Im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz und Teilhabe gibt es quer durch den Landkreis Barrieren an Gotteshäusern.
In ihrem elektrischen Rollstuhl kommt Sabine Saam in Baunach relativ problemfrei durch die Innenstadt. Die CSU-Stadträtin ärgert sich jedoch regelmäßig über unachtsame Autofahrer, die das barrierearme Pflaster am Marktplatz zuparken - und darüber, dass dieses Pflaster nicht bis zur Kirche reicht. Dabei hätte die Stadt Baunach der katholischen Kirche sozusagen kostenlos das Pflaster bis vor die Gotteshaus-Tür verlegt. Doch die "Demarkationslinie", wie Saam sie nennt, besteht weiter.
"Das Kopfsteinpflaster führt bis zur nicht barrierefreien Kirchentür, und die Maßnahme verliefe auch rund 15 Meter über Grund der Kirche", erklärt die Stadträtin. "Herr Dekan Gessner hat den großzügigen Vorschlag des Bürgermeisters aber sofort abgelehnt, mit der Begründung, das barrierearme Pflaster gefalle ihm nicht", berichtet die resolute Frau und frotzelt: "Geht es bei der Herstellung der Barrierefreiheit um Gefallen des Herrn Dekan oder Teilhabe aller seiner Schäfchen?"
So einfach sei der Sachverhalt nicht, betont Stefan Gessner. Den Dekan und Pfarrer von Baunach stört die Auslegung des Wortes Barrierefreiheit: Das jetzige Pflaster sei kein unüberwindbares Hindernis für Menschen mit Behinderung. Er betont: "Grundsätzlich ist die Kirche ohne Barriere zu erreichen, auch wenn das Pflaster etwas ruckelig ist, das verstehe ich."
Was er nicht versteht, ist die Kritik, die aus seiner Sicht zu kurz greift. Der Dekan verweist auf die laufenden Baumaßnahmen an der Kirche: "Während der Arbeiten hat das keinen Sinn." Andernfalls könnten im neuen Pflaster schnell Schäden entstehen. Außerdem gelte ein Baumoratorium im zuständigen Bistum Würzburg, das alle neuen Bautätigkeiten auf Eis lege. Gessner macht aber auch keinen Hehl daraus, dass er die großen Pflastersteine auf dem Marktplatz vor der Kirche für unpassend hält: "Ich wäre offen für ein kleineres Pflaster, das sich anpasst." Auch eine Rampe über die Eingangsstufe könne erst nach der Sanierung realisiert werden.
Bürgermeister Ekkehard Hojer (CBB) findet versöhnliche Worte: "Um die Kirche herum wird gebaut. Der Außenbereich fehlt noch. Jetzt etwas zu machen, wäre wirklich kontraproduktiv", zeigt er Verständnis dafür, dass die Kirche das Baunacher Angebot abgelehnt hat.
"Barrierefreier Zugang zu Kirchen ist wichtig und wird im Einzelfall vom Bauamt geprüft und im Zuge anstehender Renovierungsarbeiten nach Möglichkeit auch realisiert", sagt Burkhard Falkenberg, kommissarischer Leiter des Bischöflichen Bauamts, ganz allgemein zur Situation im Bistum Würzburg. Da diese Maßnahmen in der Regel im Zuge von Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden und die Kosten mit in die Gesamtkosten einfließen, gebe es allerdings keine Zahlen zu den konkreten Investitionssummen.
Dabei verweist Falkenberg auf eine relativ gute Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung: Im Bistum Würzburg gibt es laut Statistik 540 Kirchen mit einem barrierefreien Zugang. 99 sind eingeschränkt barrierefrei, 297 sind nicht barrierefrei. Bei 117 Kirchen liegen keine aktuellen Informationen vor. Beispiele für barrierefreie Gotteshäuser seien etwa der Kiliansdom in Würzburg, die Ritterkapelle in Haßfurt oder die Pfarrkirche Herz Jesu in Bad Kissingen.
Keine Zahlen für Bamberg
Abseits der Würzburger Exklave Baunach wird der Landkreis Bamberg vom Erzbistum Bamberg umgriffen. Wie ist die Situation hier?
"Zu diesem Thema haben wir keine statistischen Erhebungen. Nach Einschätzung des Erzbischöflichen Bauamts gibt es aber nur wenige Kirchen, die für behinderte Menschen schwer zu erreichen sind", antwortet Pressesprecher Harry Luck. Bei Bedarf würden Rampen oder ähnliches genutzt. "Die Barrierefreiheit und die Rücksichtnahme auf Menschen mit Behinderung sind für die Kirche wichtige Themen", betont Luck. Bei jeder Kirchensanierung und jedem Umbau werde auf einen barrierefreien Zugang geachtet, sofern der nicht schon vorhanden ist.
So schreibt es ohnehin das Bundesteilhabegesetz vor. Seit 2019 muss bei jeder Kirchensanierung im Außenbereich der Behindertenbeauftragte am Landratsamt involviert werden, wie Pressesprecher Frank Förtsch berichtet.
Erzbischof Ludwig Schick erklärte erst kürzlich in einer Ansprache: "Wer Menschen mit Behinderung nicht integriert, der ist mit daran Schuld, dass eine Gesellschaft inhuman wird."
Altersstruktur im Gotteshaus
Für die katholische Kirche ist schon der Blick auf die Altersstruktur der Gottesdienstbesucher ein Gradmesser für die Wichtigkeit barrierearmer Zugänglichkeit. Laut einer repräsentativen telefonischen Befragung sind in der Altersgruppe der Über-60-Jährigen im Bistum die meisten regelmäßigen Kirchgänger zu finden, bei den 18- bis 29-Jährigen deutlich weniger.
Wie sieht es bei den evangelischen Gotteshäusern aus? "Die Bamberger Kirchen sind eigentlich alle barrierefrei, im Landkreis ebenfalls der Großteil", erklärt Diakonin Andrea Hofmann für das evangelische Dekanat Bamberg. "Barrierefreiheit hat in der evangelischen Kirche natürlich eine große Bedeutung, weil es um Teilhabe von Menschen in kirchlichen Veranstaltungen geht."
Kommentar:
Wenn jemand ein Geschenk ablehnt, dann fühlt sich der Schenkende schnell pikiert. Insofern ist die Baunacher Pflaster-Geschichte auch zwei Wochen nach Weihnachten bemerkenswert. Skandalisieren muss man den Vorgang freilich nicht. Kirchenverwaltung und Pfarrer können ihren Kirchenvorplatz gestalten, wie sie wollen. Doch der Zeitpunkt der Absage an das städtische Angebot ist für die Kirche ungünstig. Sie fällt in einen Zeitraum, in dem das zuständige Bistum Würzburg ein Baumoratorium ausgerufen hat.
Das bedeutet: Nur wenn Gefahr für Leib und Leben besteht, wird in der Diözese noch zu Schaufel und Bohrhammer gegriffen. Der Grund: sinkende Einnahmen aus der Kirchensteuer. Faktisch trat 2019 damit ein Baustopp in Kraft. Ohne städtisches Eingreifen wird das holprige Pflaster vor der Baunacher Kirche also auf absehbare Zeit holprig bleiben. Keine Riesenbarriere, aber eine symbolträchtige. Dahinter wartet eine Stufe an der nur mit Kraft nach außen aufzureißenden Kirchentüre. Alles Hindernisse, die zeigen, dass man sich manchmal selbst im Weg steht.