So funktioniert der Apothekennotdienst
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Freitag, 14. Februar 2020
Apotheker müssen Nacht- und Wochenenddienste leisten. Wie werden diese organisiert und wie sind die Erfahrungen damit?
Es sind die Beschwerden, mit denen man nicht gerechnet hat, am Abend, am Wochenende. Ein Medikament zur Linderung möchte man dann am liebsten sofort haben, nicht erst nach einer quälenden Nacht oder am nächsten Werktag. Dafür gibt es den Apothekennotdienst. Auch Bereitschaftsärzte verweisen ihre Patienten an die jeweilige Adresse, um das richtige Mittel rasch einnehmen zu können. Wo sich die nächste diensthabende Apotheke befindet, kann man aus der Zeitung erfahren oder im Internet nachschauen. An jeder Apotheke ist außerdem ein Schild mit dieser Information angebracht.
Organisiert wird der Notdienst seit 1987 von der Bayerischen Apothekerkammer. Zuvor waren die Kreisbehörden dafür zuständig. In München haben drei Mitarbeiterinnen mit der Dienstplanung zu tun, wie wir vom Pressesprecher der Kammer, Werner Kurzlechner, erfahren. Bereits im Oktober werde jeweils die Einteilung für das gesamte Folgejahr vorgelegt. Übers Jahr hätten die Kolleginnen - neben anderen Aufgaben - mit Aktualisierungen zu tun. Jede Änderung läuft über deren Tisch - etwa wenn eine Apotheke wegen Schließung nicht mehr zur Verfügung steht oder wenn aus Krankheits- oder sonstigen Gründen ein Diensttausch erforderlich ist. Bei der Festlegung von Dienstgruppen orientierte man sich nicht strikt nach Landkreisgrenzen. So wurde beispielsweise eine Apotheke im Itzgrund dem südlichen Bezirk im Kreis Lichtenfels zugeordnet, die in Weidhausen zum nördlichen Bezirk. Im Alpenraum blickt man auch schon mal nach Österreich oder Baden-Württemberg. Generell sollte niemand einen zusätzlichen Fahrtweg von mehr als 15 Kilometern in Kauf nehmen müssen, wie der Sprecher erklärt. Das sei durch die sinkende Zahl von Apotheken aber schwieriger geworden. Je weniger Apotheken es in einer Region gibt, desto mehr Dienste müssen sie leisten. Im Raum Lichtenfels ist eine Apotheke durchschnittlich 29-mal pro Jahr dran, an jedem 13. Tag. Das ist laut Kurzlechner "ein guter Durchschnitt". Gewechselt wird täglich. Früher dauerte die Dienstbereitschaft eine ganze Woche. Daran kann sich Hartmut Pensel noch erinnern. Seit rund 30 Jahren ist er Apotheker in Lichtenfels, genauso lange gehören für ihn Nacht- und Sonntagsdienste zu seinem Beruf.
Das Kundenaufkommen zu diesen Zeiten sei in den letzten Jahren weniger geworden, so seine Einschätzung. Er bringt dies nicht zuletzt damit in Verbindung, dass auch seitens der niedergelassenen Ärzte stärker darauf geachtet werde, nicht mehr rund um die Uhr verfügbar zu sein. Gefühlt werde er heute seltener mitten in der Nacht herausgeklingelt, sagt Pensel. Das Anspruchsdenken, "der Apotheker muss ja sowieso da sein", gebe es aber durchaus noch, und es sei auch schon vorgekommen, dass einer Kleingeld für den Zigarettenautomaten von ihm wollte oder morgens um halb fünf auf dem Weg zur Arbeit noch schnell ein paar Kopfschmerztabletten mitnehmen. Doch solche Fälle sind die Ausnahme.
Einen großen Unterschied macht es in Pensels Rats-Apotheke aus, ob der Notdienst auf einen Werktag oder das Wochenende fällt: An Sonntagen sei mit etwa zehnmal so vielen Patienten zu rechnen; 30 bis 50 sind es dann, nach einer Reihe von Feiertagen habe er auch schon 90 gehabt. "Da stößt du alleine an deine Grenzen", sagt der Apotheker. Langweilig wird es ihm im Notdienst aber auch unter der Woche nie. Er könne dann etwas abarbeiten oder mal in einer Fachzeitschrift lesen. Neben dem Computer ist auch ein Fernseher in der Apotheke vorhanden. Vor Mitternacht komme er im Dienstzimmer nie zur Ruhe und schlafe auch nicht wie daheim.
Im Gegensatz zu früheren Jahren, als der Dienst ohne jede Vergütung zu leisten war, gibt es seit 2013 eine Pauschale aus dem eigens hierfür eingerichteten Nacht- und Notdienstfonds des Deutschen Apothekerverbandes. Aktuell beträgt sie 280 Euro. Das Geld stammt von Cent-Beträgen einer großen Gemeinschaft: In den Preis eines jeden verschreibungspflichtigen Medikamentes ist ein Aufschlag (derzeit 21 Cent) eingerechnet, der hierfür verwendet wird.
Bürokratie und Konkurrenz
Trotz dieser Verbesserung ist es unattraktiver geworden, selbstständiger Apotheker zu sein. Das liegt aus Hartmut Pensels Sicht an der Arbeitsbelastung durch ein Mehr an bürokratischem Aufwand. Ältere Kollegen tun sich schwer, Nachfolger zu finden. Filialgründungen konnten einen rapiden Rückgang der Apotheken im Freistaat vermeiden - sonst wäre nicht einmal mehr die Hälfte vorhanden. Und dann gibt es da noch die Online-Konkurrenz. Die macht keine Notdienste und bietet auch sonst keine kostenlosen Dienstleistungen an. Noch habe es der Kunde in der Hand, ob sich die Apotheken vor Ort halten, betont Hartmut Pensel. Nach einer Schließung gebe es kein Zurück zur gewohnten Versorgungslage mehr: "Was zu ist, ist zu."