110-Millionen-Projekt im Roßbacher Forst?
Autor: Ulrike Müller
Bad Kissingen, Donnerstag, 06. Juni 2013
Die Diskussion um Windkraft in der Rhön ist lang und zäh. Nun stellte das Unternehmen "Windkraft Bayern" ein Großprojekt im Landratsamt vor. An der Entscheidung der Kreisräte hängt die Zukunft des Windparks.
Es ist ein unscheinbarer Höhenzug, aber er liegt günstig. Sehr günstig für die Firma "Windkraft Bayern", die große Pläne für den Roßbacher Forst hat. Im etwa 940 Hektar großen Waldgebiet zwischen Roßbach und Heiligkreuz soll ein Windpark entstehen, in dem Windenergie in Bahnstrom umgewandelt und direkt ins Freileitungsnetz der Deutschen Bahn eingespeist wird. 110 Millionen Euro kostet das Pilotprojekt.
Gestern wurden die Pläne erstmals öffentlich vorgestellt: im Ausschuss für Umwelt und Wirtschaft des Kreistags.
Und genau darum geht es: Um das Verhältnis von Wirtschaft und Umwelt. Landrat Thomas Bold (CSU) sieht eine große Chance, im Roßbacher Forst einen Konzentrations-Standort für Windkraft in der Rhön zu schaffen. Das Problem ist nur, dass der Roßbacher Forst im Landschaftsschutzgebiet (LSG) "Bayerische Rhön" liegt. Der Bau von Windrädern ist also nicht möglich. Es sei denn, der Kreistag beschließt, die Grenzen des LSGs zu ändern.
Der Forst liegt günstig
Und genau dafür setzte sich Norman Petersohn, Geschäftsführer der "Windkraft Bayern", bei den Kreisräten ein. "Strom aus Wasserkraftwerken wird schon seit hundert Jahren ins Bahnnetz eingespeist", erklärte er die Herangehensweise seines Unternehmens. Auf dem Weg zur Energiewende habe man also überlegt, auch Windkraft einzuspeisen und die bestehende Infrastruktur an Stromleitungen zu nutzen. Der Roßbacher Forst ist da perfekt, denn keine fünf Kilometer entfernt liegt die ICE-Trasse Hannover - Würzburg. Unmittelbar daneben verläuft eine Bahnstromleitung, in die die umgewandelte Energie dann eingespeist werden könnte.
Und noch einen Vorteil hat das Projekt: Weil die "Deutsche Bahn" als fester Vertragspartner mit im Boot sitzt, sei man sowohl von der Strompreisentwicklung an der Leipziger Strommesse als auch vom Gesetz über erneuerbare Energien und eventuellen Subventionen unabhängig, führte Petersohn aus. Auch Michael Schenk, zuständig für Großkunden wie die Bahn bei "Siemens", warb um Unterstützung. "Für uns macht dieses Projekt sehr viel Sinn", sagte Schenk.
Robert Römmelt (SPD), der Bürgermeister von Riedenberg und Vorkämpfer für eigene Standorte für Windkraftanlagen in der Brückenauer Rhönallianz, bat die Kreisräte darum, auch dieses Vorhaben in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Roland Limpert (Freie Wähler), der als zweiter Bürgermeister von Zeitlofs in Vertretung für Wilhelm Friedrich da war, setzte sich ausdrücklich für das Projekt ein: "Der Investor ist bereit, Bürgerbeteiligung über Fonds möglich zu machen."
Lutz Freiherr von Thüngen, dessen Familie ein ordentliches Stück des Roßbacher Forstes gehört, bestätigte dies gegenüber der Saale-Zeitung. "Schon jetzt ist vertraglich festgelegt, dass eine Bürgerbeteiligung möglich ist", sagte von Thüngen, der selbst als Kreistagsmitglied (FDP) im Wirtschafts- und Umweltausschuss sitzt.
Erstes Signal ist positiv
Nach langer Diskussion zeigte das Gremium vorsichtige Sympathie für das Projekt. Es ist ein Signal und kein rechtskräftiger Beschluss. Der Wirtschafts- und Umweltausschuss des Kreistags kann sich eine Änderung der Grenzen des Naturschutzgebietes bei Roßbach vorstellen - wenn die Naturschutzbelange erfüllt sind. Außerdem dürfen damit andere Windkraftprojekte nicht gefährdet werden. Diese Entscheidung, ein Stimmungsbild, ist mit zwölf gegen drei Stimmen aus der SPD gefallen.
Vorausgegangen war eine ausführliche Diskussion mit mehrfachem Meinungsaustausch und nicht immer zielführenden Beiträgen. Monika Horcher (Grüne/ BfU) stellte schließlich - "wir sollten nicht noch eine Stunde herumkaspern" - einen Antrag zur Geschäftsordnung. Damit wurde deutlich, dass das Gremium dem Projekt im Prinzip aufgeschlossen gegenübersteht.
Regierungsrat Thomas Schoenwald hatte die komplexe rechtliche Lage erörtert. Eine Zustimmung dürfe kein Einstieg sein, das Landschaftsschutzgebiet auszuhöhlen. Landrat Bold verwies auf Studien, nach denen der naturnahe Tourismus um bis zu 26 Prozent zurückgehen könnte, wenn Windräder in der Rhön stünden. Eine solche Einstellung könne sich auch ändern, meinte Alfred Schrenk (SPD), Bürgermeister von Wildflecken. Die Entfernung von 800 Metern zur Wohnbebauung sei ihm "viel zu gering", sagte Wolfgang Back (CSU): "Unser Kapital ist die Natur und die Landschaft." Er warnte davor, einen Präzedenzfall zu schaffen.
Petersohn zeigte sich nach der Sitzung zufrieden. Als Projektentwickler wünsche er sich natürlich ein klares Bekenntnis, er freue sich aber über das positive Signal. "Wir wissen ja aus der Erfahrung, dass politische Entscheidungen lange dauern."
Zahlen und Fakten zum Windpark
Pilotprojekt Mit dem geplanten Windpark im Roßbacher Forst betritt das Unternehmen "Windkraft Bayern" Neuland. Die Windenergie soll in Bahnstrom umgewandelt und direkt in das Freileitungsnetz der Deutschen Bahn eingespeist werden. Bisher wird in Deutschland kein Strom aus Windkraftanlagen ins Bahnnetz eingespeist. Insgesamt sollen 110 Millionen Euro investiert werden.
Technische Daten Auf einer Fläche von etwa 940 Hektar sind mehrere Windräder geplant. Eine genaue Zahl wurde bisher noch nicht genannt. Die Windräder reichen rund 200 Meter in den Himmel. Die Nabe befindet sich auf 140 Metern Höhe. Wenn der Windpark einmal steht, soll er eine Leistung von 54 Megawatt bringen.
Unternehmen Die Gesellschafter von "Windkraft Bayern" sind "DEIG Energietechnik-Insumma" aus Berlin, "Renergiepartner" mit Sitz in Eberswalde und "WV Energie" aus Frankfurt/Main. "Windkraft Bayern" hat seinen Sitz in Trostberg in Oberbayern. In Sachen Roßbacher Forst arbeitet das Unternehmen mit "Siemens" und der "Deutschen Bahn" zusammen.