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Nicolò Melli steht für Gleichheit


Autor: Udo Schilling

Bamberg, Freitag, 24. Juli 2020

Nicolò Melli setzt in der NBA ein Zeichen gegen Rassismus. Bei den Fans bedankt sich der 29-Jährige für die Wahl in die Bamberger Top 5.
Nicolò Melli (vorne) ist nach Startschwierigkeiten in der NBA bei den New Orleans Pelicans angekommen und spielt inzwischen über 20 Minuten pro Spiel.  Foto: Imago


Von der Wahl in "Die Besten des Jahrzehnts" auf seiner Position des Power Forwards hat Nicolò Melli nichts gewusst. Das sei dem Italiener verziehen, denn in New Orleans, wo der 29-Jährige bei den Pelicans in der NBA spielt, wird der Basketballer kaum auf www.infranken.de klicken. Lesen könnte es Melli durchaus, denn sein Deutsch mit italienischem Akzent ist nahezu perfekt. Das liegt daran, dass er seit seiner Zeit in Bamberg mit Katharina, inzwischen seine Ehefrau, zusammenlebt. "Zu 70 Prozent sprechen wir zu Hause Deutsch, nur wenn wir streiten, verfällt jeder in seine Muttersprache", erzählt Melli im Skype-Interview.

Die Schwäbin und Studentin in Bamberg hatte er damals, als er in den Spielzeiten 2015/16 und 2016/17 das Brose-Trikot trug, hier kennen und lieben gelernt. Beim Stichwort Bamberg gerät Melli regelrecht ins Schwärmen, nicht nur von der Stadt, sondern vielmehr vom damaligen Team, das Trainer Andrea Trinchieri und Daniele Baiesi zusammengestellt hatten; und vom Einfluss auf sein Leben.

"Bamberg war mein Wendepunkt, hat meine ganze Karriere beeinflusst. Ich bin froh, glücklich und stolz, die Möglichkeit gehabt zu haben, dort zu spielen. Die zwei Jahre waren wunderschön, sportlich wie menschlich. Die Ergebnisse waren nicht das einzig Schöne, was ich da erlebt habe. Ich habe tolle Freunde gefunden, meine Frau kennengelernt. Bamberg war, ist und wird für mich immer ein besonderer Ort sein, der für mich super viel Wert hat."

Viele Freundschaften geschlossen

Es vergehe kaum ein Tag, an dem er nicht mit jemandem aus der Bamberger Zeit Kontakt habe. Nikos Zisis, Lucca Staiger, Fabien Causeur, Ex-Geschäftsführer Rolf Beyer, Physiotherapeut Heiko Pfister, Teamarzt Andreas Först und Athletiktrainer Sandro Bencardino zählt Melli aus den Teams auf, mit denen er zwei Meisterschaften errang. Die meisten davon waren auch bei seiner Hochzeit in Italien. "Das war krass, was wir in Bamberg hatten und welche Freundschaften ich dort geschlossen habe."

2015 holte ihn Trinchieri von Mailand nach Bamberg. Erstmals im Ausland aktiv, kam Melli damals - noch ohne Bart, wie er selbst süffisant anmerkt, und eher schmächtig für einen Power Forward von Euroleague-Format - nach Oberfranken. "Bamberg hat mir mehr Selbstvertrauen verliehen - und mehr Muskeln. Ich hatte auch mehr Verantwortung zu tragen, was mir geholfen hat. Ich bin nun in der NBA, weil ich in Bamberg war, natürlich auch, weil ich bei Fenerbahce Istanbul war, aber ohne Bamberg hätte ich wahrscheinlich nie die Möglichkeit gehabt, für Fenerbahce zu spielen."

Mit der NBA einen Traum erfüllt

Mellis Welt - die nordamerikanische Basketball-Liga - ist nun eine komplett andere. Mit dem Schritt nach New Orleans hat sich der Italiener einen Traum erfüllt, den "jeder Junge, der Basketball spielt", habe. Bereits 2017 hatte Melli Angebote aus der NBA. Ihm fehlte damals der Mut, sagte er einmal und nahm das Angebot von Trainer Zeljko Obradovic aus Istanbul an. "Wenn ich jetzt Nein gesagt hätte, hätte ich wohl nie mehr die Möglichkeit gehabt, in die NBA zu kommen. Außerdem hatten die Pelicans schon einen Plan und eine Idee, was sie von mir erwarten und was sie mit mir machen wollten. Deshalb habe ich den Schritt gewagt."

