematischer Schwerpunkt liegt beim Aufregen, beim sich ärgern über alles und jeden. Er schaut den Leuten aufs Maul. Aufgeregt wird sich über Parksünder, militante Rentner als Verkehrswächter, Putin als Smoothie-Trinker, der sich mit seiner Blockade-Politik beim Obst selbst schadet oder Bushido-Anhänger mit Hosen auf Halbmast, deren "Hey Alter-Slang" so wunderbar zu ihrem Cruisen-Verhalten als "Verkehrshindernis" passt.


Florett und Fallbeil

Mal bleibt Michl Müller bei plakativen Stichworten oder zynischen Bemerkungen, gelegentlich geht er tiefer in die Thematik - so bei seinen ökologischen Zweifeln, die sich auf eine "Bio-Ananas aus Costa Rica" beziehen. Dafür gebraucht Michl Müller dann Volkes derbe Wortwahl, die er mit entsprechender Grimasse unterlegt. Seltener nutzt er das Florett für seine satirischen Spitzen, eher schon das Schwert und gelegentlich das Fallbeil, wenn er ein Urteil über Ärzte, Piloten, die Gerichtssprecherin zum Hoeneß-Prozess oder Romantikhotels als Abriss-Burg in der Pampa fällt.

Auch im neuen Programm setzt er gezielt Alltagsszenen um, in denen sich der Zuschauer wieder erkennt, wo er mitreden kann. Beispielsweise beim Thema "KiTa", weil es besser für die Bildung der Kinder ist, schon mit Vier die Wurzel aus 39 ziehen können, oder beim Thema "versexte Gesellschaft", wo die Tupper-Partys dank fünf Gläschen Sekt zu Dessous- Partys werden und der Dildo für einen Pürier-Stab gehalten wird.

Dem grassierenden IPad-Wahnsinn widmet Michl Müller einen Großteil des zweiten Teil seines Programms, in dem er auch Holger und Frank als Alter Ego auferstehen lässt. Genussvoll zelebriert er, wie mittlerweile über dieses kleine technische Wunderwerk mit APPs, Bewertungsportalen und Buchungsmöglichkeiten unserer Leben beeinflusst wird. Dabei kommt auch die ganze Schizophrenie zum Ausdruck, wenn Frank im Wartezimmer eines Arztes mit "www.krankheitsfinder.de" ein indisches Sumpffieber diagnostiziert und das gepostete Foto des "Wartezimmer-Patienten" auf Facebook innerhalb von Minuten 837 Freunde mit "Gefällt mir" hat.

Eingeflochten in den zweieinhalbstündigen Auftritt sind neue Lieder, die Michl Müller zwar als "Protest-Songs" entsprechend seinem Motto "Man muss sich aufregen" ankündigt. Herausgekommen sind aber Mitklatsch-Stücke nach dem Stil von Santiano, von Andrea Berg oder im Reggae-Style, die sich mal mit Ingwer-Reibe, mal mit Zwieblplootz und Federweißer, mal mit schönen Menschen, mal mit dem späten Hunger und letztlich mit der Erkenntnis auseinander setzen: "Das war wieder kein Protest-Lied wie von Konstantin Wecker."