Uwe Kirschstein (SPD) hat sechs weitere Jahre als Oberbürgermeister in Forchheim vor sich. Im FT-Interview spricht er Klartext.
Der Schulterschluss von CSU und Grünen im Wahlkampf hat zumindest in seiner Vehemenz überrascht. Wie wirkt sich das auf die kommende Zusammenarbeit aus?
Uwe Kirschstein: Für mich gibt es drei große Botschaften dieser Wahl. Die erste, dass ich Oberbürgermeister der Stadt Forchheim sein soll. Die anderen: Es gibt großen Zuspruch für konservative und für grüne Themen. Das will ich jetzt abbilden, auch in der Zusammenarbeit mit CSU und FGL. Ich bin nicht so naiv, nicht zu wissen, dass der Wahlkampf seine eigenen Regeln hat. Da wird manches dramatischer formuliert, das ist okay.Ihre SPD fußt auf einer eingeschworenen Wählerschaft, wenn auch aus einer defensiven Rolle heraus. Sieben Sitze im Stadtrat, reicht Ihnen das?
Wird die SPD jetzt konservativer und grüner, wird sie offener?
Der Komparativ würde ja implizieren, dass es in der Vergangenheit anders war. Aber so war es einfach nicht. Aus Mediensicht mag man das etwas zugespitzt so sehen. Aber wir haben nie etwas abgeblockt oder boykottiert. Wie konnten wir auch, wir waren fünf von 41. Daran sieht man, dass es sehr wohl eine Zusammenarbeit gab. Die Stadtpolitik ist unabhängig von Parteifarben - und es wird der Lackmustest der nächsten Jahre, wie wir als Stadtrat zusammenarbeiten.
Wie strategisch müssen Sie nun bei der Wahl des Zweiten Bürgermeisters vorgehen? Haben Sie einen Lieblingskandidaten, über den Sie möglicherweise den Anschluss an den Stadtrat erhöhen wollen?
Seit ich arbeite, arbeite ich strategisch. Dass ich das vor vier Jahren nicht machen konnte, hängt damit zusammen, dass ich 2016 in ein bestehendes System hineingewählt wurde. Ich konnte nichts entscheiden, es war alles schon geklärt. Jetzt haben wir die Möglichkeit, diese Rahmenbedingungen zum ersten Mal neu zu setzen und neu zu verhandeln. Ich hab sogar zwei Lieblingskandidaten, weil es zwei Stellvertreter geben soll. Die sollen eine größere Basis abbilden und größere Akzeptanz in der Bevölkerung erzeugen.Und wer soll es sein?
Die Corona-Krise reißt Löcher in den Haushalt. Wie groß ist Ihre Angst, dass Forchheim handlungsunfähig wird?
Ich würde gerne Dramatik herausnehmen. Im Vergleich zu den letzten Planungen fehlen uns fünf Millionen, was nicht wenig ist. Aber, wenn man es sich im Detail anschaut, verzichten wir auf Dinge, die wahrscheinlich ohnehin nicht in die Umsetzung gekommen wären. Wir haben mit 37 Millionen Euro Investitionsmasse immer noch den größten Haushalt, den Forchheim je hatte.Also ist genug Geld da, um einen städtischen Rettungsschirm für alle Corona-Geplagten aufzuspannen?
Es gibt großen Finanzbedarf für notwendige Aufgaben der Stadt. Das kann eine Art Rettungsschirm sein. Doch diese Aufgaben liegen woanders, bei Staat Landkreis. Wir sind natürlich gern bereit und willens, als Stadt unseren Beitrag zu leisten. Aber wir sind nicht befugt, Rettungsschirme aufzuspannen.Dennoch wenden sich Bürger mit ihren Sorgen an Sie. Mit welchen konkreten Maßnahmen können Sie ihnen Mut machen?
