Abenteuer, Musik und Geschichte
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Montag, 13. Juni 2016
Ein vielfältiges Programm lockt viele hundert Besucher zum Tag der offenen Tür in die Bildungsstätte.
Als Monsignore Dieter Olbrich, Visitator der Deutschen Bischofskonferenz, gemeinsam mit Pfarrerin Christel Melbert das Haus segnet und reichlich Weihwasser verwendet, hofft er, "dass diese Tropfen die letzten für den heutigen Festtag sein mögen". Er sollte recht behalten und so finden neben den fast 500 Tagungsteilnehmern auch sehr viele Besucher aus der Region den Weg hinauf ins Heiligenfeld.
Es liegt also nicht nur am berühmten -und heute kostenlose- Heiligenhofer Gulasch, wie Altstadtrat Alfred Wacker vermutet, dass die Plätze auf den Rasenflächen rund um das Haupthaus heiß begehrt sind. Volker Mock aus Bad Kissingen: "wollte einfach mal sehen, was da denn so alles geboten wird. Das ist ja toll!"
Das Haupthaus wirkt wie ein repräsentatives Kolonialhaus aus den Südstaaten Amerikas, fast eine Filmkulisse. Es ist eine eigene kleine Welt rund um Bildung und Erlebnis "und wirkt doch so einladend und offen", stellt Diakon Christoph Glaser fest. Der Strom der Neugierigen, die Haus, Zimmer, Seminarräume und Einrichtungen sehen und das vielfältige Programm erleben wollen, reißt den ganzen Tag nicht ab.
Böhmisch-mährische Musik der Egerländer Familienmusik Hess erinnert an die gute alte Zeit, als Böhmen noch bei Österreich und Breslau eine der führenden Musikstädte Europas war. Derweil können sich die Kinder an der Hüpfburg vergnügen oder im Bogenschießen üben. Überhaupt ist das sechs Hektar große Areal wie gemacht, Abenteuer zu erleben. Die Kooperation des Heiligenhofs mit den Spezialisten für Erlebnispädagogie vom "Learning Campus" des Stephan Müller und seinem Team hat dem Haus neue Zielgruppen gebracht. Der Geschäftsführer des Campus hat die Prominenz zur Einweihung einer zweiten Großschaukel in den Klettergarten gebeten. Dort zeigen die Helfer, wie Grenzüberschreitendes Tun und Perspektivwechsel zu neuen Denk- und Handlungsmustern führen können. Das Angebot, im Seil zwischen Baumwipfeln durch die Luft zu schwingen, lehnten aber Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Oberbürgermeister Kay Blankenburg, Bezirksrätin Karin Renner und Landrat Thomas Bold leider ab. Man sah die Ehrengäste dann später zusammen mit MdL Sandro Kirchner, Kurdirektor Frank Oette und Heiligenhof-Geschäftsführer Steffen Hörtler beim "Smalltalk mit Gulasch". Sie beobachten, wie der zehnjährige Cedric an der Homo-Pfiffikus-Station zum Erforscher von Naturgesetzen wird. Er pumpt solange Luft in eine halb mit Wasser gefüllte Plastikflasche, bis das Geschoß durch den Überdruck bis zu 20 Meter weit fliegt.
Die Plätze im großen Seminarraum reichen nicht aus, als Dr. Marco Bogade von der Akademie Mitteleuropa über "Kunst und Macht-Macht durch Kunst" referiert. Ein Vortrag zur deutsch-tschechischen Vergangenheit am Beispiel Kaiser Karls IV., zu dessen 700. Geburtstag die bayerisch-tschechische Landesausstellung in Prag und ab 20. Oktober in Nürnberg veranstaltet wird.
Nicht ganz so ernst, aber durchaus auch anspruchsvoll ging's einen Seminarraum weiter zu, wo Iris Marie Kotzian, begleitet am Klavier von Christoph Weber, die Zuhörer auf eine musikalische Reise mit Liedern von Edmund Nick und Erich Kästner aus der Zeit vor 1930 schickten, als Kästner und Nick die Breslauer Radiohörer mit frechen, aber auch bissigen Liedern und Chansons unterhielten. Ganz überzeugend brachte die Sopranistin das Publikum mit dem Spielzeuglied, im Vorkriegskinderwagen sitzend, zum Schmunzeln und mitsingen.
Die Lebensumstände der damaligen Zeit fanden sich in den Begleittexten, die Dr. Ortfried Kotzian beisteuerte. Hintersinnig, lehrreich und doch äußerst amüsant, wie Steffen Hörtler treffend formulierte. Reichen Beifalls gab's für diese deutsch-tschechische Reminiszenz an die Zeit zwischen den Weltkriegen.
Einen noch größeren Bogen schlägt Dr. Edith Kiesewetter-Giese beim Heiligenhof-Gespräch, das zu einer eindringlichen mährisch-deutsche Lebensgeschichte wird. Die Autorin, aufgewachsen im Sudetenland, vertrieben in die DDR, lebt in Berlin und sieht Flucht und Vertreibung als lebenslange Bürde. Der Tag der offenen Tür im Heiligenhof hat viele Facetten.