Dass ein Clown zum Thema Tod etwas Gutes auszusenden weiß, davon ist Birgit Sauerschell überzeugt.
"Nicht ganz dicht": So steht es spaßig selbsteinschätzend auf der Webseite von Birgit Sauerschell. Alibi und Motive der Lichtenfelserin sind hingegen völlig dicht, denn auch wenn die Frau Beerdigungsclown ist, so ist sie doch seriös.
Kaala Knuffl ist ein Künstlername. Drei gleichlautende Vokale hier, ein Doppelkonsonant dort, ein weiterer Konsonant hüben wie drüben je zu Beginn und alles zusammen auf neckische Weise eingängig. Kaala Knuffl eben. Seit Februar 2018 trägt sich Birgit Sauerschell alias Kaala Knuffl mit dem Gedanken, Beerdigungen einen Farbsprenkel zu geben. Besucht man die gebürtige Kronacherin in ihrer Wohnung in Unterwallenstadt, so erkennt man schnell, dass sich dort ein originelles Gemüt samt klugem Verstand häuslich eingerichtet hat. Auf dem Tisch, der in seinem früheren Leben mal eine Zimmertür gewesen sein dürfte, stehen lebensbejahend bunte Blumen. Unweit davon finden sich eine Gitarre und zwei Congas, und wen es zum Sitzen partout weder auf die Couch, noch auf die Stühle oder in den Lesesessel zieht, der darf auch auf einer Schlitztrommel Platz nehmen.
"Der Clown und der Tod"
Wenn man von dort aus nach rechts blickt, so sieht man vor einem Udo-Lindenberg-Zeichnung eine Zimmerbar, auf deren Frontseite eine Warnung geschrieben steht: "Leben ist tödlich." Und überall Postkarten, überall Postkarten. Es ist gemütlich hier und man hat auf sich, sein Leben und seine Lebensführung aufzupassen. Birgit Sauerschell sieht das so, sie ist diplomierte Psychologin und kennt sich mit seelischer Hygiene aus. Sie lacht gerne.
Es begann im Februar 2018. Zu dem Zeitpunkt war die Frau, die sich beruflich über Jahre auch schon in der Suchtberatung, im Behinderten- und im Asylbereich einbrachte, Teilnehmerin eines Workshops in Eggenfelden mit dem Titel "Der Clown und der Tod". Dass sie an solchen Workshops überhaupt teilnimmt, liegt daran, dass sie seit Jahren auch schon als Klinikclown tätig ist und gute Laune in die Zimmer von Patienten trägt. "Wir haben zwei Gruppen gebildet", erinnert sich Sauerschell an die damalige Vorgehensweise. Es wurden Interviews zu Verstorbenen geführt, es wurde Erhellendes und Charakteristisches zu den Menschenleben gesammelt und dazu "Trauerfeiern gebaut". Und aus ihrer Sicht überzeugend daran: "Es wurde jedem Toten gerecht."
Ein verbindendes Element
Birgit Sauerschell schaut ernst, sieht zu ihren Blumen hinüber und gibt Einblicke in das Wesen des Clowns. Aus ihrer Sicht als Psychologin hat eine gewisse Art von Clown auf einer Friedhofsfeier eine versöhnende, verzeihende Note. "Das glaube ich auf alle Fälle, weil der Clown ja ein verbindendes Element ist." Es ist ein eigenwilliges Feld, denn Wikipedia kennt den Begriff Beerdigungsclown noch nicht einmal, die Philosophie aber schon. Sie hält dem Clown, dem Narren, dem Bajazzo zugute, dass er kein Idiot ist, sondern dass er auf seine Weise gekonnt im Moment lebt. Lebensbejahung, irgendwie. Sauerschell sieht das ähnlich: "Es gibt Clowns-Grundsätze: Say yes to no (Sag Ja zum Nein), da geht es um das Annehmen (von Glück, Krankheit, Tod), er ist im Hier und Jetzt und hält sich nicht an Vergangenem fest, und er nimmt ständig neue Perspektiven ein. Er will weitermachen."
