1000 Seniorenmusiker treffen sich in Bad Kisssingen
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Freitag, 13. Sept. 2013
In Bad Kissingen feiert derzeit das Orchestertreffen 60+ seine Premiere. Beim Eröffnungskonzert begeisterten Seniorenensembles aus ganz Deutschland und sogar eines aus Japan mehr als 1000 Zuhörer.
Rund 1000 Senioren wollen in Bad Kissingen eine Lanze für das gemeinsame Musizieren im Alter brechen. Zum ersten Mal findet zurzeit ein Treffen von aktiven Musikern im reiferen Alter aus ganz Deutschland statt, die sich im Ensemblespiel weiterbilden wollen. Vier Tage lang klingen nahezu alle Säle der Kurstadt, zieht Musik durch Regentenbau und Rossinisaal, Wandelhalle und Konzertmuschel, Kurtheater und Salon am Schmuckhof. Seminare für nahezu alle Facetten der Musik sind organisiert, den über 1000 Senioren wird ein umfangreiches Programm mit namhaften Referenten geboten. 50 Seiten umfasst das Programmheft.
Mit einem gemeinsamen Konzerterlebnis begann am Donnerstag das Treffen. "Es war faszinierend, so viele Menschen gemeinsam musizieren zu sehen." Ernst Burgbacher, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände (BDO), war begeistert. Gerade war der stürmische Applaus für Franz Grothes Evergreen "So schön wie heut'" verklungen. 110 Musiker in vier Orchestern hatten gemeinsam einen fulminanten Schlussakkord beim Begrüßungsabend des Orchester-treffens 60+ im Max-Littmann-Saal des Regentenbaus gesetzt. Überaus schwungvoll und abwechslungsreich hatten zuvor die unterschiedlichen Orchester die über tausend Gäste des Eröffnungsabends unterhalten.
Das unterfränkische Seniorenblasorchester durfte beginnen und zeigte mit seiner Programmauswahl gleich, dass man quasi ein Heimspiel hat. Die Verbundenheit mit der Region klang schon beim fränkischen Schottisch durch, und beim Frankenliedmarsch unterstrichen die Musiker unter der Leitung von Erhard Rada, dass die Senioren in Franken zu musizieren verstehen.
29 Orchester in der Kurstadt
In seiner Begrüßung meinte Burgbacher: "Es war ein Wagnis, und wir sind selbst überrascht, dass unserer Einladung 29 Orchester mit über tausend Musikern gefolgt sind. Wir wollen vier Tage musizieren, lernen, uns austauschen und Spaß an der Musik haben." Und mit Blick auf die jung gebliebenen Musiker ergänzte er: "Wir sind keine alternde, sondern eine länger lebende Gesellschaft." Er schloss mit der Feststellung: "Die größte Bürgerbewegung in Deutschland ist die Laienmusik."
Eher leise Töne hatte man vom dann folgenden Seniorenzupforchester Nordrhein-Westfalen erwartet. Mit Mandolinen, Mandolen und Gitarren interpretierten sie zunächst mit feinen Klängen den Welthit "about rising sun", aber dann wurde ein rasanter Ausflug in den New-Orleans-Jazz unternommen. Dazu hatten die "Damen und Herren im besten Alter drei U-30-Mitspielerinnen ausgeliehen", wie sich Hans Walter Berg, der launige Moderator ausdrückte. Und es wurde dann auch richtig fetzig.
Schwungvoll ging es weiter mit den Golden Oldies aus dem "Ersten Kölner Akkordeon-Orchester 1953". Der Dirigent der Rheinländer, Winfried Haushalter, hatte die Noten von "My Way" aufgelegt und mit 30 Akkordeons stimmungsvoll interpretieren lassen.
Klassische Musik im Max-Littmann-Saal zu spielen, ist wohl ein besonderes Erlebnis für jeden Orchestermusiker. Die Freude über die Gelegenheit dazu merkte man auch dem Tokai-Masters-Streichorchester aus Japan an. Dafür hatten die Senioren über 7000 Kilometer Anreise auf sich genommen. Sie hatten Mozarts Frühwerk, das Divertimento KV 138, mitgebracht, und das war die richtige Wahl. Unterhaltungsmusik aus den adeligen Salons des 18. Jahrhunderts, mit ihrem homogenen Klangkörper überzeugend gespielt, passte in den Rahmen und erhielt begeisterten Applaus.
Martin Maria Krüger, der Präsident des Deutschen Musikrats, sprach vom kulturellen Humus, den die Musik darstelle. Er appellierte an die Gesellschaft, dass die musikalische Bildung in den Schulen nicht vernachlässigt werden dürfe: "Sonst kann man in 50 Jahren eine solche großartige Veranstaltung kaum erleben." Er hoffe, dass ein starkes Signal von dieser Tagung ausgehe, und dankte dem BDO-Präsidenten Burgbacher und seinem Projektleiter Hans Walter Berg für ihr mitreißendes Engagement, mit dem sie so viele Musiker überzeugt hätten, nach Bad Kissingen zu kommen.
Einen Kontrapunkt zu den heiter verspielten Mozartklängen brachte das Seniorenorchester Schwarzwald-Baar mit klassischer Blasmusik in großer Besetzung. Erfrischend, engagiert und auf hohem Niveau spielten die Musiker. Das Stück "Die wunderbaren Jahre der Senioren", ein Medley mit Melodien à la Caterina Valente und Frank Sinatra, zeigte ihre ganze Lust am gemeinschaftlichen Musizieren. Ein Hauch von Wiener Neujahrskonzert kam auf, als der ganz Saal rhythmisch mitklatschte.
Graue Haare, flinke Finger
Zum spektakulären Schlusspunkt vereinten sich alle Orchester des Abends, um gemeinsam "Mit Musik geht alles besser" zu interpretieren. Da holten die ergrauten Bläser nochmal tief Luft, die Streicherinnen mit Silberlocken liefen zu Höchstform auf, flink huschten die Finger über die Akkordeontasten und alles fand sich zu einem Großorchester mit voluminösem Klang.
Im Foyer standen die Musiker aus den verschiedenen Orchestern mit dem Publikum noch lange beisammen, fast ein wenig ungläubig darüber, was ihnen da gelungen war. "Dieser Abend war mehr als ein Treffen ambitionierter Laienmusiker", meinte Josef Hirt, Musiker des Schwarzwaldorchesters aus Donaueschingen. "So voller Lebensfreude, mit so viel Spaß am Musizieren, auf so hohem Niveau, ich bin begeistert." Alfred Dreher, 81 Jahre, und der 70-jährige Heinz Wendel, beide aus Idar Oberstein, meinten unisono: "Die Musiker waren wie eine große harmonische Familie." Beide Einzelmusiker wollen an Seminaren teilnehmen und beim offenen Orchestermusizieren dabei sein.
Präsident Burgbacher meinte nach dem erfolgreichen Auftakt: "Fortbildung steht im Vordergrund des Treffens, aber Bad Kissingen mit seinen großartigen Sälen scheint der ideale Rahmen zu sein, um auch viel Spaß an der Musik zu haben."