Auf ihren Mountainbikes düsen der Ebelsbacher Alexander Kuhla und Schützling Kevin Köberl durch die Region.

Getrocknete Schlammspritzer zieren das neongrüne Mountainbike, die Hände am Lenkrad stecken in Fahrradhandschuhen, während Alexander Kuhla bremst und sich vom Fahrrad schwingt. Der 45-Jährige aus Ebelsbach ist oft mit dem Fahrrad auf Erkundungstour unterwegs - mal allein, mal in Begleitung. Fahrrad fahren und sozial engagiert sein, Alexander Kuhla schafft beides gleichzeitig, denn er hilft ehrenamtlich unter anderem beim Familienentlastenden Dienst der Lebenshilfe Bamberg.

"Ich habe etwa vor zehn Jahren angefangen, Mountainbike zu fahren, also relativ spät. Mit einem Mountainbike hat man einfach einen großen Radius, in dem man sich bewegen kann", erklärt Kuhla und ergänzt: "Aber ich bin keine Bergziege und muss keine tausend Höhenmeter fahren, das ist nicht so mein Ding." Er würde lieber entspannt fahren und auch keine Touren mit 60 oder 70 Kilometern am Tag. Er brauche einfach einen Ausgleich zu seinem Hauptberuf als Speditionskaufmann, erklärt Kuhla.

Ehrenamtliches Engagement

Diesen Ausgleich hat er nicht nur auf dem Mountainbike gefunden, sondern auch in seinem ehrenamtlichen Engagement. Kuhla blickt zurück: "Im Jahr 2016 habe ich mir gedacht - ich habe Zeit und der Bürojob ist nicht mehr so mein Ding. Also habe ich bei der Rummelsberger Diakonie angeklopft und mich in der Freizeitabteilung engagiert. Dort können sich Familien, die Kinder mit Einschränkungen haben, melden und an Ausflügen teilnehmen."

Doch das reichte dem 45-Jährigen nicht, deshalb engagiert er sich zusätzlich beim Familienentlastenden Dienst (FED) der Lebenshilfe Bamberg. Hier kann er seine Leidenschaft für das Fahrradfahren mit anderen teilen - zum Beispiel mit dem 29-jährigen Kevin Köberl aus Eltmann. Kevin arbeitet bei der Lebenshilfe in Augsfeld. Er und Alexander Kuhla haben sich über den Familienentlastenden Dienst der Lebenshilfe Bamberg kennengelernt und schon viele Fahrten zusammen unternommen.

"Wo Schotter ist oder steile Abhänge, wird es aktuell noch schwierig. Aber ansonsten versuche ich mit ihm alles Mögliche auszuprobieren", meint Kuhla.

Es sei jedoch nicht nur stumpfes Fahrrad fahren. Er versuche auch generell, Lernerfolge für seinen Schützling zu erzielen. Um seine Orientierung in der Umgebung zu verbessern, sucht er für Kevin zum Beispiel Fixpunkte, die er sich merken muss, sodass dieser selbstständig auch mal vorneweg fährt und den Weg angibt.

Tabus brechen

Dass die beiden eine enge Bindung aufgebaut haben, merkt man sofort. Auch Kuhla empfinde das so - in den Feedback-Gesprächen mit der Familie und mit der Betreuerin in der Lebenshilfe. Für Kevin ist die Zeit sehr wertvoll: "Es sind die kleinen Dinge, die hängen bleiben. Die Zeit, die ich geben kann, ist unschätzbar wertvoll und ich bekomme so viel zurück."

Doch die Hemmschwelle, etwas falsch zu machen, sei bei vielen Menschen sehr hoch und würde sie daran hindern , sich zu engagieren. Kuhla erklärt: "In meinem Bekanntenkreis habe ich viele, die finden das super aber trauen sich nicht, selbst etwas zu machen. Man muss das Tabu brechen, die Leute aus der Bequemlichkeit locken, vor der Haustür abholen und an die Hand nehmen."

Eltern brauchen Unterstützung

Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie sei die Unterstützung der Familien wertvoll, erklärt die Lebenshilfe Bamberg auf Rückfrage: "Wenn Menschen mit Behinderung nicht mehr ihren normalen Alltag leben können und zuhause bleiben müssen, kommen Eltern schnell an ihre Belastungsgrenze." Der Familienentlastende Dienst würde genau da ansetzen, wenn Kinder mit Behinderung plötzlich rund um die Uhr betreut werden müssen.

Jüngere Helfer gesucht

Auch Kuhla unterstreicht: "Es braucht mehr Ehrenamtliche und zwar auch jüngere. Klar kann ein 60-Jähriger mit Kevin spazieren und ein Eis essen gehen, aber er wird jetzt 30 und ist sehr sportlich. Ich kann mit ihm Fahrrad fahren, obwohl er mich auch manchmal abhängt. Ehrenamtliche in einem ähnlichen Alter sind wichtig und davon gibt es viel zu wenige." Viele Eltern würden ihren Kindern auch zu wenig zutrauen und sie zu sehr behüten.

Selbstbewusstsein stärken

"Manchmal braucht man Externe, die ihnen vielleicht auch mal den einen oder anderen Schubs und einen anderen Blickwinkel geben", erklärt er, "aber man sollte sich vorher Gedanken machen, was man machen will und dann einfach mal bei Organisationen nachfragen."

Das Beste, das jeder bieten könne, sei Zeit, das sei das einfachste und wertvollste. Kuhla nimmt sich diese Zeit. Der Freitag sei sein Tag für das Ehrenamt, erklärt er. Das Wochenende nutze er für sich oder um die nächste Heilige-Drei-Länder Tour zu planen, die er seit letztem Jahr über den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) anbietet.

Stillstand ist eben keine Option für ihn: "Ich schaue, was mir Spaß macht und versuche, das anderen Menschen beizubringen Wenn ich dann eine positive Rückmeldung bekomme, ob von Kevin oder von einem der Tour-Teilnehmer, freut mich das umso mehr."