Exodus der Bamberger Firmen?
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Montag, 04. März 2019
Zahlreiche Unternehmen wollen expandieren - doch Gewerbeflächen sind knapp. Der Stadt droht ein Verlust an Wirtschaftskraft. Das Umland profitiert.
Platz weckt Potenziale: In seiner neuen Halle hat Unternehmer Alexander Schraudner jede Menge von beidem. Für die Fertigung von Präzisionsteilen für den Sondermaschinenbau stehen 8500 plus 2500 Quadratmeter als Option zur Verfügung. In Scheßlitz.
"In Bamberg hätten wir nur 3000 bis 4000 Quadratmeter bekommen", berichtet Schraudner, der mit seinen 50 Mitarbeitern am Börstig aus allen Nähten platzte. Die Stadt habe sich echt bemüht, sagt er, aber: "In Bamberg ist es wahnsinnig eng." Der Befreiungsschlag gelang stattdessen 15 Kilometer weiter auf der A 70 in Richtung Norden: Am Steinernen Kreuz in Scheßlitz, wo einige große Hallen stehen. "Hier haben wir Potenzial, uns zu erweitern. Hier könnten wir noch mal 100 Mitarbeiter beschäftigen." Verwaltung und Kleinteilefabrikation bleiben in Bamberg - die Hauptfertigung ist nach Scheßlitz verlagert.
Schraudner hat die Montagefirma seit 1998 vom klassischen Einmannbetrieb zu einem mittelständischen Unternehmen geführt. Kunden wie Bosch, Brose und Co. sorgten zuverlässig für eine stabile Nachfrage bei der Fertigung der Maschinenteile in kleinen Stückzahlen. Deutschland sieht der Gründer beim Maschinenbau insgesamt als starken Standort mit Zukunftspotenzial, aber: "Wachstum ist für uns in Bamberg nicht mehr möglich, nur noch in Scheßlitz."
Schraudner ist den Schritt ins Umland gegangen. Seine Gewerbesteuern zahlt er künftig vorrangig in Scheßlitz. Und die Firma ist längst nicht die einzige, die vor dieser Entscheidung steht.
"Wir sind seit 1960 hier und seit sechs Jahren auf der Suche nach einem neuen Standort", sagt Christopher Stark, der auf einem beengten Gelände an der Schwarzenbergstraße gegenüber vom Atrium Lastwagen und Reisemobile repariert. 32 Leute auf 7500 Quadratmetern: 10 000 Quadratmeter oder mehr sucht der Unternehmer.
Keine Smarts, sondern Laster
"Wir sind eine Werkstatt für Nutzfahrzeuge, das ist kein Kinderspielzeug hier", sagt der Inhaber. "Wir reparieren keine Smarts." Das Engagement der Stadt halte sich in Grenzen, was die Hilfe bei der Suche nach Alternativflächen angeht, findet er. Das Umland sei eine Option, aber: Wegen seiner Kunden könne er "nicht in den extremen Landkreis" ziehen. "Wir hätten Expansionspotenzial ohne Ende, aber ich weiß nicht, wo ich meine Leute arbeiten lassen soll."
Einen "Sonderfall" nennt Inhaber Markus Eichinger seinen Handel für italienische Spezialitäten Culinaria. "Wir wollen wegen des Bahnausbaus woanders hin", sagt der Chef von 15 Mitarbeitern an der Nürnberger Straße. Bamberg sollte es schon sein, als Einzelhändler müsse man gesehen werden. "Aber die Stadt hat gar nichts."
Eingezwängt am Hafen
Nicht 15, sondern 1500 Mitarbeiter hat Rüdiger Elflein in seiner Spedition, 300 davon in Bamberg. "Wir arbeiten schon auf sehr, sehr beengtem Raum", sagt der Geschäftsführer zum 15 000 Quadratmeter großen Standort auf dem Hafengelände. Die Anbindung ans Wasser sei unwichtig. Existenziell dagegen der Platz: Es sei ein echtes Problem, dass keine Möglichkeit der Erweiterung gegeben sei.
Im Raum steht eine Verdoppelung. "Es ist dringend geboten, in Transport und Logistik zu investieren", sagt Elflein und wehrt sich gegen Verteufelungen einer ganzen Branche: "Ohne Logistik haben wir keinen Handel in Europa und der Welt, ohne uns kommen keine Zündkerzen nach Wolfsburg, München oder Stuttgart." Die Stadt Bamberg, so sein Eindruck, würde gerne unterstützen, habe aber nichts im Angebot. Kommt das Umland in Frage? "Eventuell ja", antwortet Elflein knapp.
