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Unterwegs mit mobilen Pflegerinnen in Bamberg


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Freitag, 14. Februar 2020

Was motiviert mobile Pflegekräfte bei ihrer täglichen Arbeit? Welche Sonnen- und Schattenseiten hat ihr Beruf?
"Einen fröhlichen Menschen hat Gott lieb", erklärt die Seniorin ihren Pflegerinnen, als Michelle Köhne ihr Thrombosestrümpfe anzieht. Katharina Merkel kümmert sich um die Dokumentation.  Foto: Sebastian Schanz


Es ist noch dunkel, als Katharina Merkel und Michelle Köhne in ihrem Caritas-Kleinwagen durch den Bamberger Osten kurven. Die 26-jährige Altenpflegerin am Steuer entdeckt vor dem Mehrfamilienhaus der ersten Patientin so etwas Ähnliches wie eine Parklücke und stößt rückwärts hinein. Als sie mit der Auszubildenden aussteigt, weht den beiden Frauen ein nasskalter Wind ins Gesicht. 6.35 Uhr: Zeit für den ersten Hausbesuch ihrer morgendlichen Tour.

Im Mehrfamilienhaus riecht es noch nach Schlaf. Eine rüstige Rentnerin im Morgenmantel macht gut gelaunt die Wohnungstür auf, Kaffeeduft weht hindurch. Aus dem Radio trällert Billy Ocean "Baby, Love really hurts without you", als die beiden Pflegerinnen aus ihren Jacken schlüpfen. "Wie geht's der Schulter", fragt Merkel. "Naja, schon besser, aber...", antwortet die 80-Jährige, die wie junge 70 aussieht und fit scheint wie eine 60-Jährige. "Ich hab mit den Mädels auch schon getanzt", erzählt die ehemalige Schulsekretärin dem staunenden FT-Reporter.

Dann geht es ins Bad. Rücken waschen. Das schafft die Seniorin mit der Schulterverletzung nicht alleine. Und so freut sie sich, dass "ihre Mädels" ihr zur Dirty-Dancing-Titelmusik "Time of my Life" auch noch eine Creme auftragen. "Ein neuer Duft, vielleicht laufen uns da heute die Männer hinterher", flachsen die drei Frauen im Badezimmer. Dann müssen Katharina Merkel und Michelle Köhne weiter zur nächsten pflegebedürftigen Bambergerin.

20 bis 22 "Klienten" klappern die Caritas-Mitarbeiterinnen auf ihrer morgendlichen Tour durch den Bamberger Osten ab. Wenn nicht gerade eine Azubine dabei ist, leistet Merkel das alleine. Nun sperrt sie eine Tür auf, reicht einer Frau in Unterwäsche ihre Tabletten und wartet, bis sie die Medizin genommen hat. "Hmmm, lecker", sagt die Seniorin ironisch und streckt die Zunge heraus. Dann verabschieden sich die Pflegerinnen schon wieder.

Eine Klientin hat extra ein Gedicht für die Helferinnen geschrieben und überreicht es:

"Die Krankenschwestern

haben uns gerne

begleitet und gesehen.

Die Krankenschwestern

haben uns gestärkt,

damit wir bestehen.

Sie haben uns durch Nächte

zum Lichte geführt

und unsere Herzen

zutiefst berührt." Dichterin Eva S. leidet unter schweren epileptischen Anfällen. Ohne die mobilen Helfer der Caritas-Sozialstation Bamberg-Ost/Gaustadt könnte sie nicht zu Hause wohnen bleiben.

"Ich habe schon im Kindergarten der Mama gesagt, ich möchte im Altenheim arbeiten. Ich hatte schon immer so ein kleines Helfersyndrom", erzählt Katharina Merkel, als sie wieder durch das morgendliche Bamberg düst. "Ich geh' jeden Tag mit einem guten Gefühl nach Hause." Michelle Köhne desinfiziert auf dem Beifahrersitz ihre Hände, spritzt auch der Fahrerin etwas auf die Handfläche. Warum hat sie die die Ausbildung zur Krankenschwester begonnen? "Nach der Schule habe ich verschiedene Praktika gemacht. Das hat mir am meisten gefallen", erzählt die 18-Jährige. "Bevor meine Oma gestorben ist, habe ich mich um sie gekümmert. Die hat damals schon gesagt, dass ich mal Altenpflegerin werde. Die hat das schon gewusst."

Wieder hält der Wagen vor einem Mehrfamilienhaus, Merkel blickt auf ihr Diensthandy, das die Pflegerinnen über eine App mit allen Infos zum Klienten versorgt. Kühne rasselt mit einem dicken Schlüsselbund - manche Patienten können nicht selbstständig die Tür aufmachen. Die Frauen sperren sich selbst auf. Im Esszimmer sitzt ein Pärchen in Unterwäsche und trinkt Kaffee. Der Mann tingelt aufgeregt um die zwei Besucherinnen herum und reicht ihnen selbst gemalte Skizzen von Pferdekutschen. "Der ist so nett, er schenkt uns immer was, er backt auch Stollen und Kuchen", erzählt die Altenpflegerin, als sie wieder zur Tür draußen ist.

Die Dankbarkeit der Menschen, das ist die Sonnenseite dieses Berufs. Und die Schattenseiten? Wer sich in der Branche umhört, erfährt von anderen Pflegerinnen, die aufwendige Dokumentationszwänge in ihrer Freizeit erledigen, von Zeitdruck und Fachkräftemangel, von Dienstausfällen, die kompensiert werden müssen, oder von Leistungen, die von den Krankenkassen nicht übernommen werden, obwohl sie sinnvoll wären.

Kritisiert wird von einer Führungskraft auch die neu gegliederte Generalausbildung, bei der angehende Krankenschwestern und Pflegerinnen überall reinschnuppern, sich aber nirgends richtig einarbeiten könnten. Auch unfreundliche Klienten gebe es, freilich, doch sie seien die große Ausnahme.

Es ist schon lange hell, als Katharina Merkel und Michelle Köhne für eine kurze Pause anhalten. Sie haben Thrombosestrümpfe angezogen und Menschen gebadet, Verbände gewechselt und Medikamente gereicht. Und obwohl ihnen die Uhr im Nacken sitzt, haben sie manches geleistet, das nicht auf dem langen Kosten-Katalog der Pflegeversicherung aufgelistet ist.

"Die Krankenschwestern

sind ausgeglichen

in Wort und in der Stille.

Die Krankenschwestern

zeigen ihre Hilfsbereitschaft

sanft in Hülle und Fülle

Sie haben uns durch ihr Tun

so oft achtsam beschenkt

und unsere Wege weise gelenkt."