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12 447 Waffen sind im Kreis Bad Kissingen in Umlauf


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Mittwoch, 13. Januar 2016

Beim Landratsamt sind 2603 Waffenbesitzer registriert. Sie werden regelmäßig kontrolliert, Verstöße gibt es nur selten. Zudem tauchen auch immer wieder illegale Waffen auf.
Ein Büchsenmacher beim Einstellen des Visiers. Foto: Robert Huger/Archiv


Der Fall der elfjährigen Janina, die im Landkreis Haßberge in der Silvesternacht starb, lenkt den Blick der Öffentlichkeit auch auf Schusswaffen: 12 447 davon sind im Landkreis ganz legal in Umlauf, die Dienstwaffen von Polizei und Bundeswehr gar nicht eingerechnet. Daneben gibt es eine Dunkelziffer, die Experten ebenfalls hoch einschätzen. Dass es auch illegale Waffen im Landkreis gibt, zeigt die Zahl der abgegebenen Waffen: 431 gingen in den vergangenen vier Jahren ans Landratsamt zurück, davon waren 68 nicht registriert.
Nach dem Amoklauf im baden-württembergischen Winnenden 2009 gab es eine Amnestie: Privatpersonen konnten bayernweit straffrei illegale Waffen und Munition abgeben. Im Landkreis Bad Kissingen wurden damals mehr als 600 illegale Schusswaffen zu Polizei und Landratsamt gebracht. 2013 und 2015 wurden jeweils 27 illegale Waffen abgegeben, 2014 waren es 14. "Wer illegale Waffen aus seinem eigenen Besitz abgibt, kann derzeit nicht mit Straffreiheit rechnen", stellt Klaus Plescher, Sachgebietsleiter für Sicherheit und Ordnung beim Landratsamt klar.


Neue Regeln beim Vererben

"Tendenziell ist festzustellen, dass die Zahl der Waffenbesitzer langsam aber stetig abnimmt", sagt Plescher zudem: 2013 wurden zwar 93 Waffenbesitzkarten (WBK) ausgegeben und nur 46 zurückgegeben, 2014 standen dann aber 72 erteilte WBK 133 Rückläufern und im vergangenen Jahr 94 neue WBK sogar 159 zurückgegebenen WBK und Waffenscheinen gegenüber. Das liegt auch daran, dass Altbesitzer seit 2008 Waffen nicht ohne Weiteres weitervererben dürfen. Die Erben müssen die Waffen abgeben oder blockieren lassen. "Die Kosten für das Blockieren übersteigen aber oft den Wert der Waffen", erläutert Plescher.
Dass viele illegale Waffen im Umlauf sind, zeigt auch ein Zufallsfund im November in der Gemeinde Wartmannsroth: Bei einer Wohnungsräumung stellte die Polizei insgesamt 48 Gewehre, 23 Pistolen und ein G3-Sturmgewehr sicher. Der Besitzer hatte zwar eine Waffenbesitzkarte, aber das funktionsfähige Sturmgewehr unterlag sogar dem Kriegswaffenkontrollgesetz.


Unangemeldete Kontrollen

Ob legal oder illegal: Der Polizei ist jede Waffe zu viel. "Das macht einem schon Sorge", kommentiert Stefan Haschke, Leiter der Bad Kissinger Polizei, die Zahl der Waffen im Landkreis, und: "Die Vergangenheit hat ja auch gezeigt, dass viele Amokläufe mit legalen Waffen verübt wurden." Umso wichtiger sei, dass die Waffen vorschriftsgemäß aufbewahrt werden und nicht in die falschen Hände geraten.
Das prüft auch das Landratsamt regelmäßig: 289 Kontrollversuche gab es 2013, 534 im Jahr 2014 und 269 im Jahr 2015. "Wir kommen grundsätzlich unangemeldet", sagt Plescher, "entsprechend stehen wir auch oft vor verschlossenen Türen." Allerdings sind die Beamten in mehr als der Hälfte der Versuche erfolgreich und nehmen Waffen- und Munitionsaufbewahrung unter die Lupe. Meistens gab es keine Beanstandungen, allerdings wurden 2013 fünf, 2014 dann 28 und im vergangenen Jahr 15 geringe Verstöße festgestellt. 2014 und 2015 leitete die Behörde sogar je ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein.

Neben den 12 447 legalen und der unbekannten Zahl an illegalen Waffen gibt es im Landkreis auch noch jede Menge Dienstwaffen: "Polizisten und Justizbeamte haben eine eigene Waffenbehörde", verweist Burkard Weber vom Landratsamt Bad Kissingen darauf, dass er zur Zahl der Waffen dort keine Aussage machen kann. "Jeder Polizeibeamte hat eine ihm zugeteilte Waffe", berichtet ein Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. Wie viele das in den drei Polizeiinspektionen des Landkreises sind und wie viele es darüber hinaus gibt, werde jedoch nicht veröffentlicht. Auch die Bundeswehr schweigt sich über die Zahl der Waffen an den Standorten Hammelburg und Wildflecken aus.
"Natürlich verfügen beide Standorte über Handwaffen, Gewehre und Kriegswaffen, aber zur Zahl nehmen wir keine Stellung", sagt ein Sprecher aus dem Kommando Heer. Das sei für Zivilisten auch gar nicht wichtig, denn: "Scharf geschossen wird nur auf der Schießbahn." Außerhalb von Truppenübungsplätzen und Kasernen hätten Waffen so gut wie nie etwas verloren. Lediglich Feldjäger und Soldaten mit hoheitlichen Aufgaben oder einem Sicherheitsauftrag dürften geladene Waffen tragen. Ansonsten stehe die Sicherheit an oberster Stelle: Die Waffenkammer gebe die Waffen erst vor dem Schießen aus und sammle sie danach wieder ein. Die Munition werde - auch zu Manövern - grundsätzlich getrennt von den ungeladenen Waffen transportiert. "Bei frei laufenden Manövern verwenden wir nur Übungsmunition, also Platzpatronen."
Bei der Polizei ist das anders: "Die Dienstwaffe darf grundsätzlich auch außerhalb des Dienstes geführt werden", sagt ein Sprecher des Präsidiums Unterfranken. Zudem darf sich jeder Beamte eine private Schusswaffe beschaffen. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Unterfranken sind dazu aktuell 441 Ersatzbescheinigungen ausgestellt. In seiner Freizeit muss sich jeder Polizist wie alle anderen Waffenbesitzer an das Waffengesetz halten, insbesondere muss die Waffe ordnungsgemäß verwahrt werden.