Da sind zu allererst die Hilfsangebote, die wir sammeln und zentral bündeln. Hierbei hätte ich mir mehr Unterstützung vom Landkreis gewünscht. Was wir machen können, betrifft das Thema Liquiditätserhalt. Wir haben Objekte, die wir vermieten. Es geht darum, wie wir Bewohnern und Gewerbetreibenden in der Miete entgegenkommen können. Ganz konkret ist auch das Thema Kinderbetreuung: Um Abrechnungen einfacher zu machen, wird der März von der Stadt nicht spitz abgerechnet. Für die Eltern wird der April beitragsfrei.Überhaupt fühlen Sie sich in Ihrer Rolle im Krisenmanagement des Landkreises nicht wohl. Welche Befugnisse fordern Sie?
Das ist eine Frage der Informationsverbreitung und keine Frage der Entscheidungskompetenz; die brauche ich nicht und die steht mir auch nicht zu. Da gibt es einen klar definierten Rahmen, in dem ich nicht dabei bin. Ich will da auch nicht mitreden. Aber ich will Informationen erhalten und da reicht es nicht, wenn ich vom Landratsamt alle vier Tage eine E-Mail bekomme. Was schon vorher in der Zeitung stand, brauche ich nicht. Die Leute fragen mich und ich würde die Situation gerne bewerten, etwa, was die Einschränkung der Grundrechte beinhaltet. Aber ich kann es nicht final beantworten...Warum eigentlich nicht mitreden?
Als OB der Stadt Forchheim vertrete ich ein Drittel der Bevölkerung des Landkreises. Aber durch die Rolle des staatlichen Landratsamtes als Aufsichtsbehörde gibt es immer ein Nicht-ganz-auf-Augenhöhe-Kommunizieren. So habe ich es in den letzten vier Jahren wahrgenommen. Dabei wäre es total einfach, die Stadt Forchheim einzubinden. Stattdessen bekommen wir sehr wenig bis gar nichts an Informationen, das finde ich schade. Da lohnt sich ein Blick nach Bamberg: Dort sind Stadt und Landkreis auf Augenhöhe, weil Bamberg kreisfrei ist. Der dortige OB und der Landrat treten häufig zusammen auf.Deshalb hatten Sie die Kreisfreiheit ins Gespräch gebracht. Stehen Sie weiter zu der Forderung? Oder diente sie eher für den Wahlkampf?
Ich halte die Kreisfreiheit weiter für eine Vision. Wahrscheinlich dauert das locker noch 20 Jahre, aber ich muss mich auf den Weg machen. Der Ansatz ist ja auch nicht neu, mein Vorgänger Franz Stumpf sprach davon und ich war schon damals mit ihm einer Meinung.Die Idee ist nicht neu, aber das Argument des Landrates Hermann Ulm lautete zuletzt, sie sei veraltet. Wozu die Idee der Kreisfreiheit noch vorantreiben?
Ich glaube, diese Idee wird immer aktueller werden. Wenn man sich den Landesentwicklungsplan Bayern anschaut, sieht man, wie speziell Forchheim, wie speziell unsere Region ist. Der Landkreis Forchheim ist ein Raum mit besonderem Handlungsbedarf. Das ist ein schöneres Wort für: Wir sind ein bisschen abgehängt worden. Innerhalb dieses Raumes gibt es ein Oberzentrum. Forchheim soll überregionale Verantwortung übernehmen und Infrastruktur für den Landkreis bereitstellen. Das ist eine Führungsrolle, die ich gern übernehmen will. Der nächste logische Schritt ist, über das Thema Kreisfreiheit nachdenken zu dürfen. Formal sind wir auf der gleichen Höhe wie alle anderen 28 Landkreis-Kommunen, aber ich glaube, dass Forchheim innerhalb des Landkreises eine besondere Bedeutung zukommt.Was brächte es den Bürgern, wenn Forchheim kreisfrei würde?
Für einen bestimmten Teil der Bürger ändert sich einiges. Wie sieht es etwa aus mit unserer Jugendhilfe, mit einem Armutsbericht, mit weiterführenden Schulen? Das sind alles Themen, die ich nicht beantworten kann, weil ich als OB über die Daten nicht verfügen darf. Und auch der Nahverkehr könnte dann beispielsweise in städtische Hand kommen, was dessen Taktung vielleicht sogar verbessern könnte.Das Gespräch führten die FT-Redakteure Ekkehard Roepert und Stephan Großmann.