Druckartikel: 110 junge Lehrer müssen nach Oberbayern pendeln

110 junge Lehrer müssen nach Oberbayern pendeln


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Mittwoch, 22. Januar 2014

Lehrer und Politiker kritisieren das Besetzungskarussell an Schulen: Während Grund- und Mittelschullehrer nach Oberbayern fahren, werden mit Aushilfen Löcher gestopft.
Die Szene ist zwar gestellt, aber hat einen durchaus realen Hintergrund: Auch aus dem Landkreis müssen immer wieder junge, gut ausgebildete Lehrer den Weg nach Oberbayern oder Hessen antreten, weil es in Unterfranken deutlich weniger Planstellen als Hochschul-Absolventen gibt. Foto: Ralf Ruppert


Laura A. (Name von der Redaktion geändert) versteht die Welt nicht mehr: "Es ist mir unverständlich, dass man einen guten bis sehr guten Abschluss hat, sich anstrengt und einbringen will, aber nicht in Unterfranken eingesetzt werden kann."

Die junge Frau ist Anfang 30, stammt aus der Region und arbeitet als Lehrerin in Oberbayern. Wie ihr geht es vielen: 110 ausgebildete Grund- und Mittelschullehrer aus Unterfranken pendeln in diesem Schuljahr nach Oberbayern, weitere zehn nach Mittelfranken. Das Merkwürdige: Gleichzeitig sind 54 Realschul- und Gymnasial-Lehrer an unterfränkischen Grund-, Mittel- oder Förderschulen eingesetzt.


"Das versteht kein Bürger"

Auch Anja Tobisch, die Kreisvorsitzende beim Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrer-Verband (BLLV), nimmt kein Blatt vor den Mund: "Ohne den Einsatz arbeitsloser Realschul- und Gymnasial-Lehrer müsste man sogar von einem katastrophalen Zustand sprechen", kommentiert sie die Situation. Und auch der Freie-Wähler-Landtagsabgeordnete Günter Felbinger spricht von einer "unkoordinierten Karussellfahrt", und: "Das versteht kein normaler Bürger mehr, Planung kann man das nicht nennen, was das Bildungsministerium hier macht."

Ausbaden müssen es junge Lehrkräfte wie Laura A.: "Es ist schade, dass man als gut ausgebildeter, arbeitswilliger Mensch nicht heimatnah arbeiten kann." Die Misere begann bereits im Referendariat, als sich die angehenden Lehrer entscheiden mussten, ob sie sich überhaupt für eine Planstelle bewerben. "Viele aus meinem Seminar sind nach Hessen gegangen und sind dort längst verbeamtet", berichtet Laura A. "Der bayerische Staat finanziert die Ausbildung und lässt die Leute ziehen."


Weg von Familie und Freunden

Weil sie selbst gute Noten hatte, entschied sie sich für die Bewerbung und bekam auch eine Planstelle, aber eben hunderte Kilometer weg von Familie, Partner und Freunden. "Ich hätte natürlich ablehnen können, aber dann wäre ich raus aus der Warteliste." Also führt sie eine Wochenend-Beziehung, zahlt die teure Miete im Süden und verbringt jede zweite Woche Stunden auf der Straße. "Da fühlt man sich schon veräppelt", sagt sie gerade angesichts ihrer guten Noten.


Kaum Alternativen für Lehrer

Alternativen? Die eine wäre ein Ausscheiden aus dem Staatsdienst. "Aber ich habe so lange für eine Beamtenstelle gearbeitet", sagt Laura A. Und was dann? "Es gibt nur wenige Privatschulen, oder ich müsste mich mit Nachhilfe über Wasser halten." Die Chancen auf eine Rückkehr nach Unterfranken könnte die junge Frau auch mit der Gründung einer Familie erhöhen, aber: "Ich lass mich doch nicht vom Staat zwingen, wann ich heirate und Kinder kriege", wehrt sie sich dagegen.

"Es ist tatsächlich so, dass viele junge Lehrer nach Oberbayern müssen", bestätigt auch Josef Hammerl, Leiter des Bad Kissinger Schulamtes, verweist jedoch auf die Regierung von Unterfranken. Wie viele Lehrer genau aus dem Landkreis pendeln, weiß er nicht, aber er kennt die Zahl der Realschul- und Gymnasial-Lehrer, die derzeit die Löcher an Grund- und Mittelschulen im Kreis stopfen: Sechs sind es. "Bis jetzt haben wir sehr gute Erfahrungen gesammelt", verteidigt er die Arbeit dieser Kollegen.


Aushilfen für Teil- und Elternzeit

"Wir können nicht hier zwei Lehrer vor eine Klasse stellen und in Oberbayern fehlen die Lehrer", sagt Gustav Eirich, Leiter der Schulabteilung bei der Regierung von Unterfranken. Die Universität Würzburg bilde eben deutlich mehr Lehrer aus, als in Unterfranken auf Grund der Bevölkerungsentwicklung benötigt werden. Immerhin: "Wir konnten im letzten Schuljahr alle zurückholen, die Kinder haben, und den größten Teil der Verheirateten." Für ledige Bewerber sehe es jedoch immer schlecht aus. Aber: "Die fünf Prüfungsbesten dürfen dableiben", gelte seit Jahren - allerdings für Grund-, Mittel- und Förderschulen zusammen.

Dass auf der anderen Seite schulartfremde Lehrer eingesetzt werden, hat laut Eirich auch mit dem Beamtenrecht zu tun: "Das eine sind die Planstellen, das andere die Aushilfen", verweist er darauf, dass Realschul- und Gymnasiallehrer vor allem Vertretungen für Teil- oder Elternzeit übernehmen. Im Vergleich zu den aktuell 3241 Planstellen und 4256 verbeamteten Lehrern an unterfränkischen Grund- und Mittelschulen relativiere sich auch die Zahl der 54 Aushilfskräfte. Und: "Das muss oft sehr kurzfristig gehen." Außerdem kämen die Angestellten auch billiger.