Sicheres Terrain verlassen
Auf Sauerschells Webseite www.kaala-knuffl.de steht das noch etwas präziser. Clown kommt von "colonus": Bauer, Siedler, Kolonist. Also jemand, der sicheres Terrain verlässt, Regeln durchbricht und immer auf der Suche nach Unbekanntem ist. So gelingt es ihm, sich seine eigene kleine Welt zu schaffen und Dinge in neuem Licht zu erfassen".
In Deutschland ist der Beerdigungsclown nahezu vollkommen unbekannt. Den Menschen und Wikipedia. Das Gegenteil "wird höchste Zeit", so die Kronacher Lichtenfelserin und weiß von europäischen Modellen. "In Holland wird er als Begleitclown tituliert, im Belgischen auch. Ich habe überlegt, ob ich mich Trauerclown nenne." Dass ein Clown auch zum Thema Tod etwas Gutes auszusenden weiß, davon ist Sauerschell überzeugt. Sie hat auch eine Fortbildung in Palliativ-Care.
Internationale Referenten
Birgit Sauerschell kann auch resolut sein. Der Frage gegenübergestellt, ob sie eine Ausbildung als Klinikclown hat, tritt sie mit schmunzelndem Nachdruck auf: "Ich habe keine Ausbildung als Klinikclown, ich habe eine Ausbildung als Clown!" 2007 trat sie diese Ausbildung an, aus Interesse und frei von Absichten. "Bühnenpräsenz, Stimmbildung, Jonglage, Duo-Spiel und die Entwicklung einer Figur" nennt sie als Lerninhalte. Sieht man sich auf der Webseite der Lichtenfelser Frankenwälderin um, stößt man auf Workshop-Teilnahmen in Pantomime, Spontanimprovisation oder Musik. Die Referenten dazu waren internationale, sie kamen aus Australien, aus Großbritannien, aus den USA.
Doch zurück zum Beerdigungsclown - gelten für den Regeln, hat er sich auch als Narr einer Pietät zu beugen? "Klar beleidige ich niemanden. Ich würde nichts machen, bei dem ich Leute in dem Kontext vorführe. Ich würde auch nichts Rächendes machen." So wie sie spricht, geht es ihr um zurückhaltenden Humor, um das Augenzwinkern im Ausklang. Das ist etwas, was sich im Vorfeld einer Beerdigung in optimaler Weise mit dem Todkranken besprechen lässt.
"Ich denke, als Psychologin habe ich gelernt, das Gegenüber wahrzunehmen, habe auch gelernt, Menschen zu akzeptieren und nicht zu werten. Ich glaube, ich kann gute Fragen stellen - wie er tickt, was ihm wichtig ist. Für mich wäre es ein Geschenk, wenn ich mit dem Versterbenden vorher reden könnte. Wenn wir miteinander in Kontakt sein könnten, fielen uns vielleicht noch ganz andere Sachen ein."
Auch, brauche niemand zu befürchten, dass bei einer kirchlichen Beerdigung der Beerdigungsclown das Weihevolle der Handlung beschädigt. Es gilt als abgemacht, dass das Zeremoniell nie vom Clown berührt wird. "Ich bin ein dezenter Clown." Erfolgsaussichten? Birgit Sauerschell, die von Freunden und Bekannten oft nur Bigs genannt wird, bleibt milde ratlos. "Es gibt Leute, die sagen, sie glauben nicht, dass das hier klappt, es ist halt eine konservative Gegend. Aber richtig abgeraten wurde mir ... nö." Mit den Eltern, die sie dann und wann in Kronach besuchen geht, hat sie das Thema auch schon besprochen. "Mein Vater hat gesagt, dass er das dereinst bei sich gerne haben möchte - wenn ich das dann kann."