Regelmäßige Schulungen

Polizeiliche Schusswaffen seien allerdings nicht alle bereits "beschossen", es gebe also nicht zu jeder Waffe ein Vergleichsprojektil. "Soweit im Einzelfall ein Abgleich von Waffe und Projektil notwendig ist, erfolgt dieser im Rahmen der gegebenenfalls zu führenden Ermittlungen", stellt ein Sprecher der unterfränkischen Polizei - auch im Fall der getöteten Janina - fest.
"Beamte werden regelmäßig im Umgang mit der Dienstwaffe geschult", berichtet der Bad Kissinger Dienststellenleiter Stefan Haschke, "zum einen das Schießen, zum anderen der sichere Umgang". Mit Ausnahme von repräsentativen Terminen haben Polizisten im Außendienst immer ihre Waffe dabei. Aber: "Der Waffengebrauch muss natürlich immer die letzte Option sein", verweist Haschke auf die Vorgabe, dass nur geschossen werden darf, um Verbrechen zu verhindern oder das eigene Leben zu schützen.


Besitzkarte kann schnell weg sein

Wichtig ist Haschke, dass es erst gar nicht zu gefährlichen Situationen kommt. Selbst mit Schreckschuss-Pistolen habe es schon brenzlige Situationen gegeben: Im vergangenen Jahr stellte sich erst nach einem Warnschuss heraus, dass die Pistole des Gegenübers harmlos war. Und: "Wenn die Zuverlässigkeit eines Waffenbesitzers in Frage steht, leiten wir sofort ein Verfahren ein." Etwa bei Alkohol-Sucht oder bei extremistischen Äußerungen im Internet kann die Waffenbesitzkarte also schnell verloren gehen. "Das ist in unserem ureigensten Interesse", begründet Haschke dieses Vorgehen.

Definition Wer sich eine Waffe kaufen möchte oder erbt, benötigt eine Waffenbesitzkarte (WBK). Sie berechtigt meist auch zur Benutzung in bestimmten Situationen, etwa auf dem Sport-Schießstand oder zur Jagd. Dorthin müssen die Waffen - mit Ausnahme der Jäger - in geschlossenen Behältern und ungeladen transportiert werden. Wer dagegen eine Waffe in der Öffentlich führen will, benötigt einen Waffenschein. Beides gibt das Landratsamt aus.

Waffenscheine Das Landratsamt Bad Kissingen hat 337 so genannte kleine Waffenscheine ausgegeben, die zum Führen einer Signal-, Reizstoff- oder Schreckschuss-Waffe berechtigt. Einen großen Waffenschein haben im Kreis 112 Personen, vorwiegend Mitarbeiter von Sicherheits- oder Geldtransport-Firmen.

Besitz Das Landratsamt hat aktuell 2603 Waffenbesitzkarten ausgegeben und 12 447 Waffen registriert: 9005 Langwaffen (meist Gewehre) und 3442 Kurzwaffen (Revolver und Pistolen). Die 1120 so genannten Altbesitzer haben 1166 Kurz- und 2396 Langwaffen, die 781 Jäger 772 Kurz- und 4273 Langwaffen, die 649 Sportschützen 1178 Kurz- und 1981 Langwaffen und die elf Sammler 101 Kurz- und 281 Langwaffen. Zwei Sachverständige bringen es auf 34 Kurz- und acht Langwaffen, die zwölf Schützenvereine haben sich 57 Kurz- und 66 Langwaffen angeschafft und drei Sicherheitsfirmen 116 Kurzwaffen. Zudem gibt es 18 Pistolen für Leuchtmunition, etwa für Segler.

Alter Wer einen Waffenschein oder eine Waffenbesitzkarte beantragen will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Sportschützen, die Großkaliber schießen wollen, müssen sogar 21 Jahre als sei und mindestens ein Jahr praktische Erfahrung vorweisen.

Bedingungen Zudem müssen Zuverlässigkeit, Sachkunde und persönliche Eignung belegt werden. Ausschlusskriterien sind etwa psychische Erkrankungen oder Zugehörigkeit zu extremistischen Vereinigungen. Zur Sicherheit werden regelmäßig das Bundeszentralregister sowie staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister und Polizei-Daten abgefragt.

Nachweise Jäger benötigen einen gültigen Jagdschein. Sportschützen benötigen die Bestätigung eines Vereins. Wer einen Waffenschein möchte, muss dazu den Bedarf nachweisen, Beispiele sind Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen, Juweliere oder bedrohte Personen.

Info Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.landkreis-badkissingen.de/buerger-politik/buergerservice/fachbereiche/sicherheit-und/waffen