Wenn die Rente im Alter nicht reicht
Autor: Ramona Popp
LKR Lichtenfels, Donnerstag, 23. April 2020
Für Tausende im Landkreis Lichtenfels sieht die Prognose puncto Rente nicht günstig aus.
Die Zahl derjenigen, die im Alter auf Grundsicherung vom Staat angewiesen sind, hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Und sie steigt weiter. Dieser bundesweite Trend spiegelt sich auch im Landkreis Lichtenfels wider. Vielen Menschen, die 40 Jahre in Vollzeit gearbeitet haben, bleibt eine Altersrente, die nicht zum Leben reicht. Mit dieser Problematik befasst sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seit Jahrzehnten. Als kleiner Erfolg der Kampagnen wird die Festlegung der Bundesregierung gewertet, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2025 48 Prozent nicht unterschreiten soll. Doch ein Auskommen ermöglicht vielen auch das nicht - das Niveau müsse weiter angehoben und dauerhaft stabilisiert werden, so die Forderung. Heinz Gärtner, Vorsitzender des DGB-Ortskartells Schney und ein Aktivposten in der Gewerkschaftsarbeit, führt eine Rechnung vor Augen, die Arbeitnehmer gerne verdrängen: Selbst wer einen Stundenlohn von rund 30 Cent über dem Mindestlohn (9,38 Euro) erhält und 40 Stunden in der Woche arbeitet, komme nach 40 Jahren auf eine Rente von um die 750 Euro. Private Vorsorge ist aber gerade den Geringverdienern kaum möglich.
Nach Zahlen der Agentur für Arbeit verfügten im Landkreis Lichtenfels rund 4558 Vollzeitbeschäftigte (Stand Sept. 2019) über ein Einkommen von unter 2817 Euro brutto, was sie Hochrechnungen zufolge in eine Bedürftigkeit im Alter führen könnte. Die jüngste Statistik aus dem hiesigen Landkreis besagt, dass 318 Personen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen haben (Stand 2017). Es kann von einer Dunkelziffer weiterer Bedürftiger ausgegangen werden, die keinen Antrag gestellt haben.
Zwar hat sich insgesamt die Beschäftigtenzahl in der Region - Teilzeitkräfte eingerechnet - in den letzten zehn Jahren deutlich erhöht, von rund 25 500 auf 29 200, was eine positive Entwicklung ist. Es finden sich in der Region allerdings auch etliche Branchen, die erfahrungsgemäß einen größeren Anteil an Stellen im Niedriglohnsektor aufweisen. Hotellerie und Gastronomie, Zusteller und Versandhandel, produzierendes Gewerbe oder Dienstleister für den häuslichen Bereich und die Gartenpflege. In den Logistikeinheiten der Baur-Gruppe beispielsweise als größter Arbeitgeber sind rund 2400 Mitarbeiter beschäftigt. Die Vergütung liegt nach Unternehmensangaben durchweg über dem Mindestlohn. Doch das vorgenannte Rechenbeispiel zeigt, dass man damit nicht frei von der Problematik ist.
Die Rentenhöhe ist ein politisches Thema, das im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl 2021 wieder im Fokus stehen wird. Da wird zu den niederländischen Nachbarn oder nach Österreich geschaut, wo alle in die Rentenkassen einzahlen und es höhere Durchschnittsrenten gibt. Es sind verschiedene Systeme. Doch auch innerhalb des selben Systems gibt es große Unterschiede. Bekanntermaßen besteht ein erhebliches Gefälle zwischen Männern und Frauen. "Armut im Alter ist weiblich" - diese Feststellung mahnte schon vor vielen Jahren bei den Frauentagen in Lichtenfels und gilt noch immer. Auch regional gibt es gravierende Unterschiede. So erhielten Neurentnerinnen im Landkreis München bayernweit mit 833 Euro die höchste Durchschnittsrente, während sich eine Gleichaltrige im keine 200 Kilometer entfernten Landkreis Regen mit 527 Euro begnügen muss. In Oberfranken arbeitet jeder Fünfte im Niedriglohnsektor - entsprechend groß sind die Befürchtungen im Hinblick auf zu erwartende Altersarmut.
Corona und die Folgen
Das Coronavirus wird die Situation noch verschärfen, da ist sich Heinz Gärtner sicher. Erst vor kurzem wandte sich ein Paar aus dem südlichen Landkreis an die DGB-Geschäftsstelle, wie er berichtet. Beide hatten Minijobs in der Gastronomie und haben nun ihre Arbeit verloren. Für sie gibt es kein Kurzarbeitergeld. Es bleibt nur der Gang zum Jobcenter, um Unterstützung nach dem "Hartz IV"-Gesetz zu beantragen. Tipps gibt es für Minijobber trotzdem von der Gewerkschaft - und sei es nur der Rat, Mitglieder zu werden, um gemeinsam solidarisch auftreten und etwas bewirken zu können. Der Beitrag beträgt ein Prozent des Einkommens und beinhaltet auch einen Rechtsschutz.
Den Rechten und Pflichten von Arbeitnehmern speziell in der Corona-Krise widmet sich der DGB derzeit ausführlich auf seinen Internetseiten. Was bleibt auch anderes übrig? Die Ende März in Lichtenfels geplante Info-Aktion wurde vorerst auf Herbst verschoben, zum ersten Mal seit 70 Jahren wird auch die Maikundgebung entfallen. Doch Solidarität in der Gesellschaft ist noch wichtiger geworden.