Noch kurz vor Kriegsende zogen KZ-Häftlinge auf einem der sogenannten Todesmärsche durch Wallenfels. Vier Zeitzeuginnen erinnern sich.
"Es war ein herrlicher Frühlingstag bei strahlendem Sonnenschein, aber dann verdunkelte sich die Sonne im wahrsten Sinne des Wortes" - in dieser Aussage waren sich alle vier Frauen einig, die damals Anfang April 1945 als Kinder den Marsch der todgeweihten Häftlinge durch Wallenfels verfolgten. Vier Frauen, denen das Geschehen bis heute lebhaft im Gedächtnis ist. "So etwas vergisst man nicht", waren sich Barbara Schaller, geb. Weiß, damals zehn Jahre, Helene Eger, geb. Götz, damals neun Jahre, Marga Spranger, geb. Weiß, damals sieben Jahre und Betty Vogler, geb. Müller, damals 13 Jahre, einig.
Für Betty Vogler sollte es ein Festtag werden, hatte doch ihr Cousin Christian an diesem Tag Erstkommunion. Aber es kam anders. Tiefflieger flogen über Wallenfels und warfen Stanniolpapier und Silberstreifen ab. Betty war mit dem Kinderwagen und der vier Monate alten Helga im Kinderwagen Richtung Johannes (Nepomukstatue) unterwegs, als sie eine lange Menschenschlange sah, die sich fast 800 Meter lang hinzog, von der Klempnerei Gleich ("Köllahans") bis zum Wohnhaus Müller-Gei in der Frankenwaldstraße. Es waren Gefangene in trostloser, zerlumpter Kleidung, ausgemergelt und in schlechtem Gesundheitszustand. Die circa 200 bis 300 Zwangsarbeiter kamen von Gundelsdorf her.
"Nicht mal Wasser durften wir den armen Menschen geben", bedauert noch heute Barbara Schaller das Geschehen in Wallenfels. Streng bewacht von Soldaten in Stahlhelm und Uniform zogen die Männer in armseliger Kleidung durch den Ort. Eine Anwohnerin, die "Roatskull" Kunigunde Köstner, wurde schroff mit Gewehreinsatz von den bewaffneten Soldaten daran gehindert, den armen Geschöpfen Wasser zu geben. In Erinnerung blieb ihr ein Mann, dem sie fest in die Augen geschaut hat und der einen Turban auf dem Kopf und am Ärmel einen Aufnäher "Freies Indien" trug.
Neun Jahre war Helene Eger damals, als sie neugierig wie Kinder sind, den langen Zug der Leute sah, die durch- und angetrieben wurden und in schlechter körperlicher Verfassung am Ende ihrer Kräfte waren. Sie erinnert sich auch daran, dass nach dem Durchmarsch der Männer die Tilda Stöcker lautstark ihren Unmut darüber geäußert hat, wie mit diesen Menschen umgegangen wurde. Für Helene Eger und die anderen Nachbarskinder war dieses Erlebnis ein Schock, den es erst mal zu verarbeiten galt. In der Schule sprach dann die damalige Schulschwester mit ihnen darüber, damit sie es besser verkraften konnten.
"Brutal trieben sie den Mann weiter, ohne dass er was trinken konnte", dieses Erlebnis hat Marga Spranger nicht vergessen. Als an diesem schönen Frühlingstag die Gruppe von Männern durch Wallenfels getrieben wurde, hatten sie Häftlingskleidung an. Mehrere bewaffnete Aufseher bewachten sie. Als einer der Männer zu schwach wurde, sich auf eine Treppe setzte, wollte Margas Schwester Anna ihm ein Glas Wasser geben. Doch der Aufseher ließ es nicht zu und trieb den Mann weiter.
In einem Schreiben mit Eingang 8. April 1947 teilte der Bürgermeister des damaligen Marktes Wallenfels mit, dass Anfang April 1945 zwei Transporte bei Tag und ein Transport bei Nacht durchgeschleust wurden. Deklariert waren die Menschen als Fremdarbeiter und der Transport kam aus Richtung Kronach, wobei jeder 150 bis 250 Personen betrug. Gefangene sollen dabei laut der Gemeinde nicht verstorben sein. Der Marsch setzte sich Richtung Schwarzenbach/Wald fort.
Außenlager in Sonneberg
Doch es gibt noch einige Informationen, woher die Menschen gekommen sind. Auf dem Gebiet von Thüringen, in Sonneberg-West, befand sich ein Außenlager. Eröffnet wurde es am 14. September 1944, geschlossen mit der Evakuierung nach Lehesten Anfang März 1945, danach Rückkehr und zweite Evakuierung, die dann durch Wallenfels führte. Im Außenlager wurden die Häftlinge in der Zahnradfabrik G. E. Reinhard in Sonneberg zur Herstellung von Flugzeugteilen für die JU 52 sowie Kettenrädern für den Panzer Tiger und Zahnrädern für V-Waffen eingesetzt. Die Unterbringung erfolgte auf dem Firmengelände und in Stollen der unmittelbar benachbarten Sandgruben.
Der Marsch in Richtung Wallenfels war die zweite Evakuierung der Häftlinge, es muss so der 9. oder 10. April gewesen sein. Es ging nach Kronach und über Wallenfels Richtung Geroldsgrün, Saalfeld, Syrau, Pirk, Bobenneukirchen, Oelsnitz, Klingenthal nach Karlsbad. Laut Aufzeichnungen gelang dem Häftling 121234 Elisha Rubinovich, geb. 1.1.1912, aus Poddebice in Polen in Wallenfels die Flucht, er konnte in der Internetdatenbank der Shoah Foundation gefunden werden.
Damals war die Frankenwaldstraße die Hauptdurchgangsstraße. Vom Markplatz aus ging es den Hügel hinauf Richtung Pfarrkirche, doch verlief die Frankenwaldstraße unterhalb des Gotteshauses an der heutigen Gaststätte Egersmühle vorbei bis hinauf zur Kreuzung Angerstraße am Johannes.
Unsere Zeitzeuginnen wissen noch ganz genau, wo sie damals gestanden hatten, als der Todesmarsch der zerlumpten Häftlinge vorüberzog. Marga Spranger war vor ihrem Elternhaus in der Schützenstraße, während Barbara Schaller beim Johannes war, ebenso wie Betty Vogler. Helene Eger stand in der Nähe des Baugeschäftes Bartl Querfurth, damals Jakob-Degen Str. 24.
Quellen: Erinnerungen von Marga Spranger, Helene Eger, Betty Vogler und Barbara Schaller IST 1979; (1) Schöter/Trombke Chronik Wallenfels, Ortsheimatpfleger Franz Behrschmidt. Christine Schmidt, Freiberg - Freiberger Geschichtswerkstatt