Ein Vertreter der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und ein Sprachwissenschaftler sind unterschiedlicher Meinung.

Kalt lässt dieses Thema offenbar nur wenige. Sonst wären nicht mehrere Leserbriefe mit unterschiedlichen Meinungen zum Artikel über ein gefälschtes Flugblatt eingetroffen, in dem eine Namensänderung des beliebten Ladens Mohren-Haus an der Oberen Brücke verkündet wird. Während sich die einen beschweren, dass dieses Thema inmitten der Corona-Krise überhaupt Beachtung findet, entrüsten sich die anderen, dass im Jahr 2020 immer noch erklärt werden muss, was Rassismus bedeutet.

Wir haben zwei Fachleute eingeladen, ihre Meinung zu dem Thema zu formulieren. Herausgekommen ist ein Pro und Kontra zur Umbenennung. Dafür plädiert Tahir Della, der Pressesprecher der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland". Diese setzt sich bereits seit Mitte der 80er-Jahre dafür ein, diskriminierende Bezeichnungen aus der Sprache zu verbannen. Auf der anderen Seite kommt Helmut Glück zu Wort, der von 1991 bis 2015 Professor für Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Bamberg war. Er gehört dem Vorstand der Stiftung Deutsche Sprache an und ist außerdem Vorsitzender der Jury für den Kulturpreis Deutsche Sprache.

Pro-Umbennenung von Tahir Della

Der Begriff "Mohr" war und ist eine Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen und war zu keinem Zeitpunkt ehrend, positiv oder wertneutral.

Dass beispielsweise die M-Straße in Berlin zur Ehrung einer in Berlin empfangenen großen Delegation von Schwarzen Menschen im Jahr 1684 ihren Namen bekam, gehört zu den Legenden der beschönigenden weißen Geschichtsschreibung. Einerseits ist nur der Besuch von zwei Abgesandten aus dem heutigen Ghana, die sich in Berlin dem Kurfürsten unterwerfen sollten, historisch belegt. Andererseits ist auch sicher, dass Schwarze im Europa der Frühen Neuzeit alles andere als geehrt wurden. Hätten die als "Mohren" bezeichneten Menschen damals Gleichberechtigung erfahren, wäre der erste afrikanische Gelehrte in Deutschland, Anton Wilhelm Amo, sicher nicht mit seiner Dissertation über die (fehlenden) Rechte von Schwarzen in Europa hervorgetreten. Hätten die so genannten "Mohren" hier gleiches Ansehen wie Weiße genossen, wäre es den Brandenburgern wohl kaum möglich gewesen, die Versklavung von ca. 20 000 afrikanischen Menschen und ihre Verschleppung über den Atlantik zu rechtfertigen. Auch die Zeit vor der direkten deutschen Kolonialherrschaft im 19. Jahrhundert war also schon geprägt von einer stark diskriminierenden, rassistischen Grundhaltung, die sich in entsprechenden Stereotypen und Fremdbezeichnungen für Schwarze Menschen niederschlug. Selbst berühmte Philosophen wie Hegel und Kant haben - auch wenn dies in Deutschland bis heute gern ignoriert wird - in ihren Werken verbreitet, dass Schwarze Menschen als kulturlose Menschen zu betrachten wären.

Der wegen breiter öffentlicher Kritik inzwischen umbenannte und abgewandelte Sarotti-M steht beispielgebend für dieses stereotype Gebilde "Mohr", das als Produkt kolonialherrschaftlicher Phantasien weißer Europäer betrachtet werden muss. Die deutsche Sprache ist, wie sicher inzwischen bekannt, voll von Redewendungen, die mit dem Begriff "Mohr" neben Exotik auch Abwertung, Unterwürfigkeit, Dummheit und Infantilität verbinden. Der Begriff ist daher genau wie das N-Wort ganz ohne Zweifel eine rassistische und beleidigende Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen.

Die Debatte um den Begriff ist inzwischen an unterschiedlichen Stellen neu entflammt und leider zeigt sich das immer noch mit viel Abwehr dagegen gehalten wird, diesen Kolonial-Rassistischen Begriff aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.

Am häufigsten wird argumentiert das der Begriff eine alte Tradition hat und ursprünglich nicht abwertend gemeint war. Würde man jedoch heutzutage jemanden als Idiot bezeichnen, so würde sich niemand weniger verletzt fühlen wenn man argumentieren würde, dass dieser Begriff vom griechischen idiotes kommt und in etwa "Privatperson" bedeutet.