Diesen Schritt vergleicht Melli mit dem von 2015, als er Italien verließ und nach Bamberg ging. "Den großen Sprung habe ich da gemacht. In Mailand war ich der Italiener, seit Bamberg bin ich immer der Ausländer. Das gibt mir mehr Energie, weil die Leute mehr von mir erwarten."

In der Metropole im Bundesstaat Louisiana ist der Italiener als einziger Nicht-Nordamerikaner im Team umringt von Superstars, aus denen Zion Williamson noch herausragt. Der gerade erst 20 Jahre alt gewordene Power Forward kommt vom College und spielt seine erste NBA-Saison - wie Melli. "Hier bin ich ein komischer Rookie, weil ich schon 29 bin."

Die Herausforderung nimmt der Italiener gerne an. "Ich muss noch besser werden, viel besser", sagt der Liga-Neuling, der in einem Zeitungsartikel bei USA Today Ende Februar als bester Drei-Punkte-Werfer seit Jahresbeginn herausgestellt wurde. Knapp 50 Prozent (35 von 71) seiner Würfe hinter der 7,24-Meter-Linie traf Melli in dieser Zeit, womit er bewiesen habe, dass seine Verpflichtung "wertvoll" gewesen sei.

Den Druck und die öffentliche Beachtung, die Spieler wie Williamson, Brandon Ingram und Lonzo Ball haben, hat Melli indes nicht. "Die stehen ständig unter Beobachtung, sind aber ganz normale Menschen, mit denen man sich über alltägliche Themen unterhält", sagt der erfahrene Nationalspieler.

Seit zwei Wochen ist Melli nun in Orlando, wo am nächsten Wochenende die NBA-Saison fortgesetzt wird. Neben Corona schweben im Mikrokosmos des Turniers weiter das Thema "Black Lives Matter" ("Schwarze Leben zählen") und die Rassismus-Debatte mit.

Melli bezieht klar Stellung

Dazu hat Melli eine ganz klare Meinung: "Es kann nicht sein, dass wir 2020 noch über Rassismus reden. So kann es nicht weitergehen. In Amerika kannst du wirklich merken, wie Menschen, die nicht weiß sind, so viele Schwierigkeiten im Alltag haben. Das kann nicht sein. Die Gesellschaft soll das ändern, und wir als Spieler, die eine große Plattform besitzen, können und müssen etwas machen. Wir brauchen andere Gesetze und Regeln, besser erzogene Jugend. Für mich war das in Italien nie ein Thema, ob jemand weiß, schwarz, blau oder grün ist."

Die sonst meist unpolitisch agierende Führung der NBA hat aufgrund der Rassismus-Debatte gestattet, dass die Spieler Slogans auf ihren Trikots tragen - ein echter Sinneswandel. Auch Melli macht bei der Aktion mit. "Ich habe mich entschieden, dass statt Melli auf meinem Trikot Uguaglianza, das italienische Wort für Gleichheit, steht." Ein Statement! Man darf gespannt sein, welche Botschaften noch zu lesen sein werden. Melli bestreitet mit seinem Ex-Bamberger Teamkollegen Darius Miller am 31. Juli (0.30 Uhr deutscher Zeit, live bei DAZN) gegen die Utah Jazz das Auftaktspiel der Corona-Saisonfortsetzung.

Die Besten des Jahrzehnts

Serie In einer Online-Abstimmung haben unsere Leser "Die Besten des Jahrzehnts" von Brose Bamberg ermittelt. Die fünf Spieler Brad Wanamaker, Janis Strelnieks, Casey Jacobsen, Nicolò Melli und Daniel Theis sowie Trainer Chris Fleming stellen wir in ausführlichen Geschichten vor. Melli setzte sich bei der Wahl der Power Forwards mit 37 Prozent der Stimmen gegen P.J. Tucker (31), Predrag Suput (22), Elias Harris (9) und Augustine Rubit (2) durch.