Die Beschäftigten der 65 Kindertageseinrichtungen im Landkreis Haßberge haben es nicht leicht: Sie müssen Hygienekonzepte erarbeiten und sich im Wochentakt auf neue gesetzliche Bestimmungen einstellen. Ein Balanceakt.
Kreis Haßberge Kinder brauchen Kinder. Doch um die Kleinsten zu schützen - und eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern - wurden die Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen am 16. März bundesweit geschlossen. Mit einem Schlag wurde es auf den Fluren der 65 Kinderbetreuungseinrichtungen im Landkreis Haßberge still: 3512 Kinder (Stand März 2020) blieben von einem Tag auf den anderen zuhause.
Die Vorschulkinder sind zurück
Seit dieser Woche (Stichtag war Montag) ist es in den Betreuungseinrichtungen wieder lauter geworden. Denn nun dürfen - neben den Kindern, deren Eltern im Bereich der kritischen Infrastruktur arbeiten - auch die Vorschulkinder wieder in den Kindergarten. 680 Vorschulkinder und ihre Geschwister sind zurück.
Für die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen vor Ort ist das eine weitere Herausforderung, die sie stemmen müssen. "Immer, wenn sich etwas ändert, müssen wir herum tüfteln, um die Betreuung und Sicherheit zu gewährleisten", erklärt Susanne Schmid. Sie leitet die evangelische Kindertagesstätte "Regenbogenhaus" in Zeil.
Sie und ihre Kolleginnen waren die ersten Wochen nach dem Lockdown ganz allein im Kindergarten. Im Zuge der Lockerungen (der Kreis der Eltern, die einen Anspruch auf eine Notbetreuung haben, wurde stetig erweitert) ist die Zahl der Kinder dann auf 19 gestiegen. "Wobei die meisten Kinder nicht jeden Tag kommen", erklärt sie.
Hygienekonzept steht
Seit Montag ist die Kinderzahl um acht Vorschulkinder plus zwei Geschwisterkinder gewachsen. Am Hygienekonzept im Regenbogenhaus ändert das wenig. Die Kinder werden an der Eingangstür von einer Erzieherin in Empfang genommen beziehungsweise verabschiedet. Die Eltern dürfen das Gebäude nicht betreten. "Dann marschieren schon die Kleinsten schnurstracks ins Bad zum Händewaschen, bevor es in die Gruppenräume geht", berichtet Schmid.
Beim Spielen gelingt es gerade den Kleinsten nicht wirklich, einen Sicherheitsabstand einzuhalten. "Aber beim Essen haben die Kinder einen leeren Stuhl zwischen sich. Mit jetzt 29 Kindern mussten wir in einen größeren Raum wechseln", ergänzt Schmid. Bei der Konzeptionierung und Umsetzung der Hygiene- und Abstandsregeln sind die 38-Jährige und ihre Kolleginnen weitgehend auf sich gestellt.
Seitens des Sozialministeriums gibt es nur eine Handreichung für die Kindertagesbetreuung in Zeiten des Coronavirus, welche per E-Mail Ende April an die Einrichtungen und Träger versandt wurde, so Schmid. Darin werden verschiedene Maßnahmen beschrieben und empfohlen, um das Ansteckungsrisiko möglichst gering zu halten und eventuelle Infektionsketten in der Kita nachvollziehbar zu machen.
"Sinnvoll sind kleine Gruppen mit immer gleichen Kindern und gleichem Personal in gleichen Räumen; eine Dokumentation, wer die Einrichtung wann betritt; Eltern geben ihr Kind am Eingang ab und betreten die Einrichtung nicht; einzelne Gruppen haben unterschiedliche Gartenzeiten und so weiter", zählt Katharina Tschischka auf. Sie hat die Kindergartenaufsicht im Landkreis und berät die Kindergärten und ihre Träger auf Anfrage.
Laut Tschischka haben alle Einrichtungen im Landkreis ihr bestehendes Hygienekonzept erweitert und der momentanen Situation angepasst. "Für die Kinder und Mitarbeiter besteht keine Maskenpflicht, jedoch sind die Mitarbeiterinnen in kritischen Situationen wie zum Beispiel beim Wickeln und Füttern oder auch beim Übergabegespräch mit den Eltern an der Tür dazu angehalten, Masken zu tragen", ergänzt Tschischka. Die Zurückhaltung der (berechtigten) Eltern, ihre Kinder in Betreuung zu geben, ist mit der Dauer des Betreuungsverbotes und den Lockerungen zurückgegangen. "Aber noch immer nutzen nicht alle Eltern, die einen Anspruch hätten, diesen auch", erklärt Tschischka und liefert die Zahlen. Anfang April wurden im gesamten Landkreis 55 Kinder notbetreut. Ende April waren es 306 und mit dem Stand 18. Mai besuchten 562 Kinder die Notbetreuung. Das entspricht 16 Prozent der Kindergartenkinder.
Kindergartenleiterin Schmid aus Zeil empfindet diese Zurückhaltung als Erleichterung. "So gelingt es uns natürlich einfacher und besser, die Hygieneregeln umzusetzen."
Aktuell orientiert sich die Betreuung noch an den (arbeitstechnisch) benötigten Zeiten der Eltern. Mit der geplanten Ausweitung der Betreuung auf die Vorschulkinder seit 25. Mai soll sich auch der Betreuungsrahmen hin zu den regulären Öffnungszeiten verändern.
Große Verunsicherung
Ulrike Kraus, Leiterin des Kindergartens Knetzgau, blickt der schrittweisen Öffnung mit sehr gemischten Gefühlen entgegen.
"Wir freuen uns sehr auf die Kinder und ich finde die stufenweise Öffnung gut. Allerdings kann ich mir derzeit nicht vorstellen, wie wir das Hygienekonzept in unseren beengten Räumlichkeiten umsetzen sollen", erklärt sie. Seit über dreißig Jahren leitet Kraus den Knetzgauer Kindergarten und kommt jetzt, mit 57 Jahren, an ihre Grenzen.
"Wir haben nur Empfehlungen, aber keine Vorgaben. Es gibt nicht einmal Höchstgrenzen für die Kinderzahl in den Gruppen, keine verbindlichen Regelungen wie wir uns verhalten sollen. Ich finde das schwierig." Dabei muss Kraus nicht nur an die Kinder, sondern auch an ihr Personal denken, unter dem sich auch Risikopatienten befinden.
Mundschutz auf
Mit der Öffnung für die Vorschulkinder schnellt die Kinderzahl in Knetzgau von jetzt 25 auf über 60. In den Gruppen tragen die Mitarbeiterinnen keinen Mundschutz, beim Gespräch miteinander oder bei Begegnungen im Flur allerdings schon. Auch die Eltern, die ihre Kinder bringen, müssen Mundschutz tragen.
Bei aller Unsicherheit - eine Regelung befolgen alle Kinderbetreuungseinrichtungen strikt: Sobald ein Kind Symptome zeigt, darf es den Kindergarten nicht mehr betreten.