30 Jahre Lindenstraße - wer verpasst keine Folge?
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Montag, 07. Dezember 2015
Heute vor 30 Jahren lief sie zum ersten Mal - die "Lindenstraße". Wie kommt's, dass sich die Serie so lange hält, und wer aus dem Landkreis verpasst nie eine Folge?
Was haben Arnshausen, Schönderling, Nickersfelden und Wollbach gemeinsam? Überall dort leben Menschen mit einer Adresse, die zum TV-Schlager wurde. Sonntags um zehn vor sieben haben durchschnittlich zweieinhalb Millionen ein Date mit Mutter Beimer und Co. Am 8. Dezember vor genau 30 Jahren lief die Fernsehserie "Lindenstraße" zum ersten Mal in den Wohnzimmern. Seitdem lassen sich die Schauspieler für die Kamera in die Töpfe schauen.
Auf der Mattscheibe wird geheult und gelacht, gestorben und geheiratet wie im echten Leben - oder so ähnlich. Was lockt die Leute seit drei Jahrzehnten jeden Sonntagabend vor die Flimmerkiste, und wer guckt eigentlich?
Man sollte meinen, wer im Landkreis in der "Lindenstraße" lebt, der hat schon von Natur aus eine Verbindung zur gleichnamigen Sendung. Weit gefehlt! Stichprobenartig geprüft, haben sich keine derartigen Parallelen beweisen können. Extreme schon gar nicht. Wie etwa von Menschen, die ihre Liebe zu den Serienhelden mit ihrer Adresse zum Ausdruck bringen wollen. Anders sieht es in der Denkmalstraße in Mitgenfeld aus.
"Wie aus dem Leben gegriffen"
Wenn Sonntagabend das Telefon schellt oder es an der Tür klingelt, macht sich Inge Morschhäuser schon mal "unsichtbar". "Es kommt aber selten vor, dass ich gestört werde", sagt sie.
Seit Anfang an fiebert und leidet sie an der Seite der Schauspieler. "Die Folgen enden immer spannend, und ich will natürlich wissen, wie es weitergeht." Nur im Sommer, wenn sie noch im Garten beschäftigt ist, kann der Termin am Sonntagabend mal ausfallen. Woher ihre Begeisterung kommt? Die Szenen der Serie sind "wie aus dem Leben gegriffen", sagt sie.
"Es läuft nicht nur auf dem Sonnenschein-Level." "Die Geschichte ist das Leben von uns allen", sagt Hartmut Reuter aus Singenrain. Die Serie lief noch nicht lange, da entdeckte er sie für sich. Er ist ihr - mit Unterbrechungen - bis heute treu geblieben. Meistens schaut er allein, manchmal mit seiner Frau. Er hat es nicht gerne, wenn er während der halben Stunde gestört wird. Das spannende Ende wirkt auch bei ihm: Oft diskutiert er am Tag danach mit seinen Arbeitskollegen, wie die Geschichte wohl weitergeht.
Anne Maar, Leiterin des Theater Maßbach, hat noch keine einzige der 1559 Folgen der "Lindenstraße" gesehen. Serien ja, deutsche eher weniger und solch kurzweilige schon gar nicht. Für sie dürfen es gerne "epische Geschichten" sein - dann aber auf DVD, einen Fernseher hat sie nämlich nicht. Was aber ist anders an der Schauspielerei fürs Theater und an der fürs Fernsehen? "Es ist ein großer Unterschied. Für das Theater erarbeiten sich die Schauspieler ein Stück über sechs Wochen. Bei den Aufführungen stehen sie jedes Mal vor einem anderen Publikum", sagt die Theaterleiterin.
Ganz anders als bei Produktionen für den Film oder Serien: "Da fehlt der Probenprozess." Es wird nicht chronologisch gedreht. Einzelne Sequenzen werden erst im Schnittraum zum fertigen Stück. "Beim Film ist es sehr viel technischer." Immer wieder wird umgebaut. Licht, Ton - während der Aufnahmen müssen die Schauspieler warten. Und am Ende fehle die direkte Verbindung zu den Zuschauern, meint Anne Maar. Es gebe Darsteller, die beides können. Theater und Film. Viele können sich auf der jeweils anderen Bühne besser in Szene setzen.
Für Jens Müller-Rastede kam die Anfrage für eine Rolle in der Fernsehserie zum falschen Zeitpunkt. Damals - Ende der 80er-Jahre - hatte er Engagements an Theatern: "Es ging zeitlich nicht." Bereut hat er seine Absage nie, sagt er. 40 Jahre stand er als Schauspieler auf den Bühnen in Köln, Düsseldorf, Coburg und Ingolstadt. Heute lebt er in Münnerstadt. Die Live-Folge am Sonntagabend fand er "interessant": "Man merkte die Anspannung, wie im Theater." Obwohl er die Darsteller eher so "na ja" und "durchwachsen" findet. Den Erfolg der Serie knüpft er auch daran, dass immer wieder politische und aktuelle Themen eingeflochten werden. Das verleihe zusätzlich einen "reellen Touch", meint Inge Morschhäuser. Für den Serienfan der wichtigste Faktor. Würden die Handlungen oberflächlich und primitiv, würde sie wohl nicht mehr einschalten.
Bis Ende 2016 ist die Produktion der beliebten Fernsehserie gesichert. Im kommenden Jahr entscheidet die ARD über eine Fortsetzung.