Der Stadt ist das Problem bekannt: "Es ist richtig, dass es in Bamberg derzeit kaum mehr Gewerbegrundstücke für die Erweiterung, Umsiedlung oder Neuansiedlung von Unternehmen gibt", erklärt Wirtschaftsreferent Stefan Goller. "Deshalb bedauern wir, dass uns durch den Stopp des Bebauungsplanverfahrens für die Entwicklung des Gewerbeparks Geisfelder Straße auf dem ehemaligen Muna-Gelände die Möglichkeit entgangen ist, unseren Unternehmen dringend benötigten Entwicklungsspielraum zu bieten." Ruth Vollmar, Leiterin der Wirtschaftsförderung, ergänzt: "Derzeit können wir Unternehmen bei ihrer Suche nur mit der Vermittlung von Kontakten zu privaten Immobilienangeboten unterstützen." Auch hier sei das Angebot jedoch sehr begrenzt, und Bestandsimmobilien entsprächen oft nicht den Anforderungen der Suchenden.
Die Situation: angespannt. Aus dem Kontakt mit suchenden Unternehmen wisse man, dass diese über kurz oder lang auch nach Alternativen außerhalb der Stadt suchen müssen, sagt Goller. "Diese Unternehmen trotz des knappen Flächenangebots in Bamberg zu halten, wird eine der großen Herausforderungen für die Zukunft sein."
INFO:
Nachfrage Bei der Wirtschaftsförderung der Stadt waren 2018 insgesamt 85 Unternehmen registriert, die kurz- bis mittelfristig insgesamt rund 70 Hektar Gewerbeflächen benötigen.
Einheimische Über die Hälfte der Suchenden (49 Unternehmen mit rund 35,9 Hektar Platzbedarf) sind demnach Bamberger Unternehmen, die an ihrem jetzigen Standort bereits alle Entwicklungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, und deshalb ihren Betrieb verlagern müssen.
Industriebrachen Entgegen der wachsenden Nachfrage nach Gewerbeflächen wurden gewerblich nutzbare Flächen im Stadtgebiet in den vergangenen Jahren reduziert, indem einige Industriebrachen zu Wohnbauflächen umfunktioniert wurden. Als Beispiele nennt die Wirtschaftsförderung Schaeffler, Glaskontor und Erba. Auch das Eberth-Gelände in der Gereuth soll bald für Wohnungen umgestaltet werden.
Hinterhand Es gibt laut Stadt fast keine sofort ansiedlungsbereiten Flächen mehr. Die Gründe: unübersichtliche Eigentumsverhältnisse, nicht verkaufsbereite Eigentümer, fehlende Erschließung, kein Bebauungsplan.
Kommentar des Autors:
Bamberg hat im Vergleich zu anderen Städten relativ viele Gewerbeflächen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Bamberg bekommt trotzdem relativ wenig Gewerbesteuern. Das liegt unter anderem daran, dass der größte Arbeitgeber Bosch wegen alten Verlusten und Investitionen keinen Cent zahlen muss. Umso wichtiger werden die vielen kleinen und mittelständischen Firmen. Doch gerade die sind es, die oft an miesen Standorten festsitzen, eingepfercht, fehl am Platz in einem zunehmend urbanen Wohnbereich. Gegenüber vom Atrium ist unbestritten ein ungünstiger Standort, um Lastwagen zu reparieren. Und unbestritten sollte es auch sein, was in der heutigen Zeit alles von guten Logistikern abhängt. Und die brauchen nun mal Platz. Wenn ein Unternehmen umzieht, schafft das wieder Entwicklungspotenzial für andere. Doch der Mangel an Gewerbeflächen führt zu Stillstand, statt Wandel . Und der Mangel ist keine Erfindung von Politikern. Industriebrachen werden aktuell für Wohnungen umfunktioniert. Es braucht also einen Befreiungsschlag. Der letzte - der in Richtung Muna - ging kräftig nach hinten los. Umso wichtiger werden Gebiete wie das nördlich der Bundesstraße 26. Ob das allerdings ein Wirkungstreffer wird, muss sich noch zeigen.