Wenn der PSC Coburg ins Boot steigt, dann wird es wild. Mit gemütlichen Kajaktouren hat das nichts mehr zu tun, zeigt unser Selbstversuch.

Man nehme den allseits bekannten - etwas elitären - Sport Polo. Dann ersetzt man den Rasen durch Wasser, das Pferd durch ein Boot und den Schläger durch ein Paddel. Und schon hat man eine neue Sportart: Kanupolo. Diese noch recht junge Sportart wird beim PSC Coburg mit Erfolg betrieben. Der Verein stellt mehrere deutsche Meister, auch Nationalspieler - und heute muss er sich mit mir herumschlagen.

Schon der Start ins Training ist mit Hindernissen belegt. Bundesliga- und Nationalmannschaftstrainer Klaus Schmalenbach erklärt mir, wie ich in das Boot steigen soll. Ein erster Versuch, aber ich passe nicht hinein. Schnell klärt sich jedoch, dass es nicht an meiner Körperfülle liegt, sondern an den falsch eingestellten Fußstützen im Kanu. Vor mir war wohl ein Kind im Boot. Mit richtiger Einstellung klappt auch das Probesitzen. Wirklich bequem ist es zwar nicht, aber ich sitze sicher - kein Wunder, ich bin ja auch noch an Land.

Bevor ich zu Wasser gelassen werde, erklärt mir mein Trainer, was ich tun soll, wenn ich im Wasser umkippe. Während beim PSC schon die Jüngsten die Eskimorolle beherrschen, legt mir Schmalenbach doch eher das Aussteigen unter Wasser ans Herz. "Ziehe Deine Spritzdecke ab und steige nach unten aus dem Kanu aus", erklärt er mir. Und wenn das nicht funktioniert? "Einfach an das Boot klopfen und nach hinten lehnen. Es kommt dann sicher gleich jemand, der dir hilft."

"Sicher gleich jemand"? Das erste Mal in dieser Serie über Randsportarten mache ich meine ersten Versuche mit einem richtig mulmigen Gefühl in der Magengegend. Langsam schlüpfe ich ins Boot, während Klaus Schmalenbach das Kanu festhält. Als ich drinsitze, bleibe ich trotzdem immer maximal eine Armlänge entfernt vom Beckenrand, um mich notfalls schnell festhalten zu können. Eine sehr wacklige Angelegenheit ist das. Mein Trainer gibt mir Anweisungen, wie ich das Paddel zu halten und zu bewegen habe, doch wirklich sicherer fühle ich mich dadurch nicht. Schnell merke ich, dass es heute nichts wird mit einem Trainieren mit den Profis.

Erst recht nicht, als eben diese ihrerseits so richtig mit dem Training anfangen. In Windeseile jagen sie durch das Becken. Das Wasser spritzt, die Wellen schlagen hoch, und mir am Beckenrand wird die See allmählich zu unruhig. Schmalenbach gibt die erste Übung vor. Im Coburger Schwimmbad, wo Herren- und Damenteam über den Winter hinweg trainieren, können aus Platzgründen keine Tore aufgestellt werden. Deswegen legt der Coach viel Wert auf Passspiel, Geschwindigkeit und Zweikampf-Verhalten. Und solche Zweikämpfe sind durchaus spektakulär anzuschauen.

Der Trainer wirft einen Ball in die Mitte des Beckens, und von den Rändern aus stürmt jeweils ein Spieler auf das Spielgerät zu. Beide kommen gleichzeitig in der Mitte an. Es kracht! Während das Boot des einen auf dem Boot des anderen liegt, lehnt sich dieser weit zurück und versucht, den Ball in seinen Händen zu behalten. Ein wildes Gerangel geht los, an dessen Ende der Ballführende nach einem Schubser untergeht und eine Eskimorolle später wieder auftaucht - ohne Ball. "Das ist absolut erlaubt", erklärt mir Schmalenbach, der den Spieler für diesen Angriff lobt. "Wenn jemand den Ball hat, darf er auch angegangen werden."

Der Gelobte ist übrigens eine Frau. Leonie Wagner ist gerade 18 Jahre alt und wurde zuletzt für die Damen-Nationalmannschaft nominiert. Wie kommt man eigentlich dazu, eine so außergewöhnliche Sportart wie Kanupolo zu betreiben, will ich wissen? "Ich komme aus eine Paddler-Familie und auch mein Bruder hat schon Kanupolo gespielt. Da bin ich dann auch irgendwie hängengeblieben."

