Vorkommen im Landkreis Bamberg: Der Waschbär sagt Servus
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Freitag, 21. Juni 2019
Alles spricht über den Wolf. Doch still und heimlich, auf tapsigen Pfoten und matschigen Wegen erobert der Waschbär den Landkreis Bamberg. Jäger und Naturschützer sind nicht gerade begeistert über den Migranten aus Übersee.
Keine Pressekonferenz, keine freudigen Umweltschützer und schon gar kein Ansiedlungsprogramm: Für den Waschbären wird kein roter Teppich ausgerollt. Und trotzdem: "Der Waschbär ist da", stellt Werner Hubl fest. Im Revier des Würgauer Jägers hat sich erst vor ein paar Wochen wieder einer der Allesfresser an Gelben Säcken zu schaffen gemacht. Erwischt hat er ihn nicht. "Der ist von alleine wieder verschwunden." Aus den letzten Jahren berichtet Hubl von mehreren Sichtungen.
Nicht nur er. Auch viele seiner Kollegen. Unweit der Grenze zum Nachbarlandkreis Lichtenfels tappte das tapsige Tier kürzlich erst in eine Foto- und dann in eine richtige Falle . "Ich hatte ihn auch schon bei mir, der taucht immer wieder auf, da und dort", berichtet Jäger Alexander Götz aus Steinfeld.
Laut Landratsamt findet sich der Waschbär quer durch den ganzen Landkreis Bamberg. "Eine Schätzung der Waschbärenpopulation ist schwierig, eine genaue Zahl nicht bekannt", erklärt Umwelt-Fachbereichsleiter Jürgen Reinwald. Die Jagdstrecke für das vergangene Jagdjahr dokumentierte 14 tote Waschbären. Tendenz steigend.
"Eine weitere Verbreitung ist nicht erwünscht, da der Waschbär als zugewanderte Art, als sogenannter Neozoon, mit dem heimisches Raubwild in Nahrungskonkurrenz tritt und für Verluste bei Wiesenbrütern, Greifvogelhorsten, Gelegen aller Art, Amphibien und weiteren geschützten Arten sorgt", erklärt Reinwald, der von einer potenziellen "Bedrohung für das Ökosystem" spricht.
"Der macht vor nichts Halt. Dem ist nichts heilig", bestätigt Klaus Teufel, Vorsitzender des Bamberger Jagdschutzvereins. Schwarzstorch, Rebhuhn, Fasan oder Hase: "Für die ist das eine Riesengefahr, die vom Waschbären ausgeht." Das heimische Wild sei auf den Allesfresser aus Nordamerika überhaupt nicht eingestellt. Natürliche Feinde hat er nicht zu fürchten.
Und den Menschen? Auch der tut sich schwer, den nachtaktiven Räuber zu erwischen. "Als Jäger kommt man kaum zum Schuss", sagt Teufel, lediglich Fallen versprächen Erfolg. "Wenn man das Thema Artenschutz ernst nimmt, muss man den Waschbären offensiv bejagen", mahnt der Vorsitzende der Bamberger Jäger.
So putzig der Waschbär auch sein mag, so gern gesehen er auf lustigen Videos im Internet auch ist - der pelzige Migrant aus Übersee hat weder bei Jägern noch bei Naturschützern eine gute Lobby. Lediglich die Tierschutzorganisation Peta spricht sich grundsätzlich gegen jede Form der Bejagung aus: "Tierquälerische Giftköder, Schusswaffen oder der qualvolle Fallenfang verursachen unfassbares Tierleid und haben sich langfristig als wirkungslos bei der Bekämpfung neuer heimischer Bewohner herausgestellt", heißt es aus der Peta-Zentrale.
Göring und die Pelztierjagd
Die Verbreitungshistorie des Waschbären ist kurios. Dahinter steckt die Geschichte, Hermann Göring habe als Reichsjägermeister im Dritten Reich die Auswilderung der Pelztiere am Edersee bei Kassel befohlen. Zusammen mit einigen Exemplaren, die aus Pelztierhaltungen entflohen sind, habe sich der heutige Bestand entwickelt. Ob Göring diese Anweisung wirklich gegeben hat, ist umstritten, doch die Maßnahme lief über seine Behörde. Geradezu hämisch berichten deshalb britische Medien heutzutage über die "blitzkriegartige Verbreitung" der "Nazi-Raccoons" in Deutschland. Laut Teufel sind die Tiere außerdem bei US-Amerikanern als Haustiere beliebt. "Ich schließe nicht aus, dass die Population rund um Bamberg zum Teil auf Amis zurückzuführen ist."
So oder so: Der Waschbär breitet sich in ganz Deutschland aus - und wird verstärkt aufs Korn genommen. Das zeigt die Jagdstatistik. Bundesweit stieg die Zahl der getöteten Waschbären in den vergangenen beiden Jagdjahren um fast 30 Prozent auf 172 549 Tiere. In Bayern stieg die Zahl von 1892 auf 2725. Zum Vergleich: 2004/2005 wurden nur 335 Waschbären im Freistaat erlegt.
Gerade in Hessen macht der Waschbär wegen seiner Häufigkeit bereits Schwierigkeiten - nicht nur im Ökosystem. "Probleme gibt es mit den Tieren vor allem dann, wenn sie in den Ortschaften Gelbe Säcke und Mülleimer heimsuchen", berichtet Reinwald. Auch Komposthaufen mit Essensresten oder Katzenfutter ziehen die Tiere demnach an. Ansonsten sind Waschbären nicht wählerisch. "Sie sind Allesfresser. Am liebsten verzehren sie Beeren, Früchte, Nüsse und Eicheln sowie Schalentiere, verschiedene Insekten und Eier. Auch Würmer, Vögel und Kleinsäuger stehen auf ihrem Speiseplan", erklärt der Leiter der Naturschutzbehörde.