In einer sich wandelnden Welt bleibt auch die Sprache nicht außen vor und reflektiert gesellschaftliche Veränderungen, die letztendlich zum Verschwinden diskriminierender Bezeichnungen führt.

Für Schwarze Menschen ist es völlig unakzeptabel, dass sich weiße Deutsche anmaßen, darüber zu entscheiden, was eine rassistische Beleidigung für uns ist und was nicht.

Kontra-Umbennenung von Helmut Glück

Das Bamberger Mohrenhaus ist in die Diskussion geraten, weil es "Mohr" im Namen führt und ein Mohrenkönig seine Fassade ziert. Was ist daran auszusetzen?

Das Wort "Mohr" ist schon im Althochdeutschen belegt als Entlehnung aus dem Lateinischen, wo "maurus" einen Bewohner Nordwestafrikas bezeichnet, einen Mauren. Davon ist das Adjektiv "maurisch" abgeleitet, das unter anderem in der Kunstgeschichte Verwendung findet. Das Wort findet sich auch in anderen Sprachen, z. B. "moor" im Niederländischen und im Englischen, "moro" im Italienischen und Spanischen, "more" im Französischen. "Mohr" ist eine Bezeichnung für einen dunkelhäutigen Menschen. Sie klingt heute altmodisch. Doch ist sie deshalb abwertend?

Auf "maurus" beruhen die Ländernamen "Mauretanien" und "Mauritius". "Morisken" waren getaufte Mauren im alten Spanien. "Moresken" sind Ornamente in der islamischen Kunst, "Morellen" hingegen dunkle Kirschen. Einer der Heiligen Drei Könige, die dem Jesuskind ihre Gaben brachten, war ein Mohr. Bei den Sternsingern färbt sich eines der Kinder das Gesicht schwarz, weil es den Mohrenkönig darstellt.

Der Name "Moritz" beruht auf demselben Wortstamm, auch in anderen Sprachen (Maurizio, Maurice usw.). Er geht zurück auf den Heiligen Mauritius, den Patron der Soldaten und der Waffenschmiede. Daneben gibt es die Heiligen Maurilius, Maurinus und (gleich dreimal) Maurus sowie die Heilige Maura. Will man die auch verbieten? Mauritius' schwarzer Kopf ziert die Stadtwappen von Coburg und Zwickau, ebenso die Logos der Kaffeerösterei Julius Meinl (Wien) und der Brauerei Tucher (Nürnberg). Die Coburger "Stadtillu" heißt Mohr. Apotheken (z. B. in Bayreuth), Brauereien (z.B. in Coburg) und Gasthäuser (z. B. in Gotha) führen den Mohren im Namen. Mohrenstraßen, Mohrenplätze und Mohrenbrunnen gibt es in vielen deutschen Städten. Moritzburg heißt eine Stadt, Moritzkirchen gibt es landauf, landab. Man wird einen neuen Namen für den Gefährten von Wilhelm Buschs Max finden müssen, falls der Name "Moritz" in Verruf kommt.

Die Netzseite "MyHeritage" gibt an, dass sie 1 418 813 Belege für den Familiennamen Mohr besitzt. Ganz selten ist er also nicht. Will man solchen Familien ihren Namen verbieten?

Die Redensart "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen" (Schiller, Fiesco) wäre in künftigen Drucken zu schwärzen, sollte das Wort auf den Index geraten. Die Mohrenwäsche und den kohlpechrabenschwarzen Mohren im Struwwelpeter müssten wir umbenennen, ebenso das Mohrenhuhn und die Mohrentaube, die Mohrenhirse und das Mohrenkraut. Dass der Kaffee einmal "Mohrengetränk" hieß im Unterschied zum "Möhrengetränk", das aus gälba Rubm (wie man hier sagt) hergestellt wurde, ist Geschichte. Der Sarottimohr wurde bereits gebleicht und sieht nun aus, als habe er Gelbsucht. Der klassische Mohrenkopf wurde durch den "Schokokuss" ersetzt, doch im Bregenzer Wald heißt ein Berg bis heute so. Der "Mohr im Hemd" hat bisher überlebt. Das Mohren-Haus steht also nicht allein da im Mohrenkrieg.