Dass sie dabei mit vielen Männern zusammen trainiert, macht ihr nichts aus. Die eventuell fehlende Kraft macht sie durch Schnelligkeit und Technik wieder wett. "Es kann schonmal sein, dass ich mit dem Paddel eins draufbekomme, aber dafür bin ich ja mit Helm und Weste geschützt", sagt die Coburgerin und geht mit ihrem Boot wieder aufs Wasser. In der abschließenden Übung kämpfen zwei Teams à vier Spieler gegeneinander. Es wird wild im Becken, immer wieder "säuft" ein Spieler ab, taucht aber gleich wieder auf. Sollte das einmal nicht klappen, helfen die anderen natürlich. "Da kommt sicher gleich jemand. " Beruhigend klingt das aber irgendwie immer noch nicht.


Die Sportart: "Voll Karacho aufs Boot ist nicht erlaubt"

Manche Leute sagen, es sei eine Mischung aus Handball und Basketball - nur eben im Kajak, andere tun es als eine andere Form von Rugby ab. Letztlich ist es sicherlich eine Mischung aus beidem.

Um Kanupolo spielen zu können, braucht man ein Spielfeld (25 x 35 Meter) mit zwei Toren an den kurzen Seiten des Spielfelds. Die Tore sind zwei Meter über dem Wasserspiegel angebracht. Die Coburger Teams tragen ihre Spiele auf dem Main bei Lichtenfels-Schney aus. Pro Team benötigt man jeweils fünf Spieler, Kanupoloboote und einen Wasserball. Die Spieler sind zusätzlich mit Helm (integrierter Gesichtsschutz) und einer Schwimmweste ausgestattet. Diese dienen der Vermeidung unabsichtlicher Verletzungen.

Um den Ball fortzubewegen, darf er von den Spielern mit der Hand geworfen oder mit dem Paddel gespielt werden. Der Ball darf nicht länger als fünf Sekunden gehalten werden. Innerhalb dieser Zeit muss der Ball mindestens einen Meter vom Körper fortbewegt werden. Spieler in Ballbesitz dürfen vom Gegner umgeschubst werden - nicht selten geht der Angegriffene dabei unter Wasser.

Allerdings gibt es durchaus auch Verbote beim Kanupolo. So darf der Spieler zum Beispiel nicht mit dem Boot hart anfahren. "Ich darf jemanden nicht mit vollem Karacho im 90-Grad-Winkel aufs Boot donnern", erklärt der Coburger Trainer Klaus Schmalenbach. Auch mit dem Paddel darf man nicht alles. Zwar ist es erlaubt, den Ball mit dem Paddel abzufangen, aber vom gegnerischen Körper - vor allem vom Wurfarm - sollte man es fernhalten.


Der Verein: Wettkämpfe nur auf dem Main

Es war Klaus Schmalenbach selbst, der die Sportart nach Coburg brachte. "Meine Frau und ich sind in München bereits mit der Sportart in Berührung gekommen und als wir umzogen, haben wir hier nach einem geeigneten Verein gesucht." Und im Jahr 2000 mit dem PSC Coburg gefunden.

Inzwischen spielen über 30 Aktive in mehreren Mannschaften erfolgreich beim PSC in Coburg - oder besser gesagt in Schney. Am Rande des Lichtenfelser Stadtteils haben die Paddler ihr Vereinsheim aufgeschlagen und gehen dort zu Wasser. "Weil das Schwimmbad in Coburg nicht groß genug ist, um dort Meisterschaftsspiele auszutragen, sind wir draußen auf dem Main, um zu trainieren und zu spielen", erklärt Schmalenbach. Selbst beim Training müssen sich die Aktiven einschränken, weil es mit Toren am Beckenrand nicht klappt. "Da wurde bei harten Würfen schon dann und wann etwas kaputt gemacht", so Schmalenbach.

Sowohl das Herren- als auch das Damenteam spielen in der Bundesliga - und das mit Erfolg. 2014 wurden die Coburger Kanupolo-Spielerinnen deutscher Meister. Dieser Erfolg blieb auch den Nationaltrainern nicht verborgen, mehrere Spielerinnen wurden für die Nationalmannschaft nominiert und holten den Europa- und den Weltmeistertitel.

Unter ihnen ist seit Kurzem auch Leonie Wagner. "Im Sommer wird es schon stressig, wenn man zwischen Bundesliga-Spieltagen, Lehrgängen und Nationalmannschafts-Treffs hin und her springen muss. Aber im Winter wird es ruhiger", erklärt die 18-Jährige.

Wer Kanupolo einmal live erleben will, hat am letzten Juli-Wochenende die Chance dazu. Dann veranstaltet der PSC Coburg in Schney ein Turnier anlässlich des 90-jährigen Bestehens des Vereins.