Ihr Abgang von der Jungen Liste löste ein politisches Erdbeben in Höchstadt aus: Regina Enz ist zum Feindbild geworden und bezieht nun Stellung.

Regina Enz hat mit ihrem Wechsel von der Jungen Liste zur CSU die Mehrheitsverhältnisse im Höchstadter Stadtrat noch vor der konstituierenden Sitzung gekippt. Von Bürgermeister Gerald Brehm hagelte es Vorwürfe. Im Interview mit dem Fränkischen Tag erklärt Enz, warum sie die JL und die Freien Wähler verlassen hat.

Frau Enz, Bürgermeister Gerald Brehm hat Ihren Wechsel zur CSU als die größte Enttäuschung seiner politischen Karriere bezeichnet. Wie war Ihr Verhältnis und wie ist es jetzt?

Regina Enz: Ich verstehe ihn. Aber ich bin auch enttäuscht, weil ich belogen wurde. Gerald Brehm und ich haben an vielen Stellen zusammengearbeitet. Politisch und beruflich haben wir Erfolge gefeiert und uns gut verstanden. Ich finde es schade, dass das Thema zu einer Schlammschlacht wurde.

Die Junge Liste um Bürgermeister Gerald Brehm wirft Ihnen vor, diese Unruhe durch den überraschenden Wechsel ausgelöst zu haben. Sie hätten den Wähler betrogen.

Wahlbetrug wäre für mich, den Wechsel vor der Wahl zu planen. Das war aber nicht so. Mir wurden Dinge versprochen, von denen die JL nach der Wahl nichts mehr wissen wollte. Überraschend kam mein Abschied auch nicht: Am 18. April habe ich Gerald Brehm mitgeteilt, dass ich die Junge Liste verlassen will. Er hat mir geschrieben, dass er den Wunsch nachvollziehen könne.

Auf einer Pressekonferenz warf die Junge Liste Ihnen politische Erpressung vor.

Das kann ich nicht verstehen. Ich habe lediglich auf die Einhaltung einer Abmachung gepocht.

Was war denn abgemacht?

Auf einer Klausurtagung 2018 gab es die Ansage der JL-Führung um Brehm, Irene Häusler und Axel Rogner, dass vier junge Mitglieder der JL prominente Plätze auf der Wahlliste zur Kommunalwahl 2020 erhalten sollen. Wer am besten abschneidet, soll als stellvertretender Bürgermeister nominiert und langfristig als Nachfolger von Gerald Brehm aufgebaut werden. Von den vieren bin ich im März als einzige in den Stadtrat gewählt worden.

Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen: Die JL leugnete solche Abmachungen.

In mehreren Whatsapp-Nachrichten vom 18. März, drei Tage nach der Kommunalwahl, hat mir Gerald Brehm bestätigt, dass das so stimmt und er mit mir zusammenarbeiten will. Wenige Wochen später erklärte er mir, dass er für mich als dritte Bürgermeisterin plädiert, wie in der Klausurtagung besprochen.

Warum kam es dann nicht zu Ihrer Nominierung?

Ich glaube, dass Gerald Brehm mich durchaus als Stellvertreterin installieren wollte. Offenbar konnte er das innerhalb der Jungen Liste nicht durchsetzen.

Gerade der Zeitpunkt Ihres Wechsels zur CSU noch vor der konstituierenden Sitzung hat für Ärger gesorgt. Es gab Stimmen, die Ihnen Postengeilheit vorwerfen. Immerhin kandidierten Sie nicht nur als Stadträtin, sondern auch als Spitzenkandidatin der Freien Wähler bei der Landratswahl.

Es geht mir nicht um Posten. Ich will über Themen sprechen, ich möchte die Politik mitgestalten. Das ist schwer, wenn man kein Amt inne hat. Im Kreis kamen die Freien Wähler auf mich zu und baten mich, als Spitzenkandidatin anzutreten. Sie haben mich als geeignete Person für dieses Amt angesehen. Natürlich hat sich bei mir eine gewisse Erwartungshaltung entwickelt. Wenn ich für so viele Ämter kandidiere, muss ich damit rechnen, dass auch mal ein Posten für mich herausspringt.

Trotzdem fühlten Sie sich bei den Freien Wählern nicht mehr gut aufgehoben.

Wenn ich das Gefühl habe, dass es etwas nicht stimmt, kann ich diese Zusammenarbeit nicht aufrechterhalten.

Einige Leser haben uns gegenüber ihr Unverständnis über Ihren Wechsel kundgetan. Können Sie diese Menschen verstehen?

Ja, grundsätzlich schon. Aber meine politischen Ideen nehme ich mit, egal in welcher Partei ich bin. Die CSU und die Freien Wähler liegen ideologisch nicht weit auseinander. Man hat im Wahlkampf bei Themen wie dem öffentlichen Personennahverkehr gesehen, dass beide Parteien ideologisch nah beieinander sind. Meine Ziele und meine Themen verfolge ich weiterhin.

Die Junge Liste kündigte an, ein Parteiausschlussverfahren gegen Sie einzuleiten.

Das ist Blödsinn. Laut Satzung des Landesverbands scheidet man automatisch aus, wenn man einer anderen Partei beitritt. Ich bin kein Mitglied der Freien Wähler mehr. Das habe ich Hubert Aiwanger auch schriftlich mitgeteilt.

Ein solches Verfahren droht auch dem zweiten Bürgermeister Günter Schulz. Halten Sie es für verwerflich, dass er seinen Posten behalten will?

Der SPD-Landesverband hat gegen jedwede Zusammenarbeit mit der AfD gestimmt. Ich finde es schwierig, im Amt zu bleiben, in dem Wissen, dass die entscheidende Stimme von der AfD kam. Dennoch fände ich es falsch, Christian Beßler zu ignorieren. Es geht um das Wohl der Stadt, nicht um Parteien.

Sein Gegenkandidat, Ihr Fraktionskollege Alexander Schulz, hätte sich ebenfalls von AfD-Vertreter Christian Beßler ins Amt wählen lassen.

Der Unterschied wäre, dass es in der CSU diesbezüglich keine Grundsatzabstimmung gab.

Zuvor kamen Gerüchte auf, dass Sie selbst vor Ihrem Wechsel zur CSU bei der AfD angeklopft hätten.

Das ist frei erfunden. Die AfD ist eine Protestpartei. Man darf die Wähler zwar nicht als Rechtsradikale pauschalisieren, viele drücken mit der Wahl der AfD ihren Widerspruch aus, dennoch möchte ich mich seriös und langfristig einbringen. Mit der AfD habe ich zu keinem Zeitpunkt gesprochen.

Frau Enz, haben Sie ein reines Gewissen, was die vergangenen Wochen angeht?

Ja, absolut. Ich kann noch jeden Morgen in den Spiegel schauen. Nicht ich habe das Vertrauen missbraucht, sondern andere, indem sie lügen. Das Gespräch führte

Hendrik Kowalsky