Druckartikel: Gesundheit? Wird doch total überschätzt!

Gesundheit? Wird doch total überschätzt!


Autor: Brigitte Krause

LKR Haßberge, Dienstag, 11. Februar 2020

Zum Thema "Gesundheit" hat die Zeiler Lokalredakeurin Brigitte Krause eine Glosse verfasst. Schließlich heißt es ja auch: Lachen ist gesund.
1947 entstand dieses Foto von Thomas Mann in den USA. Wegen der Nazis war er dorthin geflüchtet. Insgesamt dauerte sein Exil 15 Jahre.Archiv/dpa


Wie soll jemand gesund sein, der den Tag über Stunde für Stunde auf dem Schreibtischstuhl kauert, in seinen Computerbildschirm starrt und auf die tägliche Deadline hinarbeitet? Der seit drei Tagen fühlt, dass da was auf ihn zukommt. Vom rechten Backenzahn aus nämlich, der sanfte Schmerzlaute von sich gibt, die über die Zeit nicht einmal das vielgerühmte Vielkräuter-Pfefferminzöl der Schwester wegzaubern kann.

Was heißt gesund?

Aber, ach was,Gesundsein wird total überschätzt. Wer ist schon gesund??? Und was heißt gesund überhaupt? Entzündungen befinden sich nahezu zu jeder Zeit in jedem Körper, das weiß doch jeder, der die Apotheken-Umschau liest, dazu eine Unmenge Bazillen, Viren und Milben, Krabbelviecher, die kein Mensch restlos bestimmen kann. Dieses tückische Gemenge wartet auf den Moment, in dem der Körper angeschlagen ist, und patsch, breitet sich eine fette Erkältung, ein dickes Ohr oder unerklärliches Kopfweh in einem aus.

Ein Fest für das Viechzeugs ist's, wenn der Körper das Atmen aufhört, das Herz nicht mehr schlägt.

Da hat man das mehr oder weniger würdevolle Sterben gerade hinter sich, und schon geht's munter los mit der Zersetzerei. Eine Armada übernimmt den stolzen Individualisten und macht ihn sich zu eigen. Bei passender Außenwärme wird aus jedem noch so schönen, gepflegten und angemalten Körper eine Chemiefabrik, in der die Party abgeht. Da herrscht vielleicht sogar mehr Action, als der Betreffende zu Lebzeiten je selber hatte.

Persönliche Freiheit?

Das mit dem Individualismus und der persönlichen Freiheit ist so gesehen ein Irrtum. Komische Idee, gesund sein zu wollen. Wer hat mit diesem Quatsch angefangen? Weil, kaum hat sich der eingewachsene Nagel beruhigt, geht es weiter mit Schlaflosigkeit und Herzklopfen.

Eine Pille früh und abends hält das Herz in Schach, doch schon muckt das Kniegelenk, ja oder die Haut juckt. Obwohl man das noch nie hatte, genauso wie den Hexenschuss. Eigentlich ist immer was. Und wenn nicht, dann kommt der Ehemann mit einem gequetschten Finger oder Herzrhythmusstörungen.

Wenn Gesundheit die Abwesenheit von Schmerz bedeutet, könnte man meinen, Gesundheit ist alles andere als der Grundzustand des Menschen. Und dazu kommt, kaum ist der Schmerz weg, tun wir lauter lustige Dinge, die unheimlich Spaß machen, aber alles andere als gesund sind. Auf dem Sofa liegen, fernsehen oder lesen und Chips und Toffifees essen, die Cola steht auf dem Tisch. Oder grillen und die Bratwurst so lange bräteln, bis sie zusammengeschrumpelt und angekokelt ist. Quasi krebserregend.

Glücklich muss man doch auch sein, oder?

Kommt's denn wirklich, wirklich sooo drauf an, gesund zu leben? Ist nicht die Psyche auch ganz tiefgreifend an der Gesundheit beteiligt? Man kann ja dick sein und gesund - so heißt es jedenfalls.

Und überhaupt, wenn wir in die Welt der Künstler schauen, da gilt ja die Gesundheit nichts. Thomas Mann zum Beispiel: War überzeugt davon, dass nur Künstler sein könne, wer krank sei. Alleine die Krankheit erzeuge die Sensibilität für die Kunst.

Oder Van Gogh: das wahnsinnige Genie. Für Friedrich Nietsche war die Krankheit ein "mächtiges Stimulans". Für das kopfwehgeplagte Genie hieß es allerdings, wenigstens gesund genug zu sein für dieses Stimulans.

Also, fassen wir zusammen, es geht im Grunde darum, seine eigene Gesundheit zu finden.

100 Jahre nach Nietsche nennt man das Salutogenese-Modell: Gesundheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Also, wie's die fränkischa Fraa ihrm fränkischn Moo immer secht: Manchmal muss ma halt a mal a bissla was aushalt'. Da braucht's ka Globuli und ka Pflanzntröpfla, da braucht's Geduld und Ruhe. Hinlegen und schlafen. Kuriert erwiesenermaßen diverse Krankheiten, besonders die, die man sich des Abends in der Kneipe zugezogen hat.